„Was Recht ist, muß Recht bleiben“

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Ausgabe Nummer 23 - Rahja 1021 BF

„Was Recht ist, muß Recht bleiben“

Denkwürdiger Vorfall auf dem Angbarer Gerichtstag

ANGBAR. Am ersten Praiostach eines jeden Mondes, so will es die Sitte im Lande Baduars und Halmdahls, hält der Fürst Gericht zu Angbar. Zwar gibt es in den einzelnen Orten die Geweihten des Praios, die Barone, Vögte und Greven, welche die göttergewollte Ordnung hüten, doch des Fürsten Gnadengericht ist die oberste Instanz im Koscherlande. Jüngst nun begab sich das Folgende:

Den ganzen Vormittag schon hatten Seine Durchlaucht Recht gesprochen. Zu seiner Rechten und Linken saßen der Hochgeweihte des Angbarer Praiostempels, Seine Hochwürden Tarjok Boquoi, und Meister Grumosch Gimmelding, der Erbgreve. Denn keiner findet sich besser zurecht in den Satzungen der Lex Zwergia, und nicht selten mußte dieser Codex zurate gezogen werden, wenn Angehörige von Angroschs Volk in die Schranken traten.

Als der Fürst, vom Hunger geplagt, die Tagung beenden und sich einem zünftigen Mahle zuwenden wollte, drängte sich noch ein kleines Bäuerlein durch die Reihen der Hellebardiere und baute sich trotzig vor dem Richtstuhle auf. „Guuder Herr Fürst, Ihr müßt mir da schoo verzeihn, wenn ich nich soo guud zu reede waaß, aaber isch muß vor Eusch was wichtiches zur Klaage bringe.“ Da huschte den Herrschaften ein Lächeln über die Lippen, als sie den Landmann in breiter Wengenhoolmer Mundart sprechen hörten. Dieser aber fuhr fort: „Wisset, ich bin der Hirselkober Manze, unn ich bin ein freier Mann mit eignem Land, droobe im Oorsbrücksche. Unn ich will klaage gegen den Herrn Junker Wenzel von Alrichsboam, weil er mein Bub und die Sauen ausm Eichelwald treibe tut und sacht, dasses nich recht wär. Aber ich hab sehr woohl des Recht dazu.“

Da runzelte Hochwürden Boqoui die Stirne, weil ein Gemeiner gegen einen Wohlgeborenen klagte. Schon erhob er mahnend die Stimme und wandte ein, daß man hier unmöglich ein Urteil fällen könne, da der Junker von Alrichsbaum nicht anwesend sei. Da platzte ein junger Page, der eben dem Erbgreven einen Trunk darreichte, heraus, daß der Junker — ein entfernter Verwandter von ihm — doch gerade zu Angbar weile, um der Namensgebung seines Schwesterkindes beizuwohnen.

Ungeachtet des sauren Blickes Seiner Hochwürden befahl unser guter Herr Fürst, daß der Junker und der Hirselkober beide mit ihren Zeugen nach dem Mahle vor ihm erscheinen mögen. Damit vertagte er aber die Sitzung und begab sich zu Tische. Er hatte jedoch — so heißt es — noch nicht die Hollersoße mit dem Brotkanten aufgewischt, als polternd der Junker von Alrichsbaum Einlaß begehrte und mehr oder minder unaufgefordert den Saal der Thalessia betrat. Hinterdrein folgte ihm der Hirselkober mit einem halben Dutzend Zeugen, darunter gar einem Landgreven, wie unschwer an dem Meßstabe in seiner Rechten zu erkennen war.

Empört ob dieser Störung gebot der Fürst dem Edlen Ruhe, der sich lautstark beschwerte, daß man ihn auf das Wort eines lumpigen Bauern vorladen wolle. Es könne ja wohl nicht richtig und in des Fürsten Sinne sein, daß jeder Ackerbauer dem Rittersmann sage, was Recht sei. Ungerührt setzte Herr Blasius sein Mahl fort, während er den Hirselkober seine Zeugen vorbringen ließ, die alle freigeboren waren und ihm den besten Leumund zusprachen. Und sie brachten zu Gehör, daß es seit jeher im Wengenholmschen Recht ist, daß „eyn fryer Mann, geborn von fryer Mutter und fryem Vatter sulle weyden dürfen die Säu im Forste an den Aicheln und Eckern, solangs nit schadet dem Wildte und dem Holtze.“

Da mochte der Junker toben und sich auf Wappen und Stand berufen. Doch: „Was Recht ist, muß Recht bleiben“, sagte der Fürst und gebot Herrn Wenzel, sein Treiben zu unterlassen. „Und weil solches Handeln Schande über die Koscher Ritterschaft bringt, gebt dem Bauern ein Ferkel zur Buße und ein weiteres dem hohen Gericht.“ Sprachs, hob die Tafel auf und verließ den Saal.

Karolus Linneger