Salmingen in Trauer
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Offener Brief von Baron Hagen von Sturmfels | ▻ |
Von edelsten Geschlechtern: Salmingen in Trauer
Hintergründe für das Attentat auf Baron Bernhelm aufgedeckt
SALMINGEN. Seine Hochgeboren Hagen von Sturmfels, Baron zu Dunkelforst und Baruns Pappel, hatte nach dem von albernischen Edelleuten in seinem Lehen begangenem feigen Mord an seinem Vater — Seiner Hochgeboren Bernhelm Sigismund von Sturmfels, Baron zu Dohlenfelde und siebenter hochadliger Reichskammerrichter — eine zwölftägige Trauer in Land und Stadt Salmingen angeordnet. Es sollten nur notwendige Arbeiten verrichtet werden, phexgefälliges Treiben war gänzlich untersagt.
Die Gattin des Ermordeten und Mutter Hagens, Ihre Hochgeboren Frylinde von Salmingen, zog sich für die Dauer der Trauertage in eine Klause des Salminger Hesindetempels zurück, wo sie von der Hochgeweihten und langjährigen Freundin, Ihrer Hochwürden Sephira Birninger, seelsorgerisch betreut wurde. Seine Hochgeboren Hagen zog den Beistand Ihrer Hochwürden Leuengunde vom Berg, der Hochgeweihten der Salminger Schwerthalle, vor.
Allerlei Gerüchte waren in diesen Tagen nach dem feigen Attentat der Reichsverräter über die angeblichen Verstrickungen von Charissia von Salmingen — Erzschurkin, Beschwörerin des Alagrimm und Verderberin unseres geliebten Königreichs — zu hören. An dieser Stelle soll nun versucht werden, etwas Ordnung in die Geschehnisse zu bringen.
Außer Frage steht mittlerweile, dass nicht Ihre Hochgeboren Frylinde von Salmingen mit zu der Jagd ritt, auf welcher der Reichskammerrichter aus dem Hinterhalt ermordet wurde. Nein, vielmehr befand sich Frylinde zu diese Zeit in der Gefangenschaft der Mörder ihres Gatten, während ihre Zwillingsschwester Charissia, die Erzschurkin, den Platz ihrer zwölfgöttergläubigen und rechtschaffenen Schwester eingenommen hatte. Niemand, nicht die Leibzofe Frylindes, nicht einmal ihr Gatte und schon gar nicht ein anderer der Anwesenden durchschaute den Schwindel. Auch der Hüter der Reichsordnung, Seine Hoheit Jast Gorsam vom Großen Fluss, und dessen Sohn, Seine Liebden Frankwart vom Großen Fluss, sowie die zahlreichen anwesenden Geweihten der Rondra und des Firun bemerkten die Gegenwart der Borbaradianerin nicht. Erst nach dem Mord wurde — nachdem Charissia sich unerkannt von dannen gemacht hatte — Frylinde in einer einsamen Jagdhütte im Dunkelwald gefunden.
Über die genauen Zusammenhänge ist nichts bekannt, der Hesindetempel zu Salmingen hat eine umfassende Untersuchung eingeleitet. Die die Untersuchung leitende Geweihte Elissa von Kuslik, eine Spezialistin für magische Umtriebe, wird den für die Grafschaft Ferdok zuständige Inquisitionsrat sowie den Magierorden der Wächter Rohals informieren — soweit dies notwendig und hilfreich ist.
Keinen Zweifel ließ Ihre Hochgeboren Frylinde in einer Ansprache vor Honoratioren der Baronie Dunkelforst daran, dass ihre Familie selbstverständlich den letzten Willen ihres verschiedenen Gatten anerkenne. Seine Hochgeboren Bernhelm hatte nur zwei Tage vor seinem Tode — also als sich Frylinde noch in der Gefangenschaft seiner späteren Mörder befand — seinem Sohn die Änderung seines Testaments und eine entsprechende Urkunde übergeben. Seine Hoheit Jast Gorsam vom Großen Fluss, Seine Liebden Frankwart sowie zahlreiche Würdenträger der Baronie Dunkelforst bezeugten das geänderte Testament auf Wunsch Seiner Hochgeboren Bernhelm mit Unterschrift und Siegel. Nach dem neuen letzten Willen Bernhelms von Sturmfels soll nun nicht sein ältestes lebendes Kind, Seine Hochgeboren Angrond Bernhelm von Sturmfels, der mit Ihrer Hochgeboren Isida von Quakenbrück verheiratet ist, die Baronie Dohlenfelde erben, sondern sein jüngster Sohn Hagen. Es steht außer Frage, dass sowohl Angrond als auch Hagen legitime Nachkommen Bernhelms und damit beide prinzipiell erbberechtigt sind. Weder Reichsrecht, noch nordmärkisches Landrecht, noch das Recht der Grafschaft Isenhag stehen der Entscheidung des Dohlenfelder Barons, die Erbfolge zugunsten Hagens zu ändern, entgegen, denn die Erbfolge des ältesten Kindes ist nichts weiter als weithin übliches Gewohnheitsrecht.
Ihre Hochgeboren Frylinde hofft nun darauf, dass ihr Stiefsohn Angrond — dessen Mutter Brianna Albenbluth von Niamor bereits im Jahre 999 BF kurz nach der Geburt ihrer Tochter Derya verstarb — den letzten Willen seines Vaters akzeptieren wird, und ihren leiblichen Nachkommen Hagen als Thronfolger Dohlenfeldes anerkennt. Auch Seine Hochgeboren Hagen, der bereits „Hlûtharhilf“, das Familienschwert des mittleren Hauses Sturmfels, gegürtet hat und sich des Rückhalts Seiner Hoheit Jast Gorsam bewusst ist, scheint auf die Kooperation seines zwölf Jahre älteren Halbbruders Angrond zu bauen. Angrond führt bereits seit dem Tode seiner Großmutter Regintrud von Schwertleihe im Jahre 1018 BF die Amtsgeschäfte in Dohlenfelde und ist seither Hüter des Baroniesiegels.
Der niedere Adel der Baronie Dunkelforst erklärte bereits geschlossen die Unterstützung der Forderungen ihres Barons, ebenso der Stadtmeister Salmingens. Auf einem Anfang Praios abgehaltenen Familientreffen des ebenso alten wie stolzen Hauses Salmingen, zu dem Adlige aus dem ganzen Kosch und auch aus den benachbarten Provinzen anreisten, wurde Hagen bereits als neuer Baron Dohlenfeldes hochleben gelassen.
Einwände des Wahrers der Ordnung Mittellande, Seiner Eminenz Pagol Greifax von Gratenfels, die mittlerweile zu Elenvina vorgebracht wurden, wurden von Ihrer Hochwürden Sephira, Seiner Hoheit Jast Gorsam, Seiner Hochgeboren Hagen und Ihrer Hochgeboren Frylinde umgehend zurückgewiesen: Seine Eminenz behauptete, dass es nicht möglich sei, den praiosgefälligen Ablauf der Ereignisse um die Neufassung des Testaments und den Tod Bernhelms rückwirkend feststellen zu können. Vielmehr müsse unter den gegebenen Umständen angenommen werden, dass die finstere Borbaradianerin Charissia ihre schwarzmagischen Fähigkeiten darauf verwandte, ihren Schwager Bernhelm, ihren Neffen Hagen und vielleicht auch alle andern Anwesenden unheilig zu beeinflussen. Ein Testament, das unter magischer Beherrschung oder gar dämonischer Einflüsterung zustande kam, könne jedoch vor Praios’ gleißendem Blick nicht bestehen. Alleine die Unmöglichkeit, den letzten Zweifel auszuräumen, gestatte es nicht, das geänderte Testament anzuerkennen.
Aus herzöglich-nordmärkischen Kreisen hingegen — auch der Erleuchtete der Lichtei Elenvina, Seine Exzellenz Jorgast von Bollharschen-Schleiffenröchte, unterstützt die Position Seiner Hoheit — wurde verlauten gelassen, dass vielleicht nicht letztgültig ausgeschlossen werden könne, dass Charissia Schwarzkunst wirkte, um die Anwesenden magisch zu beeinflussen, es aber auch keinerlei Beweis gebe, dass ebendies geschah. Obwohl die Anwesenheit Charissias nicht angezweifelt werden könne, liege der Zweck des üblen Rollentauschs im Dunkeln. Denn an einem könne es keinen Zweifel geben: Sowohl Seine Hochgeboren Angrond Bernhelm von Sturmfels, der bis dato designierte Thronfolger Dohlenfeldes, als auch Seine Hochgeboren Hagen von Sturmfels, der laut Testamentsänderung neu bestimmte Erbe, seien von höchster Integrität, unzweifelhafter Rechtschaffenheit und den Zwölfen in tiefem Glauben ergeben.
Den letzten Willen eines der höchstrangigen und einflussreichsten Adligen der Nordmarken dürfe man nicht aufgrund vager Vermutungen ignorieren. Und der letzte Wille Seiner Hochgeboren Bernhelm Sigismund von Sturmfels laute unzweifelhaft, dass nicht sein Sohn Angrond, sondern sein Sohn Hagen der nächste Baron zu Dohlenfelde sein solle.