Die Maid am See
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Götterläufe, längst vergangen … Chronik des Kosch I | ▻ |
Die Maid am See
Worte & Weise von Wolfhardt von der Wiesen.
Am blauen See, am Uferstrand
Stand still ein Mägdelein,
Den Rock gerafft, die Füße bloß,
Schritt’s in die Flut hinein.
Kam wohl ein Ritter grad des Wegs
Und lenkt’ den Blick hinab
Zu dem barfüßig Mägdelein -
Da stieg er hastig ab.
Ei, Jungfer, sprach er, lasset doch
Von Eurem argen Tun!
Wie tät’s mir in der Seele weh,
Säh’ ich am Grund Euch ruhn.
Da senkt das Mädchen scheu den Blick
Und spricht mit leiser Stimm:
Dann nähm’ Herr Efferd mich zur Braut -
Mir wär’s nicht weiter schlimm.
Am Grund, im grünen Meereslicht
In kühler ruhiger Flut
Brennt länger mir das Herze nicht,
Sie löschte mir die Glut!
Mein schönes Kind, ein Mädchenherz
Soll nicht gebrochen sein.
Gib mir die Hand, all Leid, all Schmerz
Vergeht dann von allein.
Sie blickt ihm da ins Angesicht
Und sieht den frohen Mund
Der ihr von Trost und Güte spricht
Zur abendlichen Stund.
Er reicht die Hand zur Hilfe hin,
Die Maid ergreift sie fest
Und steigt zum Ufer aus der Flut -
Die Hand sie nicht mehr läßt.
So steigen beide Arm in Arm
Zum einem nahen Tann;
Er streicht ihr zärtlich übers Haar,
Bis er sie ganz gewann.
Die Dämm’rung fällt, sie fallen mit
Ins Land des schönsten Traums.
Und zur Erinn’rung schneiden sie
Ein Herz im Stamm des Baums.
Doch als der Tag an Licht gewann,
Da schwang er sich aufs Roß -
Es wartet die Gräfin schon
Daheim im grauen Schloß.
Die Jungfer sah ihm winkend nach
Und war erblüht zum Weib,
Doch ahnte sie noch nicht die Frucht,
Die ihr erwuchs im Leib.
So kam sie Tag um Tag dahin
Zu ihrem Baum am Strand.
Doch nimmer kam der Rittersmann
Und reichte ihr die Hand.
Am blauen See, am Uferstrand
Stand still das Mägdelein,
Den Rock gerafft, die Füße bloß,
Schritt’s in die Flut hinein.