Zwei Fürsten für Rondra
Zwei Fürsten für Rondra
Das Erlenschloss wird erweitert
ANGBAR, Travia 1045 BF. Zu den noblen Aufgaben des Kosch-Kuriers gehört es, Fragen zu beantworten, die unsere Leser sich stellen. Zum Beispiel, warum am 16. Travia die Kutsche des Fürsten zusammen mit dem Maultierkarren eines Zunftmeisters durch die Tore der Neuen Bastey rollte, begleitet nicht nur durch die Garde-Greven, sondern auch durch keinen Geringeren als den Schwertbruder von Angbar.
Nun, das Rätsel war nicht schwer zu lösen, denn der fürstliche Cantzler Nirwulf Sohn des Negromon gab uns gerne Auskunft:
„Es begann damit, dass – sitzt Ihr bequem? Zündet Euch doch auch ein Pfeifchen an – wo war ich? Genau, es begann am frühen Morgen nach dem Fürstengeburtstag, also dem alten, ja? – gleich nach dem ersten Frühstück, sage ich, als Seine Durchlaucht in diese Schreibstube trat, um nicht zu sagen hineinstürzte. Ich wusste gleich, dass ihn etwas erregte, denn sein Hemd war falsch geknöpft und der Schnauzer nicht richtig gesteift. „Mein Vater“, krächzte er – er meinte nicht mich, auch wenn der Fürst mich tatsächlich oft als Väterchen anspricht, obwohl ich doch sein Diener und Cantzler bin, nein, er sprach von seinem eigenen Vater! Geträumt hatte er vom guten Fürsten Blasius, wie dieser auf einer Löwin durchs Tor des Erlenschlosses geritten sei und vergeblich einen Ort suchte, wo er das Tier unterbringen könnte. Da habe ihm sein Vater tief und traurig in die Augen geblickt und eine Hand auf die Schulter gelegt, die habe schwerer gewogen als eine Wagenladung Steinblöcke und ihn in die Knie gezwungen, wodurch er erwacht sei.
Sicher ist Euch bekannt, mein Freund, dass wir Angroschim selten träumen, aber wir wissen natürlich, dass den Menschen im Schlaf immer wirres Zeug durch den Kopf geht. Doch Seine Durchlaucht war überzeugt, dass dieser Traum kein Humbug sei, sondern eine wahrhafte Botschaft, ein Auftrag nämlich: auf dem Erlenschloss ein Haus für die Löwin zu bauen. Also rief er Schwertbruder Efferdan von Falkenhag-Zandor und Gelphart Buttermeißel – Ihr wisst schon, den Zunftmeister der Maurer und Steinmetze – zu sich und brach mit ihnen noch am gleichen Tag auf, um vor Ort zu beratschlagen, wie und wo sich die Schlossanlage um einen Rondratempel ergänzen ließe.“
So berichtete es uns Cantzler Nirwulf, dem wir für seine freundliche Auskunft unseren herzlichsten Dank aussprechen wollen.
Eine Woche später erging aus der Kanzlei ein Schreiben an die Barone der Provinz, das sicherlich ebenfalls auf diesen Traum zurückzuführen ist. Darin sichert der Fürst jedem, der in seinem Lehen einen Schrein oder Tempel für Rondra errichten wolle, großzügige Unterstützung aus der fürstlichen Kasse zu. Ein Erlass, der gewiss sowohl Hochwürden Efferdan als auch Meister Buttermeißel und seine Zunftgenossen erfreut hat.