50 Jahre Anshold - Nachbarschaftliches Gegeneinander
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Nachbarschaftliches Gegeneinander | ▻ |
Nachbarschaftliches Gegeneinander
Angbar, Zeltlager unweit des Tjostenfeldes, 11. Peraine 1044 BF:
Ehrfürchtig hielt Rowan den reich verzierten Elfenbogen seiner Schwertmutter in den Händen. Es war ein Kunstwerk, das wohl, aber auch eine tödliche Waffe. Baronin Selindra von Windenstein-Zweifelfels hatte den Bogen auf dem Markt der Alten Völker in Silz erstanden. Von dem ersten Schuss an war es, als ob dieser Bogen nur für sie gemacht worden war.
„Lass dich nicht von der Schönheit dieses Bogens täuschen, Rowan. Denn seine Pfeile finden das Ziel und bringen den Tod. Der Wald gibt, der Wald nimmt. Alles muss im Gleichgewicht sein, so sagen es die Elfen vom Einhornsee.“
„Aber Schönheit lässt den Tod süßlicher und weniger grausam erscheinen, Herrin.“ Die Gesichtszüge des 16 Sommer zählenden Knappen wirkten ernst. Dies waren die wenigen ruhigen Momente des jungen Sturmfelsers, der sonst eher aufbrausend war und sein Temperament kaum zügeln konnte. Dieser rare Augenblick wurde je beendet, als Selindras Gemahl Darbrod mit seinem Knappen Frumir, der Pagin Ayla und den beiden Hausrittern Ademar von Gugelforst und Wahnfried von Altjachtern das Turnierzelt der Baronin von Osenbrück betraten.
„Ah, seht her und staunet“, rief Darbrod mit vollmundiger Stimme mit Blick auf Rowan und dem Bogen. „Das ist der sagenumwobene Elfenbogen, mit dem eure Herrin das Bogenschießen von Angbar zu Ehren von Fürst Anshold so heldenhaft gewonnen hat!“
„Du bist und bleibst ein Kindskopf.“ Die Baronin schüttelte ihren Kopf, aber es war, als zauberte sich ein Hauch von einem Lächeln auf ihre ansonsten so streng wirkenden Gesichtszüge. „Ich werde nachher Khorena von Hundsgrab-Bugenbühl und Unswin von Keilholtz meine Aufwartung machen. Die beiden Greifenfurter haben mir im Namen des eisigen Jägers einen fairen Wettkampf beschert.“
„Und du, Darbrod, bist du über dein Ausscheiden bei der Tjoste arg enttäuscht?“ stichelte Ademar breit grinsend.
„Ich? Wo denkst du hin?“ Darbrod winkte brüskiert ab. „Ich habe in der ersten Runde gegen den großen Baduar Ibram von Eichstein gewonnen. Der Baron von Rohalssteg gilt als exzellenter Tjoster und mein Sieg ein großes Geschenk des Schicksals. Danach konnte was auch immer passieren.“
„Die zweite Runde hast du auch gewonnen, also schien dein Ehrgeiz durchaus noch am Leben“, witzelte Ademar weiter. Der gebürtige Weidener Ritter liebte es, seinen gute Freund zu ärgern.
„Im Achtelfinale war dann gegen die Greifenfurterin Schluss“, bemerkte Wahnfried, „Aber die Greifenfurter sind dieses Mal auch in Höchstform!“
„Ihr könnt mir meinen Erfolg nicht madig machen, denn ich bin voll und ganz zufrieden.“ Trotzig stemmte Darbrod seine Arme in die Seite, als Adalinde von Zweifelfels das Turnierzelt der Zweifelfelser betrat.
„Ah, Adalinde.“ Darbrod stürmte auf die Jungritterin zu und umarmte sie herzlich. „Mein Glückwunsch zum ersten Turnierritt. Warst du sehr aufgeregt?“
„Es war schon was besonderes, mein erster Lanzengang und dann auf dem Turnier zu Ehren des Fürsten … ich bin immer noch total erschlagen von allem hier.“ Adalinde war noch ganz hibbelig.
„Und gräm dich nicht, du hast dich tapfer auf dem Ross gehalten, meine Gute!“ Darbrod lächelte seine Verwandte an. „Bei mir ist viel Zeit ins Land gegangen bis ich meinen ersten Lanzengang gewonnen habe.“
„Na, aber immerhin hast du meine Ehre verteidigt und die Sauertopf dann in der zweiten Runde vom Pferd geholt.“
„Es war mir eine Ehre!“ Darbrod grinste breit und deutete eine Verbeugung an.
„Das Zelt gegenüber … sind die nicht auch aus Waldstein?“ Adalind deutet Richtung Zeltausgang. „Das Wappen kommt mir bekannt vor.“
„Das ist der Baron von Schwanenbruch und seine Nadoret-Gattin“, antwortete Darbrod mit gedämpfter Stimme.
„Mit diesem Schwachkopf verkehren wir nicht!“ Die großgewachsene Baronin richtete sich auf. Ihre stechend eisblauen Augen ließen keinen Widerspruch zu.
„In Garetien herrscht die große Fehde, wie du weißt“, begann Darbrod zu erzählen und blickte dabei immer wieder vorsichtig zu seiner Gemahlin. „Die Barone Waldsteins halten sich aus der Fehde raus, genauso wie unsere Gräfin. Einige niederadelige Familien aber, besonders die ach so stolzen Junker aus dem Süden Waldsteins, meinen aber in der Fehde mitzumischen – für Ruhm und Ehre, wie sie sagen und um die Hartsteener und Reichsforster für ihr wenig ritterliches Verhalten abzustrafen. Unterstützt werden sie vom Seneschall und … naja, eben auch vom Schwanenbrucher Baron, so zumindest flüstert es der Waldsteiner Blatterwald.“
„Der und seine Höflinge sind unbelehrbar.“ Ademar zuckte mit der Schulter. „Es heißt, er würde gar mit dem Streitzig gemeinsame Sache machen.“
„Dieser Ehrenlose … dieser Feigling … dieser … .“ Adalinde begann sich in Rage zu reden. Eine Verhaltensweise, die schon in ihrer Kindheit so manch einer zu spüren bekommen hatte. „Wahnfried, habt ihr Reichsforster euch wirklich so unritterlich benommen?“
„Was heißt hier 'ihr Reichsforster'? Seit 20 Götterläufen, also seitdem ich meinen Dienst als Page bei dem seligen Orlan angetreten habe, lebe ich in Waldstein und bin mehr ein Waldsteiner als alles andere.“ Wahnfried fühlte sich zu unrecht beschuldigt. „Und was die Reichsforster anbelangt, die Rote Buhurt war alles andere als ritterlich, daran gibt es nichts zu deuten.“
„Mehr gibt es dazu nicht zu sagen!“, befahl die Baronin mit fester Stimme. „Blicken wir lieber auf erfreulichere Sachen, wie zum Beispiel deine baldige Vermählung mit Baduar von Sighelms Halm und deinen Antritt als Hausritterin am Wengenholmer Grafenhof.“
Adalinde begann zu strahlen. „Also, ihr glaubt ja gar nicht wie glücklich in bin … .“
Der beginnende Redeschwall, der über die Anwesenden einbracht, sollte nicht so schnell versiegen.
Mit mürrischen Blick schlug Elgor Leomar von Hohentann die Zeltplane seines Turnierzeltes zu. Der Baron von Schwanenbruch wirkte äußerst ungehalten.
„Pah, diese Elfentänzer glauben auch immer die Weisheit Rohals mit dem Löffel gefressen zu haben.“ Elgor nahm ein Becher Wein von einem Tablett, welches die junge Pagin Oldega geduldig hielt.
„Die Baronin hat das Bogenschießen gewonnen, wie ich hörte.“ Die Stimme von Baronin Thalessia von Nadoret klang ungerührt, während sie sich von ihrer Knappin Korena ihr Schwert anlegen ließ.
„Ich hätte das Armbrustschießen auch gewonnen, aber diese verdammte Armbrust … sicherlich wurde sie manipuliert.“ Eine weitere Pagin reichte dem Baron eine Platte mit kaltem Braten. Gierig griff Elgor zu.
„Zuhause warst du auch nicht besser damit!“ Elgor blickte erschrocken hoch und wollte ansetzen was zu sagen, doch seine Frau redete weiter. „Aber immerhin, unser tapferer Firjan hat das Ringstechen der Knappen gewonnen.“ Thalessia blickte anerkennend zu dem jungen Streitzig, der sich artig verbeugte.
„Herr, ein Brief aus Waldstein!“ Eine Dienerin übergab Baron Elgor einen gesiegelten Umschlag.
„Ah, Neuigkeiten von meinem Bruder. Was wohl der Seneschall jetzt wieder ausgeheckt hat.“