Rabe und Wildgans von der Wiesens Patrone

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Ausgabe Nummer 26 - Efferd 1023 BF

Rabe und Wildgans von der Wiesens Patrone

Trauriger Kunde aus dem Osten begegnet der Landedle traviagefällig

TOROSCHS AUE/BAR. VINANSAMT. Wir leben in einer Zeit der leeren Gräber, da es uns nicht einmal vergönnt ist, die sterblichen Überreste unserer Lieben in geweihter Erde zu wissen, sanft ruhend in Marbos Armen, ihre Seelen sicher geleitet übers Nirgendmeer. Nichts bleibt uns, als sie den guten Göttern anzuempfehlen und ihren Taten ein würdiges Denkmal zu setzen …

Hatte der Herr Wolfhardt von der Wiesen vor wenigen Wochen noch in Gareth mit angesehen, wie man den leeren Sarg des guten Kaisers Hal in seine Gruft legte, so mußte er nun denselben traurigen Dienst an seinen eigenen Eltern verrichten. Gerlinde und Hardubrandt von der Wiesen waren gefallen in den Schwarzen Landen, und ihren Kindern verbleibt nur zum Trost, daß sie in Rondras Angesicht starben und daß es treuen Dienern gelungen war, ihre Leiber noch den Flammen zu übergeben, damit nicht … Boron bewahre!

Die Zeremonie wurde auf Toroschs Aue in aller Stille begangen. Nur wenige Freunde des Hauses waren zugegen, um den Geschwistern ihre Teilnahme zu bekunden: der Baron von Vinansamt, daneben Gundulf von Salmingen, dessen tobrische Besitzungen die Verstorbenen manchen Götterlauf hindurch verwaltet hatten. An der Seite Wolfhardts jedoch stand Baronin Rena von Arbasien und schien großen Anteil an dem Schmerz des Dichters zu nehmen.

Noch ehe sich Praios’ Antlitz erhob, fand sich die kleine Gemeinde in der Gurvenalskapelle auf dem Burgberg ein, deren Krypta nun die letzte Ruhestätte der Wiesener werden sollte. Zu diesem Zwecke hatte man versucht, dem alten Gemäuer zumindest einen Teil seiner früheren Würde zurückzugeben. Schatten warfen die Fackeln im steinernen Geviert, und leise hallte die Stimme der Geweihten durch den Saal. Schlange und Leuin empfahl man die Seelen der Verstorbenen an, denn der weisen Göttin war der Vater gefolgt, die Mutter hingegen der streitenden Herrin.

Ganz leise ward es, als die Trauernden vortraten und in die leeren Särge legten, was ihnen oder den Eltern lieb und teuer gewesen. Auf diese Weise sollte, wenn nicht der Leib, so doch ein persönliches Gut im Schoß der Allmutter Sumu ruhen.

Als man die Gäste zur Tafel geladen hatte, strahlte Praios’ Auge durch eines der Fenster herein, und der leuchtende Blick des Götterfürsten schien auf dem blonden Haar der Arbasierin zu ruhen. Da erhob sich Wolfhardt und sprach: „Wie die Sonne die Finsternis vertreibt, so scheint auch mir ein helles Licht in meiner Trauer …“

Doch dem sonst so wortgewandten Dichter versagte die Stimme. Aber sogleich legte sich ihm tröstend ein Arm um die Schultern, und Frau Rena führte seine Rede zu Ende: „Wir hatten freilich gehofft, es an einem freudigeren Tag zu verkünden, aber... nun denn, Wolfhardt hat um meine Hand angehalten, und — wir haben uns verlobt und werden bald vor den Altar der Travia treten.“

Da war die Freude groß, und bei vielen die Überraschung, war doch die Verlobung in aller Stille geschehen. Und so kam es, daß an jenem Tage der düstere Schatten der Rabenschwingen von Toroschs Aue dem milderen braunen Flügelschlag der Wildgans wich.