Der verratene Brief - Kosch-Kurier 46
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Der verratene Brief
Von einem enthüllten Geheimnis des tobrischen Erbprinzen
Angbar. In der Stadt und am Fürstenhofe rätselte man darüber, wer den Inhalt eines persönlichen Briefes verraten haben könne, den der tobrische Prinz Jarlak von Ehrenstein an seinen Kindheitsgefährten Sighelm zu Stippwitz-Hirschfurten schrieb.
Die beiden jungen Herren — der tobrische Thronfolger ist derzeit Knappe Kaiserin Rohajas, der junge Stippwitz seit kurzem nämliches beim Fürsten von Kosch — pflegen nach allem, was man weiß, eine regelmäßige, aber natürlich vertrauliche Korrespondenz. Umso erboster war Herrn Sighelms Mutter, die Angbarer Marktgrevin Praiodane zu Stippwitz-Hirschfurten, als sie entdeckte, dass Teile des besagten Briefes von Unbekannten an eine Nachrichtenwand am Neumarkt gekritzelt worden und bereits Gespräch in allen Schänken der Stadt waren: Tobriens Thronfolger habe darin von seinem koscher Korrespondenten Näheres über die junge Ferdoker Reiterin Goswine von Garnelhaun erfahren wollen, die sich unlängst beim Feldzug der Kaiserin in Tobrien ausgezeichnet hatte, hieß es — was Spötter gleich zu bösen Bemerkungen inspirierte.
Frau Praiodane alarmierte sogleich den Fürstenhof, wo der für die Ausbildung der Knappen verantwortliche Seneschalk Kuniswart von Eberstamm-Ochsenblut dem Vernehmen nach vor Empörung schäumte: „Wie kann es sein, dass sich mit einem Mal Ferdoker Brauburschen und Angbarer Schmiedemädel Worte aus einem Brief erzählen, den seine Prinzliche Hoheit dem Stippwitz schrieb?“ Der junge Sighelm versicherte auf seine Ehre, niemandem den Inhalt des Briefs verraten zu haben, die Überbringer der Botschaft — vertrauenswürdige Recken, wie es hieß — sind derzeit unauffindbar. Das tobrische Herzogenhaus wird wohl über diese Indiskretion alles andere als erfreut sein — doch ist der unerfreuliche Vorfall wohl angesichts des ständigen Kampfes gegen die schwarzen Horden dort wohl keine größere Sorge wert und wurde bislang noch nicht kommentiert.
Da der Inhalt des Briefes ohnehin in aller Munde ist, glaubt die Schriftleitung des Kosch-Kuriers, getrost über den Vorfall berichten zu können, ohne sich desselben Vergehens schuldig zu machen wie diejenigen, die den vertraulichen Inhalt preisgegeben haben. Wir halten es sogar für unsere Pflicht, getreuliche und genaue Zeitung zu geben, um damit den wild wuchernden, falschen Gerüchten, die ebenfalls in Umlauf sind, Einhalt zu gebieten.
Die Schriftleitung