Der Tag der Wahrheit (30. Praios)

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Ausgabe Nummer 53 - Praios 1034 BF

Der Tag der Wahrheit (30. Praios)

Der Gelehrte Knurrbold Grobb ist bei seinen Forschungen über die Koscher Geschichte auf manches Wissen gestoßen, das beim einfachen Volk längst in Vergessenheit geraten ist und sich nur noch durch Chroniken erschließen lässt. Es ist ihm ein persönliches Anliegen, diese Teile der Koscher Vergangenheit wieder ans Licht zu bringen. Was wäre als Beispiel besser geeignet als ein ehemaliger Brauch im Monat des Götterfürsten?

Am 30. Praios beging man früher den „Tag der Wahrheit“. Hierbei war ein jeder verpflichtet, den ganzen Tag lang die Wahrheit zu sagen und dabei nichts zu verschweigen oder zu beschönigen.* Man sollte meinen, das wäre ein Leichtes für die Koscher. Schließlich sehen sie sich als geradeheraus und ehrlich an - ganz im Gegensatz zu manch intriganten Einwohnern anderer Provinzen, die gerne hinter jemandes Rücken Übles reden.

Tatsächlich erwies es sich besonders für Verliebte und Eheleute als überaus schwer, das eintägige Versprechen der praiosfürchtigen Wahrheit durchzuhalten. Viele waren sich unsicher, ob zu den verbotenen Lügen auch Komplimente zählen würden. So mancher Traviabund und nicht wenige rahjagefällige Verhältnisse wurden daher auf eine harte Probe gestellt.

Selbst einfach gemütlich im Gasthaus zu sitzen reichte nicht aus, um Ärger zu vermeiden. An gewöhnlichen Tagen harmlose Fragen wie „Na, schmeckt’s?“ oder eine unbedachte Äußerung wie „Eines ist doch wohl klar: Ferdoker Helles ist besser als Angbarer Alt!“, konnten schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Dass am nächsten Tag der 1. Rondra war, welcher als hervorragende Gelegenheit betrachtet wurde, Meinungsverschiedenheiten im direkten Zweikampf auszutragen, machte die Sache nicht besser.

Der Tag der Wahrheit wurde nach der Zeit der Sonnenfürsten abgeschafft. Der Praiosglauben hatte einen schweren Stand. So verwarf man manchen Brauch, den man auf die vorangegangene Epoche zurückführte, und die sonst so traditionsbewussten Angroschim zeigten in diesem Fall kein großes Interesse, dies zu verhindern.

Tatsächlich war der Tag der Wahrheit jedoch eine Sitte aus der Zeit der Klugen Kaiser. Was später als übermäßige Härte missverstanden wurde, war ursprünglich als skrupelhafte Prüfung der eigenen Person gemeint gewesen. Dieser sollten sich am Ende des Monats alle – auch der Adel – unterwerfen. Die Erinnerung daran, dass Wahrheit oft unbequem ist, sollte als Ermahnung für das ganze Jahr dienen.

Heutzutage scheint es schwer vorstellbar, dass es einst einen solchen Brauch gegeben hat. Aber man muss ehrlich zugeben, dass die Koscher auch ohne das oft das Herz auf der Zunge tragen!

Knurrbold Grobb

  • Freilich ist es ganz im Sinne des Herrn Praios, derlei Verhalten stets an den Tag zu legen. (Anm. d. Schriftleitung)

Siehe auch: Koscher Kalender