Alagrimm 7: Die Lage im Reich

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Ausgabe Nummer 38 - Notausgabe Praios 1028 BF

Die Lage im Reich

Vom Reichskongress zu Elenvina und der Rückkehr des Fürsten nach Angbar

Mit großem Gefolge war Fürst Blasius im Frühjahr zum Reichskongress nach Elenvina aufgebrochen. Es begleiteten ihn die Grafen Growin und Orsino, der Cantzler Duridan, der Wehrmeister Thorben von Hammerschlag nebst seiner Knappin Lanzelind vom Hochfeld, ebenso der Edle Wolfhardt von der Wiesen, der wackere Ritter Globerich von Bockzwingel auf Bockenbergen und einige andere Edle. Damals konnten sie freilich noch nicht ahnen, welch schwer wiegende Entscheidungen es zu treffen galt: Um nichts Geringeres als den Fortbestand des Raulschen Reiches sollte es gehen.

Auf Schloss Eilenwîd, in Herzogs Jast Gorsams prächtiger Halle, erfuhren die Edlen des Reiches die furchtbaren Nachrichten aus dem Osten, von denen wir im Koscherland zu diesem Zeitpunkt bereits Kunde hatten: Das stählerne Wehrheim war zerstört, Königin Rohaja tot oder verschollen, nahezu alle Truppen des Reiches gefallen — auch die Streiter aus dem Kosch. Sieben Schwadronen der Ferdoker Lanzerinnen, sechs Schwadronen der Schlachtreiter – und ihr glorreiches Truppenbanner gar — verloren! Auch die Marschallin Angunde von Falkenhag hatte wie so viele andere der Ruf an Rondras Tafel ereilt. Doch damit nicht genug, auch Gareth selbst, das Herz des Reiches, und mit ihm die Stadt des Lichts, die Neue Residenz, die Reichsregentin… alles war verloren. Thalia, die Schwester unseres Fürsten, welche nur mit knapper Not dem Inferno entkommen war, berichtete Herrn Blasius selbst vom Untergang der Capitale. Ungewiss blieb bis zuletzt das Schicksal der Prinzen Anshold und Idamil, die doch beide ebenfalls in der Hauptstadt weilten.

Diese schwärzeste Stunde verlangte danach, dass alle Versammelten das schwankende Reich stützten, damit es nicht vollends fiele. Galotta, der zwölfmal verfluchte, sollte sein Ziel nicht erreichen, denn noch gab es aufrechte Streiter und unbezwungene Provinzen.

So schritt man unter der Anleitung seiner Exzellenz Hartuwal vom Großen Fluss zunächst dazu, die vakant gewordenen Reichserzämter neu zu besetzen. Fürst Blasius selbst — unterstützt von den Freunden aus Tobrien und Weiden — stand zur Wahl für das Amt des Reichserztruchsessen. Doch wie hätte er diese Ehre wahrnehmen und das Amt angemessen bekleiden sollen, während seine Heimat dem Feinde schutzlos ausgeliefert war? So war es schließlich Graf Orsino, seit Jahren ein Kenner des Garether Kaiserhofes, der diese Bürde von des Fürsten Schultern nahm. Reichsadmiral wurde Baron Avon Nordfalk, der Streiter des Reiches, Reichserzkanzler blieb freilich der wortgewandte Prinz Hartuwal. Über das Amt des Reichsmarschalls, dessen Tod als nicht gesichert gilt, wurde noch nicht entschieden.

Nun hatten die Träger der Reichserzämter die schwere Aufgabe, einen Regenten zu küren und zu krönen. Prinz Selindian Hal jedoch schien noch zu jung, um sein Erbe anzutreten — und so wurde bis zu seiner Krönung die Regentschaft des Reiches in die erfahrenen Hände des stärksten Provinzherren gelegt: in die von Herzog Jast Gorsam vom Großen Fluss, dem letzten aus den Zeiten Retos und einzigen, der länger regiert als unser guter Fürst. Möge seine Stärke auch dem Reiche neue Kraft verleihen in dieser schweren Zeit!

Die Vertreter der Provinzen schworen ihm vor dem Vertreter des Herrn Praios Treue und Gefolgschaft — bis auf Invher ni Bennain, die Königin Albernias, die mit dem Großteil ihrer Vasallen voll Grimm den Saal verließ. Gebrochen ist die damit die Einigkeit des Raulschen Reiches, das starke Band, das die Provinzen einte. So weit ist es nun gekommen!

Doch dem Fürsten und seinem Gefolge blieb kaum Zeit, über die Ereignisse nachzusinnen, denn es erreichte sie ein Bote aus dem Bergkönigreich Koschim, der eine Nachricht überbrachte, nach Erzzwergenart auf einer Tontafel verzeichnet. Sie stammte allerdings nicht von Bergkönig Gilemon, sondern von dem Magus Voltan von Falkenhag, dem Bruder des Grafen Orsino, der dem Fürsten auf diesem Wege von der Erweckung des Alagrimm und der Zerstörung Koschims berichtete und ihn aufforderte, so rasch wie möglich in die arg bedrängte Heimat zurückzukehren. So geschah es auch.

Noch in Elenvina schloss sich aus eigenem Antrieb ausgerechnet ein Darpatier dem Fürsten an: Wertimol von Firunslicht, Gesandter Irmegundes in Angbar und Nachfolger seines Vetters Edric. Bislang war der Ritter, der mit seiner Anverlobten schon eine gute Zahl von Monden in den Koscher Landen weilt, kaum beachtet worden. Ihm galt es einzig, die fruchtbare Arbeit seines Vorgängers mit ruhiger Hand fortzuführen.

Doch nun sind die alten Abkommen sinnlos. Vor Wehrheim brach der Schild des Reiches, Darpatien ist gefallen und die Streiter des Kosch mit vielen anderen Soldaten des Reiches gefallen. Und dennoch blieb Ritter Wertimol im Kosch. Er soll gesagt haben: „Ich bin nur ein Mann und kann euer Opfer vor Wehrheim nicht wett machen. Auch bräuchte meine Heimat mich heute so sehr wie nie. Doch will ich wenigstens einen kleinen Teil gutmachen von dem, was der Kosch für Darpatien gab. Wie vor dem Rhodenstein sei meine Lanze und mein Schwert das eure!“ — „Habt Dank, Meister Wertimol!“, sprach der Fürst, „Jede Lanze, jedes Schwert sind willkommen in dieser Stund!“ Und so ritt der darpatische Gesandte im Gefolge des Fürsten Blasius nach Angbar zurück.

Auf dem Weg warb Graf Orsino im Gratenfelsschen eine Schar Söldner an, um wenigstens einige Klingen mehr aufbieten zu können als das Geleit des Fürsten. Bei den Verhandlungen leistete ihm sein neues Amt freilich gute Dienste. Doch auch der neue Reichsregent stellte bereits seine neue Tatkraft unter Beweis, wenngleich auf merkwürdige Weise: Den Greifenpass fanden die Koscher Edlen nämlich besetzt von des Herzogs Truppen, die es gar wagten, den fürstlichen Tross aufzuhalten! Der Wehrmeister Thorben von Hammerschlag stellte sehr schnell klar, dass die Koscher keine dunklen Horden aus dem Osten seien und man unbehelligt weiterzureisen wünsche. Daraufhin ließen die übereifrigen Wächter die Gesellschaft passieren. Zwar verlief der Rückweg ohne weitere Zwischenfälle, doch hatte die Episode einen unangenehmen Eindruck hinterlassen und düstere Fragen aufgeworfen.

Gerade noch rechtzeitig gelangte der Fürst mit seinem Gefolge nach Angbar, das sich bereits auf den Angriff des Alagrimm vorbereitete. Als man von den Mauern aus das fürstliche Banner erblickte, öffneten sich die Tore, und die Bürger eilten jubelnd dem Zug der Edlen entgegen, erschien ihnen doch die Rückkehr des Landesvaters als neuer Hoffnungsschimmer in dieser Zeit größter Gefahr. Auch wenn der Tag der Waffenschmiede stets ein hoher Festtag in der Reichsstadt war, einen solchen Jubel sah man selten an einem 21. Ingerimm in der Ehernen. Weiter wurde die neu gewonnene Zuversicht genährt, als auch der Hochkönig Albrax mit kleinem Tross und keinem Geringeren als Erbprinz Anshold an seiner Seite von Steinbrücken her eintraf. Doch die Wunden und Narben des Hochkönigs ließen ahnen, dass es keine gute Kunde war, die er mitbrachte. Auch der Erbprinz schien nur zögerlich seine Freude zeigen zu können, als sein Vater und seine Gemahlin Nadyana ihn umarmten. Als sein Blick auf den kleinen Holduin fiel, sah man Tränen in seinen Augen — Tränen der Freude und des Leids. Denn mit sich führten Albrax und Anshold einen Sarg. Herr Geldor war’s, des Fürsten jüngerer Bruder und Marschall der Weidener — sein Leben hatte er gegeben, als König Albrax vor Wehrheim von einer daimonischen Ranke zerteilt zu werden drohte; sie traf an seiner statt Herrn Geldor. Zum Zeichen seines Dankes brachte der Hochkönig der Zwerge den Leichnam nun selbst in die Heimat zu seinem fürstlichen Bruder, denn, so sprach Väterchen Albrax, die Angroschim gingen ebenso wie die Menschen schweren Zeiten entgegen. Da gelte es, Seite an Seite zu stehen. Und wahrlich, der Alagrimm war nicht mehr weit...

Losiane Misthügel, Karolus Linneger, Erdan Serenim

Der Zug des Alagrimm © M. Lorber

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