Omen est nomen

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Ausgabe Nummer 33 - 1025 BF

Omen est nomen

Von Rückkehr, neuer Hoffnung und einem Aufbruch in die Vergangenheit

ANGBARMETENAR. Im Efferdmonde 32 staunten die Torwachen nicht schlecht: Eine Handvoll Streiter ritt von Osten her an die Stadt heran, kaum erkenntlich in ihren notdürftig geflickten ehemals weißen Roben, offenbar von Kampf und Entbehrung gezeichnet. Alleine ihr Stolz und ihre Würde waren es, die sie noch aufrecht im Sattel sitzen ließen.

„Eure Namen und euer Begehr?“ forderte der Erste Wachweibel Windsklufter nach Vorschrift von den Ankömmlingen.

„Dies ist Hochgeboren Graphiel Stragon-Lacara von Metenar und Wir sind Celesto Custodias, Unseres Zeichens Inquisitionsrat zu Hartsteen, samt Begleitern. Zurück aus unserer Pilgerfahrt nach Beilunk.“ Sprach’s mit fester Stimme und ritt an den in staunendem Respekt erstarrten Wachen vorbei.

Nach so vielen langen und schweren Monden waren die beiden Streiter also mit der Götter Hilfe zurückgekehrt, wenngleich mit deutlich weniger Gefolge als zuvor. Ihr erster Weg führte sie in den Tempel des Götterfürsten.

Was für eine Überraschung aber erwartete sie dort! Neben dem Tempelvorsteher Tarjok Boquoi stand Ina, die Gemahlin von Baron Graphiel vor ihnen, in ihrem Arm ein Kind. „Darf ich vorstellen? Das ist Celesta, gezeugt vor eurer Abreise, geboren durch die Gnade Tsas im Phexmond des letzten Jahres“, sprach die Baronin. Was war das für eine Freude für Herrn Graphiel — nach der Entführung und dem Tod des ersten Kindes Elchard nun so unerwartet eine neue Erbin anzutreffen und die schmerzlich vermißte Gemahlin obendrein! Auch der gestrenge Inquisitor war sichtlich gerührt ob des Vornamens und segnete Eltern und Tochter.

Sodann trennten sich vorerst die Wege der beiden praiosfürchtigen Freunde Celesto und Graphiel. Während Hochwürden Boquoi seinen Bruder Custodias anschließend zum Bericht über den Zustand der umkämpften Gebiete bat, suchte der Baron in Begleitung seiner Familie hurtig den Weg zum Registrargreven im Fürstlichen Adelsarchiv. Der Gedanke an die Vision im Tempel zu Beilunk (von welcher der Kosch-Kurier 32 berichtete) ließ ihm schlicht keine Ruhe. Endlich wollte er die Hintergründe der rätselhaften Bilder ergründen und kein geringerer als der Greve Himrig, Xorigs Sohn sollte der Schlüssel dazu sein, denn ihn hatte er im Traume erkannt.

Gleichsam als würde auch der alte weißbärtige Zwerg schon sehnlichst auf eine Begegnung mit dem Metenarer warten, stand der Hüter der koscher Adelstafeln bereits vor der Tür, als sein Besuch eintraf: „Ah, Hochgeboren Metenar, tretet ein. Wir haben alles bereitet.“ „Bereitet? Was meint Ihr, Meister?“ Der Baron blickte erstaunt auf eine mit einem Tuch sorgsam vor Staub geschützte Steintafel.

„Setzt euch und nehmt ein wenig Lindenblütentee. Ich werde Euch alles erklären”, sprach Himrig. Erst als der Baron im Lehnstuhl Platz genommen hatte, hob der Greve das Tuch, unter dem ein in Zwergenrunen verfaßter Stammbaum offenbar wurde: „Dies sind Eure Vorfahren, Baron.“

Graphiel hob die Augenbrauen: „Das Haus Stragon! Ich wußte nicht, daß unsere Wurzeln so weit reichten.“ Der Angroschim lachte: „Tut es auch nicht… tut es nicht.“

Der Metenarer sah sein Gegenüber verwirrt an. Dieser erklärte: „Dies ist das Haus Blaublüten, um genau zu sein jener Zweig, welcher sich nach Ratschluss des Familienrates von 104 vor Ret… ähm, …136 vor Hal fortan Blauendorn nennen sollte. Den Namen Stragon, mit dem man Euch heute nennt, solltet Ihr nicht, junger Herr tragen… das ist nicht koscher.“

Nun war der Baron vollends ratlos: „Wie meint Ihr das, Väterchen?“

„Ihr kennt das koscher Namensrecht?“ wollte Himrig wissen. „Dann wißt Ihr auch, daß im Fall eines Traviabundes jene Familie das Recht erhält, ihren Namen auf Gatte und Kind zu übertragen, welche die höhere Mitgift in die Ehe bringt. Nun genau das ist bei Eurem Ur-Ur-Großvater Cermens nicht geschehen. Es gab gemäß aller Aufzeichnungen keine Mitgift… nicht einen Rohalsnickel!“

Graphiel begann zu verstehen: „Das heißt, ich kann vielleicht den altehrwürdigen Namen Blauendorn wieder annehmen...“ Der Greve fuhr in verzweifeltem Ton dazwischen: „Könnt? Ihr müsst! Das bringt sonst meine ganzen Aufzeichnungen durcheinander.“

„Und wie kann ich das nach so vielen Generationen tun?“ — „Ach was, das ist kaum hundert Jahre her. Es ist an Euch, das Oberhaupt der Blauendorns dazu zu bringen diese Mitgift nachträglich zumindest symbolisch zu entrichten, dann könnt Ihr und die Euren fortan den Namen Blauendorn tragen. Gerade so, als hätte schon Cermens dieses Recht besessen“, erläuterte Himrig. „Laßt mich rasch nachsehen, wer dieses Oberhaupt ist.”

Der Registrargreve begann in den Aufzeichnungen des Steines zu versinken, sein Finger glitt von Person zu Person, machte eine Reise über unzählige Jahre bis er ausrief: „Baron Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm!“

So stand also das nächste Ziel der kleinen Familie fest, welche Himrig selbst nun als Zeuge begleitet. In der Geistmark wird sich entscheiden, ob das Haus Stragon fortan seinen rechtmäßigen Namen Blauendorn tragen mag oder ob Baron Kordan diesen Wunsch verweigert.

Losiane Misthügel