Wengel bei den Puderquasten

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Ausgabe Nummer 34 - 1026 BF

Wengel bei den Puderquasten

Angbarer Puppenbühne begeisterte Horasier

ANGBARHORASIA. Hätte man vor ein paar Monden einen horasischen Bürger gefragt, was ihm zum Kosch einfällt, so hätte man wohl dreierlei als Antwort erhalten: Ferdoker Bier, Angbarer Stahl- und Schmiedewaren und Koschammerzungen. Seid kurzem aber würde die Antwort sicher lauten: „Ei, der Wengel!“

Gemeint ist damit selbstredend der Angbarer Wengel, jener lustige Geselle, der den Besuchern des Angbarer Puppentheaters bestens bekannt sein dürfte. Zahlreiche Abenteuer hat er schon erlebt, zahlreiche Reisen unternommen — doch alles freilich nur auf den Brettern seiner heimatlichen Bühne. Nun aber sollte es einmal wirklich hinaus ins große weite Derenrund gehen, zu anderen Völkern und anderen Bierkrügen...

Der Grund war kein geringerer als das große Hochzeitsfest im Horasiat, zu welchem auch eine stattliche Zahl von koscher Edelleuten reiste. Und weil auf dieser Feier jede der Gesandtschaften etwas Landestypisches präsentieren sollte, hatte man beschlossen, die Puppenspieler auf die Reise mitzunehmen. Seine Durchlaucht, der Fürst persönlich, steuerte die nötigen Taler für dieses Unternehmen bei, ist er doch selbst bekanntermaßen ein Freund der heiteren Lustspiele und Schwänke.

So kam es, daß die Komödianten unter Führung von Meister Baldur Staubgesicht auf zwei buntbemalten Wagen die Stadt durchs Gratenfelser Tor verließen, während eine ganze Schar von Kindern recht wehmütig die Straße säumte, um ihnen nachzuwinken — würden sie doch jetzt für lange Zeit den Wengel nicht mehr zu sehen kriegen.

Der geneigte Leser kann sich denken, daß die Schausteller nicht warteten, bis sie das ferne Horasia erreicht hatten, sondern hier und da, wo sich die Gelegenheit bot, ihre Bühne aufschlugen, sei’s im Schankraum eines Gasthofs, sei’s im Rittersaale einer Burg, auf der die Edelleute samt Troß gastliche Aufnahme gefunden hatten.

Zwischenfälle und Ereignisse gab’s zur Genüge auf der langen Reise, und sie mögen wohl den Stoff für ein eigenes Stück abgeben. Als man etwa einen Nebenfluß des Yaquir überquerte, rutschte die Kiste mit den Puppen aus dem Wagen und trieb den Fluß hinunter; man benötigte drei Stunden und die Hilfe einiger Flußfischer, bis man den Wengel und seine Kameraden wieder sicher und efferdseidank unbeschädigt aus den Fluten geborgen hatte. Ein andermal geschah es, daß eine Vorstellung von einem reisenden Geweihten des Herrn Praios unterbrochen wurde, weil er die Figuren der Prinzessin Rolaja und des Fürsten Badusilius als Majestätsbeleidung ansah; erst als die adligen Reisenden ihm versicherten, daß dies keineswegs so sei und das Stück außerdem eine praiosgefällige Moral beinhalte (schließlich wird der Bösewicht am Ende vom Wengel verdroschen), beruhigten Seine Gnaden sich wieder.

Endlich in Horasia angekommen, stellte die Truppe zu ihrer Freude fest, daß es auf dem Schlosse gar einen eigenen Theatersaal gab, sogar ein bißchen größer als ihr eigener in Angbar. Allerdings war man dort nicht für ein Puppenspiel eingerichtet, so daß die Komödianten wie so oft ihren eignen Bühnenkasten zimmern mußten, diesmal freilich mit mehr Aufwand als an den meisten Stationen ihrer Reise, doch auch mit weitaus größeren Schwierigkeiten: die Festlichkeiten sollten bald beginnen, und noch immer wollten die Seilzüge, über die man den Vorhang bediente, nicht recht funktionieren. Hilfe kam von niemand Geringerem als dem Grafen von Ferdok, Gorboschs Sohn, der mit zwergischem Geschick der Mechanik auf die Sprünge half.

Doch Eile war gar nicht geboten, denn reichlich spät erst kamen die Schausteller dazu, ihre Kunst zu zeigen. Stunde um Stunde nämlich weilten die edlen Herrschaften droben im Ballsaal bei Tanz und Gesang und den Darbietungen anderer Gesandtschaften. Als es dann noch zum Eklat um den Prinzen Timor und gar zum Zweikampf in der Festhalle kam, glaubte Meister Baldur nicht mehr, daß man sein Stück noch sehen wolle. Doch weit gefehlt! Die Gäste, von den langen Zeremonien offenbar ermüdet, schienen voller Vorfreude auf das Schauspiel, allen voran die Gäste aus dem fernen Thorwal, die unter lauten Rufen den Theatersaal stürmten. Diese Hünen aus dem Norden, oft als Barbaren und Wüstlinge gescholten, waren jedoch die dankbarsten Zuschauer, welche die Puppenspieler seit langem hatten!

Und auch die übrigen Edelleute aus aller Herren Länder lachten gar herzlich, als der Wengel auszog, um das Bierfaß wiederzubringen, das der böse Räuber Jergenpelle dem Fürsten geraubt hatte. In den finstren Koschgau führte ihn sein Weg und noch in andere Gefahren, die er aber, bewaffnet mit einem Kochlöffel und einer guten Portion Witz, alle überstand.

Freilich gab’s am Ende reichlich Ferdokbier für die Zuschauer und natürlich für die durstigen Kehlen der Darsteller, die zu dritt immerhin zehn Rollen übernehmen mußten. Den Wengel hatte Phexhilf Bollenflug gespielt, die übrigen Figuren teilten sich Bosper Steinweich und Baldur Staubgesicht, der selbst das Stück geschrieben hatte. Es trägt den Titel: „Wo der Hanghas’ im Pfeffer liegt“, und soll nach der Premiere im Horasischen bald auch in der angestammten Angbarer Spielstätte der Puppenkiste zu sehen sein.

Das Angebot eines begeisterten liebfelder Edelmannes, auf Dauer in seine Dienste zu treten, lehnte Meister Baldur nämlich ab: „Wir sind nun mal die Angbarer und nicht die Kusliker Puppenbühne.“ Weitere Gastspielreisen in den Außerkosch, vielleicht sogar ins ferne Thorwal, seien aber durchaus denkbar. Inzwischen ist die Truppe wieder heil nach Angbar zurückgekehrt, sehr zur Freude ihres jungen wie auch alten Publikums.

Karolus Linneger