Der Traum des Prinzen Anshold

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier8-35.gif

Ausgabe Nummer 28 - Tsa 1023 BF

Der Traum des Prinzen Anshold

Der Fürst setzt alle Hoffnung in eine Queste für die Heilung seines Sohnes

Falkenritter © M. Lorber

ANGBAR. Kummer und Schweigen erfüllen in diesen Tagen die Thalessia, Angbars Fürstenschloß, und durch die Gänge klingen Stunde um Stunde die Fürbitten jener, die um die Genesung eines der Edelsten beten.

Zunächst hatte es so ausgesehen, als würde die Wunde des Prinzen Edelbrecht, die dieser auf der Tralloper Turnei empfangen hatte, rasch und gut verheilen. Schon im Darpatischen verließ der Prinz des fürstlichen Vaters Reisekutsche und sprengte im Sattel seines Rosses mit den Gefährten voran. Das dankte man allgemein den guten Zwölfen und der Gegenwart des Fürstenbanners Ondifalors — der heilige Baduar soll es nämlich vor Brig-Lo gegen die Dämonen geführt haben, was dem Tuch wundersame Kräfte verlieh.

Doch gänzlich zu heilen vermochte es den Prinzen nicht, und als man den Reichsforst durchquerte, da netzten frisches Blut und schwarzer Ausfluß die Verbände. Ein trauriger Siechenzug war so aus der fröhlichen Turniergesellschaft geworden, als man die Heimat erreichte und der tapfere Prinz in der verhüllten Prunkkutsche danieder lag. Da wußten sich die Angbarer nicht recht zu helfen, die links und rechts die Gassen säumten und Wimpel und frisches Grün bereithielten, um ihrem Fürsten und dessen Rittern bei der Heimkehr zuzujubeln.

Die gelehrtesten Medici, die erfahrensten Wundschere, sie alle vermochten nicht, die Wunde zu schließen. Ja, selbst zwei Kräuterweiber aus Koschtal, die am Tor der Thalessia vorstellig wurden, ließ der Fürst hereinrufen und dem Verwundeten einen seltsamen Sud einflößen. Derweil wachten die Verwandten und engsten Freunde des Prinzen im Wechsel Tag und Nacht an seinem Lager. Auch Erbprinz Anshold vom Eberstamm, dessen eigene Gesundheit des öfteren angeschlagen ist, saß so manche Stunde bei seinem nachgeborenen Bruder, wischte diesem die Tropfen von der schweißnassen Stirne und sang beruhigende Weisen, wenn das Fieber ihn schüttelte. In der Nacht jedoch berührte der Stille Gott Herrn Anshold mit seinem Stabe, und der zweigestaltige Bishdariel streute ihm den goldnen Traumstaub in die Augen. Als er am andern Morgen erwachte, berichtete er aufgeregt dem alten Kammerdiener, der einen Krug mit dampfend warmer Milch hereinbrachte, von seinem Traume:

Zwölf Falken hatte er gesehen, die sich von der Faust ihres Herren erhoben und dann in alle vier und Vasallen im Rittersaal und hieß sie, ihre Meinung vorzutragen. Auch zum boronischen Kloster von Trolleck sandte man nach einem Geweihten und desgleichen in die Hesindehallen von Salmingen.

Derweilen trat Hochwohlgeboren Orsino vom See vor, des Reiches Siegelbewahrer. Statt gen Gareth zu ziehen, wo man ihn erwartete, war er von seinem Schlosse am östlichen Seeufer zur Thalessia gesegelt, kaum daß ihn die Nachricht von der Verwundung des Prinzen erreicht hatte. Der Graf, dessen Haus einst die kaiserlichen Falken züchtete und der selbst ein edler Waidmann ist (und darob vor nicht langer Zeit mit dem Prinzen Edelbrecht einen firungefälligen Wettstreit austrug und vorher noch gen Bjaldorn, das gefallene, pilgerte), er fand als erster des Rätsels Lösung: „Steht nicht der Falke, das edle Tier Ucuris, für Adel und Tugend? Und gebietet nicht ein Fürst gleich wie ein Falkner über viele edle Ritter, die er nach seinem Willen senden kann?“

Dem nickten die andern wohlmeinend zu. Da bat auch der Sänger Wolfhardt von der Wiesen ums Wort. „Mein Fürst“, begann er, „der Graf spricht weise. Ihr alle erinnert Euch, daß jüngst ein altes Buch gefunden wurde, in dem von den Taten Eures Ahnen, des heiligen Baduar vom Eberstamm, geschrieben steht, und das ich aus dem Bosparano in unser gutes Koscher übersetzen will. Aus diesem Werk vernehmt die folgende Geschichte:

Als des Fürsten Tochter, Garethia, von einer Wunde siech danieder lag und nichts ihr helfen konnte, schickte ihr Vater zwölf der besten Ritter aus auf eine Queste, um ein Heilmittel zu finden. Je dreie zogen gen Praios, Efferd, Firun und Rahja, und sie sollten sich an der ersten Wegeskreuzung, die sie fanden, abermals trennen. Nach vielen Wochen und Monden, so heißt es weiter, kehrten sie zurück und brachten Kunde, was die Prinzessin retten könne.

Keinen anderen Rat als diesen scheint Euch des Prinzen Ansholds Traum zu geben!“

Da fragte der listige Cantzler Duridan von Sighelms Halm dazwischen: „Wozu die Mühe, Herr Wolfhardt? Warum sagt Ihr uns nicht hier und jetzt, worin die Heilung für Frau Garethia bestand — vielleicht wird dasselbe Mittel auch unsern Herrn Edelbrecht retten.“

Aber das Ende der Mär, so erklärte der Dichter, sei verloren mit der Seite, auf der sie stand; denn Alter und Nässe hätten dem Pergament übel zugesetzt und viele Zeichen unlesbar gemacht oder ganz getilgt.

Also beschloß der gute Fürst, es seinem großen Ahnherrn gleichzutun und die edelsten der koscher Ritterschaft in alle Winde auszusenden; denn nirgends werden die Taten und Gesetze der Altvorderen mehr geachtet als im wackeren Lande zwischen Großem Fluß und Koschgebirg’. So hieß er seinen Cantzler, einen nämliche Bekanntmachung aufzusetzten, und der Hofherold Hernobert von Falkenhag, in zu Angbar, Ferdok und Koschtal laut zu verlesen, und mindere Boten sollte’s hernach in alle Winkel tragen.

Von nichts anderem aber sprechen seither die schwatzhaften Lehrlinge der Seestadt, als welche edle Rittsleute denn die Queste wagen wollten, und wo den nun des Prinzen Heil zu finden sein möge, und die vorwitzigsten Burschen unter ihnen wollen von einer hochedlen Ritterin wissen, die gerade sie als Knappen für ihr kommendes Abenteuer ausersehen hätten, was freilich ein ausgemachter Schmachfug ist.

In der Tat aber hat manch ein wagemutiger Adelsproß seither sein Schwert gegürtet und das Roß gesattelt und ist gen Angbar geritten, um für den Fürsten und seinen Sohn auszuziehen. Die ersten von ihnen sind eben in der Thalessia vorstellig geworden, von aus ihre Queste in Bälde ihren Anfang nehmen soll, und es heißt, daß mehr noch folgen werden, weithin bekannte Recken ebenso wie unschuldige Maiden, die eben erst den Ritterschlag empfangen haben.

Karolus Linneger & Stitus Fegerson