Der Eber stolz, die Greifin hehr

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Ausgabe Nummer 34 - 1026 BF

Der Eber stolz, die Greifin hehr

Wie Prinz Edelbrecht um Frau Irmenella warb

GREIFENFURT/MGFT. GREIFENFURT. Viele Monde waren vergangen, seit Prinz Edelbrecht, der Kühne, gen Norden zog, um die schöne Markgräfin von Greifenfurt zu freien. Lange hatte er warten müssen, nun endlich aber war der Augenblick gekommen, da er, eben frisch bekränzt als Sieger im Turnier, um Frau Irmenellas Hand anhalten durfte. Doch eine Prüfung hielt das Schicksal noch bereit: in Gestalt eines Nebenbuhlers, des Barons von Orkenwall.

Solche Pracht hatte man in Greifenfurt schon lange nicht mehr erlebt wie im vergangenen Ingerimm, jüngst beim Turnier zum 12. Jahrestag der Befreiung von den Schwarzpelzen. Den Höhepunkt und Abschluß bildete das Fest zu Ehren der Sieger, von denen einer unser hochgeehrter Prinz war, hatte er doch im Buhurt, der Königsdisziplin, seine Partei zum Sieg geführt– freilich nicht ohne Mühe, denn die Greifenfurter auf der Gegenseite hatten sich wacker geschlagen.

Nun aber hatten die Recken ihre Rüstung mit dem Festgewand getauscht, ihre Klinge mit dem Kelch, und Herr Praios sandte goldene Strahlen vom Himmel auf den Hof der Residenz, wo die lange Tafel aufgestellt war. An ihrem Kopfende thronte Frau Irmenella, prächtig angetan in einem safrangelben Kleid mit dunkelrotem Mieder. Ihr zu Seiten saßen die Sieger des Turnieres, auf dem Ehrenplatz zu ihrer Rechten Seine Liebden Edelbrecht. Unmöglich lassen sich all die Köstlichkeiten nennen, unter denen sich die Tafel bog; und immer neue Speisen trugen auf Geheiß des Küchenmeisters die Bedienten herbei.

Kaum aber war das Mahl vorüber, als sich der Prinz erhob und die Tafel umrundete, um vor Frau Irmenella zu treten. Aus den Reihen seiner Begleiter, des Koscher Adels und der Falkenritter, erhoben sich einzelne Jubelrufe, die bei einigen Greifenfurtern finstre Mienen hervorriefen.

Daß seine Werbung hierzulande nicht jedem willkommen ist, hatte der Prinz schon lange erfahren müssen, doch unbeirrt schritt er voran: stolz, doch nicht prahlend; anmutig, doch nicht geziert. Das war nicht mehr Edelbrecht der Junge, wie er früher mit einer Schar von jungen Rittern durch Angbars Gassen galoppierte — das war Edelbrecht der Ritterliche, der zu Trallop gegen den Streiter Galottas focht, dort die dämonische Wunde empfing und erst nach langem Leidenswege durch der Götter Gnade heil geworden war.

Auf seinem Gewande prangte der schwarze Keilerkopf, das älteste Fürstenwappen im Raulschen Reiche; doch an seinem Arme leuchtete ein Band in Irmenellas Farben, mit denen er auch auf den Turnierplatz geritten war. Vor der Markgräfin angelangt, beugte er das Knie, bis ihn die Herrin mit sanfter Stimme bat, sich zu erheben. Da standen sich der Eber und die Greifin gegenüber und sahen sich lange an. Und denen, die in der Nähe waren, entging es nicht, wie sich schließlich ein Hauch von Röte über die Wangen der Markgräfin zog und sie den Blick verlegen zu Boden senkte. Da begann Prinz Edelbrecht zu sprechen, und jedes seiner Worte sei hier getreulich aufgezeichnet:

Erlaucht“, so sprach er, „hochverehrte Frau. Ihr ahnt es wohl, weshalb ich vor Euch stehe. Lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet, viele Monde waren es — und länger. Denn schon als ich zum ersten Mal Euch sah, so streitbar wie schön, so edel wie klug, da wußte ich, daß dies mein höchstes Ziel sein mußte, daß ich all mein Sinnen und mein Trachten danach richten würde, Euch zu gewinnen.

Wenn es ansonsten darum geht, zwei hohe Häuser miteinander zu verbinden, geschieht es vor allem im Sinne des Herrn Praios oder der Frau Rondra. Daß ich jedoch hier vor Euch stehe, glaubt mir, ist vor allem anderen dem Wirken der Herrin Rahja zu verdanken.

Ich weiß, Ihr reichtet schon einmal die Hand zum Bund, und ich verstehe, daß Ihr zögert, es abermals zu tun. Doch ist der Platz an Eurer Seite nun schon lange verwaist und leer. Zum Glück und zum Wohle Greifenfurts jedoch darf er es nicht ewig bleiben — und auch zu Eurem eignen Glück. Hier steht ein Ritter, der Euch verehrt; ein Fürstensohn, der um Euch wirbt; ein Mann, der Euch liebt. Der Greifin schenke ich mein Herz, der Mark mein Schwert.

Ich weiß, in Eurem Lande gilt nur der etwas, der sich im Kampfe wider die Orken ausgezeichnet hat. Darin habe ich noch keine Verdienste vorzuweisen, doch nicht, weil es mir an Tapferkeit und Stärke fehlte, allein an der Gelegenheit! Dies kann nun bald, so scheint mir, nachgeholt werden. Ich will mich nicht auf Namen, Adel und Wappen meines Hauses, eines der ehrwürdigsten im Raulschen Reich, berufen; auch nicht darauf, daß mein Vater mit vielen seiner Ritter vor zwölf Jahren Seite an Seite mit Euren Greifenfurtern focht und viele Blut und Leben gaben.

Daß koscher Rittertugend seit den Zeiten Baduars bis heute ihren Glanz noch nicht verloren hat, daß meines Ahnherrn Blut in meinen Adern fließt, das habt Ihr dieser Tage selbst gesehen. Doch nicht hat ein Koscher über Greifenfurt obsiegt, denn mit Euren Farben bin ich auf den Platz geritten. Deshalb war mein Sieg der Eure. Und wenn Ihr meinen Antrag annehmt, ist dies keine Niederlage, sondern Euer Sieg. Und auch die Mark verliert nichts dadurch, sondern sie gewinnt den Schwertarm eines Prinzen und die Freundschaft eines Fürsten. Hier stehe ich, Eure Farben an der Wehr, Euer Bild im Herzen. So frage ich Euch, Irmenella von Wertlingen, Markgräfin von Greifenfurt, im Namen Rahjas und ihrer göttlichen Geschwister: Wollt Ihr mir die Hand zum Traviabunde reichen?“

So sprach er, und es wurde totenstille an der Tafel. Niemand wagte mehr zu atmen, während die Blicke der Markgräfin und des Prinzen ineinander ruhten. Da aber geschah, was manche der Koscher zwar befürchtet, doch nicht wirklich erwartet hatten: der Baron von Orkenwall, verdienter Recke aus dem letzten Orkenkrieg, hoch angesehner Held der Mark, erhob sich, trat nach vorn und kniete neben dem Prinzen nieder, der noch immer auf eine Antwort wartete. Frau Irmenella aber schwieg.

Stattdessen erhob der Orkenwaller seine Stimme: Es liege ihm ferne, des Prinzen Werbung in Frage zu stellen; auch wisse er wohl, daß er es weder an Adel, Jugend oder Reichtum mit dem Prinzen aufnehmen könne. Doch habe er seinerseits Tugend und Verdienste, die nicht zu verachten seien. Deshalb wage er es gleichfalls, um die Hand der Markgräfin anzuhalten, und er bitte Ihre Erlaucht, seinen Antrag ernsthaft zu bedenken: „Damit Ihr Euch nicht allzu weit nach einem neuen Gatten umsehen müßt und dem heimatlichen Boden verbunden bleibt.“

Gewaltig war der Tumult, der diesen Worten folgte. Viele der Greifenfurter Edelleute spendeten dem Orkenwaller lauthals Beifall, allen voran die Dergelsteiner Baronin, die keine Gelegenheit ausließ, um sich als Feindin unseres Prinzen zu zeigen. Die Koscher waren von ihren Plätzen aufgesprungen, manch einer mit zornrotem Kopfe. Rufe des Unmuts und der Empörung wurden laut auf beiden Seiten, und manches böse Wort flog durch den Saal.

Der Prinz indessen, der sein ritterliches Werben auf solch dreiste Weise durchkreuzt sah, verharrte in der gleichen Pose wie zuvor, das Antlitz starr und unbewegt wie koscher Felsgestein. Nicht eher, so sollte man erkennen, würde er von dieser Stelle weichen, als bis sein Werben erhört oder abgewiesen würde. Diejenige aber, die dieses einzig und alleine zu entscheiden hatte, Frau Irmenella, wurde von ihren treuen Ratgebern bestürmt; man sah sie immer wieder den Kopf schütteln und auf diesen oder jenen Vorschlag antworten.

Schließlich aber gab sie ihrem Herold ein Zeichen, der Stille gebot. Es dauerte allerdings recht lange, bis der Aufruhr sich tatsächlich legte, und selbst dann hörte man noch hier und da Gemurmel, sah finstere Blicke und drohend geschüttelte Fäuste. Doch als Frau Irmenella sich erhob und zu sprechen anfing, wurde es boronstill im Saal; alles wartete gebannt auf die Entscheidung.

Sie sprach leise, und es war ein merkliches Zittern in ihrer Stimme, das anzeigte, wie sehr die Ereignisse sie bewegten. „Edle Herrschaften, geehrte Gäste“, sagte sie. „Es erfreut mein Herz, daß das Wohl der Mark und die Sorge um meine Vermählung — und nicht zuletzt die Liebe — zwei so würdige Persönlichkeiten an diese Tafel geführt hat. Gleichwohl kann und will ich nicht hier und heute, an einem Tage,der der Feier der Zwölfe und nicht meiner Person gewidmet ist, eine Entscheidung fällen.“

Unmut erhob sich in den Reihen des Koscher Adels, die sich nach all den Monden des Wartens schon wieder auf ein andermal vertröstet sahen. Die Markgräfin bemerkte dies und hob beschwichtigend die Hand. „Doch weiß ich wohl, daß Ihr, Prinz Edelbrecht, nun schon seit langem darauf wartet, mir Euren Antrag zu machen — durfte ich doch schon zu Puleth Eure Falkenritter bei mir begrüßen. Darum will ich nun die Wartezeit so kurz wie möglich halten. Dies sei hiermit kund getan: Ich, Irmenella von Wertlingen, akzeptiere die Anträge, welche mir von Seiten des koscher Prinzen Edelbrecht vom Eberstamm und des Greifenfurtes Barons Argaen Düsterfluß von Orkenwall gemacht wurden und werde sie auch und gerade im Hinblick auf das Wohl der Mark und meines Volkes prüfen. In zwölf mal zwölf Stunden will ich Euch meinen Entschluß wissen lassen. Doch bis dahin laßt uns das Fest fortsetzen und nicht meine Person, sondern die Sieger des zwölfgöttergefälligen Turniers sollen von nun an die Aufmerksamkeit aller genießen. Ein Hoch auf die Sieger von Greifenfurt!“

Da erhoben alle die Pokale und prosteten einander zu. Die Koscher empfingen ihren Prinzen mit tröstenden und aufmunternden Worten. Doch schien dies gar nicht nötig, denn Herr Edelbrecht zeigte sich heiter und gelassen. Diese Antwort habe nur gezeigt, wie umsichtig und klug Frau Irmenella sei. Freilich habe sie so handeln müssen, um nicht den Unmut vieler Greifenfurter Edler, die den Orkenwaller unterstützten, noch zu schüren. Wie ihre Antwort aber lauten werde, das habe er in ihren Augen schon gelesen.

Da erst konnten sich die Koscher so recht ihres Sieges im Buhurt freuen, und man feierte noch bis spät in die Nacht. Am selben Abend aber soll sich der Baron von Orkenwall mit seinem Sohn entzweit haben. Dieser nämlich warf dem Vater vor, er habe das Andenken seiner seligen Mutter beschmutzt, indem er sich aus Machtgier um die Hand der Markgräfin bemühe. So hat der Herr Aergan mit seinem Antrag im Kreis des Adels wie auch im eignen Hause nichts als Streit und Zwietracht gesät.

Der Prinz jedoch sollte Recht behalten, denn als die Frist der zwölf mal zwölf Stunden endlich vorüber war, da ward verkündet, daß Ihre Erlaucht Irmenella von Wertlingen Seine Liebden Edelbrecht vom Eberstamm die Hand zum Traviabunde reichen werde. Im Mond der Göttin Travia, zu der Zeit des Erntedankes, sollte Hochzeit sein.

In der Zeit zuvor aber wurden zugleich Vorbereitungen für den Festtag getroffen als auch für den Krieg, den die Gräfin hießen ihren Heermeister die Greifenfurter Wehr an verschiedenen Orten im Lande sammeln, um für einen Einfall der Orken gerüstet zu sein. Herr Edelbrecht und die Seinen aber begaben sich gleichfalls ins Feldlager in der Breitenau, denn der Mark hatte er sein Schwert versprochen. Zuvor aber reisten die Koscher nach dem Nebelstein und suchten dort die Wallstatt des letzten Orkkrieges auf, auf der Fürst Blasius 42 seiner Ritter verlor und selbst in Gefangenschaft geriet. Der Prinz gelobte, künftig für eine Golgariten-Wacht auf dem Schlachtfeld aufzukommen.

Boten sandte man zudem zum Grafen Jallik nach Wengenholm, auf der Hut sein. Gerade von dort kamen indes beunruhigende Gerüchte: Bauern hätten sich empört, und wären von Vogt Ulfert von Drabenburg-Berg mit harter Hand niedergeschlagen worden.