Warum der Ochsensteg so heißt

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Ausgabe Nummer 28 - Tsa 1023 BF

Aus Koscher Sagenwelt: Warum der Ochsensteg so heißt

Eine wahre Begebenheit aus dem Wengenholmer Land

Nicht weit von Auersbrück geht ein Steg über die Auer nach Greifenfurt; das ist der Ochsensteg. Dorthin mußte nun einmal ein Pächter des Barons eine Fuhre machen mit seinem Gespann, zwei schnaubende Zugtiere vornan. Und von der andern Seite, just zur selben Zeit, ein Greifenfurtscher Bauer, der hatte Land auf dieser Seite zu bestellen.

Wie sie sich nun aber auf ihren Wagen dem Steg näherten, da hätte wohl oder übel einer dem andern den Vortritt lassen müssen, denn breit genug war die Brücke nicht für beide. Nun hielt aber der Wengenholmer dem andern vor, daß er im Namen seines Barones fahre und ihm somit das Vorrecht gebühre; der Greifenfurter aber war ein Freier und wollte einem Grundsassen nicht nachstehen.

So gab ein Wort bald das andere, und unschöne Worte waren’s mehr und mehr. Schließlich ließen die beiden die Gerten schnalzen und trieben die schwarzfleckigen Tiere an. Die trotteten auch brav auf die Brücke — bis eben in die Mitte. Dort standen nun vier Rindviecher Stirne an Stirne und Horn an Horn und konnten nicht vorwärts – aber auch nicht mehr zurücke!

Da erst bemerken die beiden Bimsschädel auf den Böcken, daß sie was Schönes angerichtet hatten und gaben sich einander die Schuld. Schließlich kamen sie überein, daß man wohl oder übel einen der Karren würde abladen müssen, die Ochsen ausspannen und das Gefährt von der Brücke aufs sandige Ufer ziehen. Doch nun erhob sich der Streit aufs Neue, wessen Wagen dies denn sein sollte.

„Deiner ist leichter und kleiner“, bemerkte der Greifenfurter, doch der Koscher sagte: „Ich hab’ schwere Fässer geladen, die kriegen wir heil nicht runter, und wehe, wenn was zerbricht!“

So kamen sie wieder zu keinem Ergebnis, woraufhin beide wutschnaubend zu Fuß in ihre Heimatdörfer stapften und allerlei kräftiges Jungvolk und ihre ganze Sippe herbeiholten. Nun standen auf jeder Seite des Flusses ein halbes Hundert Leutchen und stritten in gleicher Weise wie die beiden Dickköpfe zuvor. Wer weiß, ob das ganze nicht noch in einer zünftigen Prügelei geendet hätte, wäre da nicht ein Krambold am Wasser entlanggekommen.

Als er den Grund des Streits vernahm, lachte er laut über beide Parteien und rief: „Ihr seid noch größere Ochsen als eure Zugtiere!“ Aber dann kramte er einen Kreuzer aus der Tasche und hieß jeden der beiden Streithähne, sich für eine Seite entscheiden. Der Kreuzer flog in die Höhe, drehte sich vielmals und landete in der Hand des Kiepenkerls. Somit entschied sich, der Greifenfurter dürfe zuerst ziehen. Mittlerweile war’s schon fast Abend geworden, und alle waren froh, nach Hause zu kommen. Seither aber ist’s Sitte, und nicht nur am Ochsenstieg, daß man an engen Stiegen eine Münze wirft, wenn zwei Gleichgestellte sich um den Vortritt streiten.

Kompiliert von Karolus Linneger