Duell mit dem Bösen?

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Ausgabe Nummer 55 - Rondra 1035 BF

Duell mit dem Bösen?

Gespenstische Umtriebe auf der Harschenheide

BARONIE OBERANGBAR. Das Schicksal teilt seine Schläge wahrlich ungleich aus: Den einen misst es Glück in vollem Maße zu, die anderen taucht es tief hinab in die pechschwarze Nacht der Trauer. So oft schon hatte der Baron Wolfhardt von der Wiesen liebe Anverwandte zu Grabe tragen müssen: zuerst seine Eltern, die beim Ansturm des Dämonenmeister in Tobrien umgekommen waren; dann seine Schwester Gulda, gefallen im furchtbaren Jahr des Feuers auf dem Feld der Ehre; und zuletzt nun seine Gattin Rena von Arbasien, die heldenhaft zu Rondra einging, um das Leben des Prinzen Anshold zu schützen.1

Wer will es dem wackeren Manne da verübeln, dass er totenbleich wurde, als er das schweigende Häuflein Getreuer nahen sein, das Ross seiner geliebten Schwester Rondralieb am Zügel führend, reiterlos, doch einen Karren ziehend, auf welchem ein Körper im blutbefleckten Wappenrocke lag. Von einer bösen Ahnung getrieben, hatte der Baron seine Schwester suchen lassen, als sie am Abend von einem Ausritt über die Harschenheide nicht zurückgekehrt war; auch er selbst war die ganze Nacht hindurch rastlos übers Land gejagt, doch ohne Erfolg. Nun, im roten Licht des Morgens, zwischen Ginster und Krüppelkiefer, traf er mit jenen, die fündig geworden waren, zusammen.

Scharaxa, rief ihm der wackere Dragosch Sohn des Drobo, sein ältester Waffengefährte, von weitem zu: Sie lebt! - Wie doch ein einziges Wort die Welt ab- halten kann in Trümmer zu stürzen! Und wirklich: Da lag sie, die Schwester, die wackere Reiterin, verwundet wohl und schwach nur atmend, aber nicht tot! Unter Tränen, deren sich in dieser Lage keiner zu schämen braucht, stürzte der Baron, nun aus der Starre des Schreckens erlöst, zu ihr hin und sank neben der Verletzten auf die Knie. Sie hatte viel Blut verloren, doch Peraine sei Dank trug der Baron seit jenem verhängnisvollen Feldzug in den Wengenholmer Bergen stets eine kleine Phiole bei sich mit einem Heiltrunk voll arcaner Kraft. Diesen träufelte er nun sorgsam und sorgenvoll auf die Lippen der Besinnungslosen und holte sie zurück ins Leben und ans Licht.

Der geneigte Leser mag sich das Glück der beiden Edlen denken, als Frau Rondralieb die Augen aufschlug, auch ohne dass wir alles hier in epischer Breite schildern. So wollen wir nun mit dem fortfahren, was den eigentlichen Kern der Neuigkeit ausmacht: Auf Herrn Wolfhardts Frage, wo man die Schwester gefunden habe, erwiderte Meister Dragosch: bei der Blattlosen Eiche. Dort habe sie gelegen, am Boden die deutlichen Spuren eines Kampfes; nicht weit von ihr jedoch die Rüstung eines Streiters, arg verbeult von wütenden Hieben. Wohlgemerkt, die Rüstung nur, ein leeres Stück Blech und Eisen, ohne einen Menschen darin. Dies war nun sonderbar: Hatte sich der Angreifer nach dem Kampfe seiner Wehr entledigt und war geflohen? So schien es zunächst. Doch als Frau Rondralieb wieder bei Kräften war und berichten konnte, da lichtete sich das Dunkel keineswegs: Sie wusste kaum mehr, was geschehen war, erinnerte sich nur, dass ihr Ross unweit der Blattlosen Eiche sich aufgebäumt und sie abgeworfen und dass ein Ritter in düsterem Harnisch sie angegriffen habe, wortlos, ohne Warnung, wie ein stampfender Golem aus Erz und Zorn. Sie sei verwundet worden und habe gekämpft, bis ihr die Sinne schwanden...

Die Rüstung hatten die Treuen zu Füßen der Eiche gelassen, zum einen, weil das Leben der Ritterin wichtiger gewesen sei als alles Übrige, zum andern... nun: Die Blattlose Eiche ist ein verwunschener Ort, den man für gewöhnlich meidet, umso mehr, seit der letzte Baron von Oberangbar, der Herr Tradan von Unterangen, an einem Strick an eben diesem Baume sein unrühmliches Ende gefunden hatte.2 Dies war nun sieben Götterläufe her - wohl auf den Tag genau, sofern man das Datum seiner Flucht aus Oberangbar zugrunde legt.

Um dieser höchst unheimlichen Sache auf den Grund zu gehen, wollte Baron Wolfhardt die Rüstung holen und nach Oberangbar schaffen lassen. Zu seinem Leidwesen war kein Magus zur Hand, um den Ort und das sonderbare Artefakt einer Analyse zu un terziehen, doch sandte er eilends nach seinem Bruder Halmdahl in das Haus der Hesinde zu Salmingen. Falls Dämonen oder Spukgestalten ihr auf der Harschenheide ihr Unwesen trieben, würde man ih- nen mit der Götter Hilfe desto besser zuleibe rücken.

Freilich munkelte man bald, der Anschlag sei das Werk Jungfer Cathines von Unterangen gewesen, die dem Baron schon seit langem sein Lehen neidet, das einst ihr Vater innegehabt hatte. Angeblich soll Herr Tradan einst eine ähnliche Rüstung wie die besagte besessen haben, doch sind dies alles nur Gerüchte ohne Hand und Fuß. Offen sprach jedenfalls niemand aus dem Hause von der Wiesen einen Verdacht oder gar eine Anschuldigung gegen die Nachbarin aus...

Denn die Getreuen kehrten mit der sonderbaren Nachricht zurück, dass sie die Rüstung im hellen Sonnenlichte nicht mehr gefunden hätten; an der Stelle sei nur eine Schicht von Rost zu sehen gewesen, die der Wind alsbald verwehte. So bleibt denn dieses merkwürdige Ereignis zumindest vorerst im Dunkeln...

Die Rettung und Genesung Jungfer Rondraliebs jedoch wurde mit einem kleinen Fest und einem Dankgottesdienst zu Ehren der Helfenden Frau Peraine gefeiert.


1 Siehe KOSCH-KURIER 52, S.10 (Mit Heeresmacht gen Wengenholm)

2 Siehe KOSCH-KURIER 39, S.9 (Die Schmach des Hauses Unterangen)

Karolus Linneger