Tragödie in Oberangbar
Tragödie in Oberangbar
Schluder und Jähzorn führten zu Kummer und Tod
OBERANGBAR. Schreckliches trug sich Ende des Rahjamondes auf dem kleinen Herselgut bei Oberangbar zu. Wo früher ein blühendes Anwesen, ein schmuckes Koscher Bauernhaus mit Reisigdach und Ofenrauch zwischen den Hügeln gestanden, schwelen heute nur noch Ruinen, und zwei Boronsräder künden von einer menschlichen Tragödie. Aufgrund von Zeugenaussagen war es möglich, die Ereignisse zu rekonstruieren:
Es war am Praiostach, dem letzten im Stutenmond. Der Bauer Mörre Sieberhalm, der bei seinen Nachbarn als durch und durch anständiger und tüchtiger Mensch bekannt ist, hatte seinen Knecht Dappert fortgeschickt zum Müller Hamscher, um mit den mühsam zusammengesparten Talern den schneeweißen Zuchtbullen zu kaufen, der auf der Viehschau im letzten Peraine von allem Volk so bewundert worden.
Zur Mittagsstund’ mag Dappert denn am Dreiweg, wo der Pfad zur Hamschenmühle abzeigt, Rast gemacht haben; an demselben Orte aber hatte sich schon eine Gesellin aus der Ferdoker Mark gelagert und ließ sich’s im Scheine des Götterfürsten wohlsein. Die beiden jungen Leute kamen ins Plaudern und teilten ihr karges Wegbrot, bis schließlich über die Hügel die Feuertürme schon die Efferdsstunde schlugen.
Erschrocken ob seines langen Säumens raffte sich der Dappert auf, um hurtig sein Geschäft bei dem Müller zu verrichten. Erst bei diesem angekommen, bemerkte er, daß er in der Eile sein Säckel mit den blitzenden Ebern wohl an der Rastatt vergessen hatte. Wildes Entsetzen packte den Pflichtvergessenen da, und über die Felder rannte er heim, dem Brotherrn die peinliche Not zu melden. Nicht dachte er daran, nach dem Dreiweg zurückzukehren, hatte er doch die fremde Gesellin in Verdacht und wähnte sie schon über alle Berge mit dem Geld.
Dämmern wollte es bereits, als er den Herselhof erreichte, und der Bauer lugte aus der Türe, erwartete er doch, das kräftige Brüllen des weißen Rindes über die Hügel zu hören. wie aber betreten der Knecht herbeikommt und die Schuld eingesteht, da packt den braven Mörre Sieberhalm die Wut, hat er schließlich manche Monde um das schöne Geld geschuftet, und er nimmt die Forke von der Wand und will auf den Dalle losgehen.
Der aber kriegt’s mit der Angst zu tun und muß sich wohl auf dem dunklen Heuboden verkrochen haben. Der Bauer, die Forke zur Rechten, die Leuchte zur Linken, geht ihm nach, und auf dem Boden kommt’s zu einem Zank wie in einer nostrischen Kaschemme. Anders kann’s nicht sein, als daß bei dem Gemenge die Leuchte niedergefallen ist und das Stroh entzündet hat. Lichterloh muß es gleich gebrannt haben, das ganze Haus.
Just zu jener Zeit aber stand die Gesellin, die praioslöblich rechtschaffend war, auf dem nahen Hügel, nach dem Hofe spähend; denn sie hatte beim Aufbruch das Geldsäcklein gefunden und versucht, es dem Dappert nachzuliefern, ihn aber beim Müller verfehlt. Was half’s nun, daß sie in bester Absicht kam — stand doch über dem Dache bereits der rote Hahn, und rußschwarz quoll der Rauch hervor aus den Fenstern.
Auch die beherzte Hülfe kam zu spät, umkommen mußten in der Glut Bauer und Knecht — dieser für seine Schludrigkeit, jener für seinen Jähzorn.
Leid ist’s vor allem um die Witwe und die beiden Kinder, die sich noch aus der hintern Stube flüchten konnten und jetzt ohn Obdach, Vater und Gatten sind.