Ein neues Kapitel in Sindelaum

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Ausgabe Nummer 76 - Efferd 1046 BF

Ein neues Kapitel in Sindelaum

Baron Erlan tritt nach fünfzehn Jahren ab

HÜGELSAUM, PRAIOS 1046 BF. Auf dem Dorfplatz von Hügelsaum hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Fast sämtliche Bewohner der Zwillingsdörfer Hügel- und Sindelsaum sowie allerlei Leute aus dem Umland waren gekommen. Baron Erlan hatte alle zusammengerufen, um eine wichtige Neuigkeit zu verkünden.

Worum es sich genau handelte, wusste niemand zu sagen, nur dass es wichtig sein würde, war klar, waren die letzten Tage über doch sämtliche Junker, Ritter und Edlen der Baronie angereist, dazu auch noch die Kinder des Barons. Halmar war aus Oberangbar gekommen und selbst Yolande war aus dem entlegenen Greifenfurt angereist, während es Pergrim aus dem Schetzteneck nicht so weit hatte. Einzig Ambros fehlte, hatte er doch ins Almadanische geheiratet.

Mehr noch als Ambros fehlte aber der Baron selbst, und in den Tagen vor der Verkündung sah man immer wieder Gruppen von Adeligen im Dorf zusammenstehen und diskutieren. Was hatte der Baron vor? Es müsste etwas Wichtiges und Großes sein, aber einen rechten Reim konnte sich niemand auf seine Taten machen.

Am 12. Praios dann rief Grimwulf von Borking, der Verwalter der Baronie, alle Gäste und die Bewohner des Umlandes auf dem besagten Dorfplatz in Hügelsaum zusammen. Schließlich erschien auch der Baron, ganz alleine und begleitet von niemandem, und bestieg eine kleine Tribüne. Das Gemurmel verstummte und alle Augen richteten sich auf ihn.

„Liebe Sindelsaumer, es war mir eine große Ehre, euer Baron zu sein. Zwölf und drei Jahre hatte ich das Vergnügen, euch zu führen. Wir haben dabei viel erreicht, so wurde der Baduarstieg wieder gangbar gemacht, wodurch uns die Reise nach Fürstenhort erheblich verkürzt wurde. Aber wir haben auch viel Unglück erlebt, darunter den Tod dreier meiner Kinder.“ Dem Baron fiel es hier sichtlich schwer zu sprechen, und ein mitfühlendes Gemurmel erhob sich, bis Seine Hochgeboren neu ansetzte: „Ich habe mich daher entschieden, mein Amt niederzulegen. Mein Sohn Halmar hat sich die letzten Jahre über sehr bewährt und wird die Baronie in Zukunft gut führen. Graf Wilbur hat dem bereits zugestimmt.“

Überraschung machte sich breit. Damit hatte kaum jemand gerechnet, ist der Baron doch gerade einmal 48 Jahre alt. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Menschenmenge wieder beruhigt hatte. Über dem Gemurmel vernahm ich die weiteren Worte des Barons nicht mehr. Erst später hörte ich, dass er das Edlengut Dachswies, das Stammgut der Familie, an seine Tochter Yolande übergeben hatte. Derweil kamen in der Menschenmenge Hochrufe auf, sowohl auf den alten als auch auf den neuen Baron, und man darf wohl sagen: Sie ließen sich nicht lumpen, denn es gab Freibier und Koschklöße für jedermann. Zumindest die Gastwirte vor Ort mussten also vorher teilweise eingeweiht worden sein.

Der neue und der alte Baron feierten mit dem gemeinen Volk, wie es hier Sitte ist. Nur einige Hügelzwerge schüttelten den Kopf. Kaum hatte man sich an einen Baron gewöhnt – schon gab es einen neuen.

Wilfing Haubenschreier