Noch ein Ding in Donken!
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Noch ein Ding in Donken!
Sonderbare Umtriebe im Moorbrücker Sumpf
DONKEN. Ende Rondra 1030 BF setzte in Donken im Moorbrücker Sumpfland erneut ein „Ding“ die Bewohner der Gegend in Angst und Schrecken. Ein Knappe der Rondra, auf dem Weg in den Hinterkosch, wo er einen verlassenen Tempel neu besetzen soll, kam ihnen zu Hilfe und entlarvte das Ungeheuer als... — Aber lest, was Seine Gnaden mir selbst erzählte!
Wir waren schon eine Weile durch Koscher Land gezogen, als uns ein Trupp Bauersleute entgegenkam. Ob wir von weit her seien (gemeint war natürlich: von wo)? Ob wir es noch weit hätten (gemeint war: wohin)? Als nächstes warnte uns der Altknecht: Auf diesem Weg kämen wir nicht arg viel weiter, da gehe es nach Donken! — Donken, Donken...? Ganz unbekannt war mir dieser Name nicht, ich konnte ihn aber auch nicht genauer zuordnen. Als nächstes trafen wir eine Kramboldin. Wo wir denn hinwollten? Da gehe es doch nur nach Donken im Sumpf! Ansonsten bekamen wir aus der Frau nichts heraus. Naja, ein Knappe der Leuin mit einem kleinen Kind vor sich im Sattel ist doch für viele ein sonderbarer Anblick. (Anm.: Seine Gnaden hatte in der Tat seine Familie dabei!) Dann kam uns einer mit einem Wagen voller Riedgrasbündel entgegen und meinte, was um Praios’ Willen wir denn in Moorbrück wollten?! Da wurde mir alles klar! Nur zu gern nahmen wir das Angebot des Riedschneiders Tilbert Dorpenstroh an, bei ihm zu übernachten. Alles blieb ruhig, nicht einmal Mücken, Flöhe oder Wanzen drangsalierten uns. Dank sei Tilberts Pfeifenknaster und dem „Fliehe-Floh“, das die Dorpenstrohs unters Bettgras mischen, was immer das für ein Kraut sein mag!
Am nächsten Tag führte uns Frau Dorpenstroh auf einen Weg nach — Donken. Das Nebelmoor beim Neunaugensee habe ich als gefährlicher und unheimlicher in Erinnerung als diesen Moorbrücker Sumpf! Aber ich fürchte fast, das täuscht. Wir zogen ja bei hellem Tag hindurch, und trotzdem hatte ich ein schummriges Gefühl, wie an einem Ort unheiliger Beschwörungen. An zwei Stellen hatte auch schwarzer Morast mit grünen Schlieren den Weg verschluckt. Wir mussten erst Riedgras und Äste unterlegen, ehe Pferde und Wagen die Schlammpfützen durchqueren konnten.
Die Donkener kamen uns schon entgegengerannt. Ich verstand sie erst nicht, weil mir der Koscher Zungenschlag immer noch fremd war und alle durcheinanderschrien. Dann hörte ich etwas von einem ‚grausigen Ding’ heraus. ‚Es ist wieder da!’
‚Der Sumpf will uns fressen!’ Einer jammerte, ein ‚gestreifter Dämon’ stehe auf dem Hügel. Das machte mir Sorgen, wunderte mich aber auch. Kein Zant steht einfach nur herum, und das seit anderthalb Tagen!
Wir ließen uns zu dem Untier führen, und beinah hätte ich doch noch Steinklaue gezogen, einfach aus Reflex. Denn auf dem Acker erhob sich tatsächlich ein übermannshoher Säbelzahntiger auf seinen Hinterbeinen und spie uns eine Wolke entgegen, die eine Flamme oder die schiere Pestilenz sein konnte. Nur dass ein Zant eben nicht still im Sonnenlicht stehen bleibt und die Menschen gemütlich betrachtet. Auch schmerzen die gelben und violetten Streifen eines echten Zant das Auge und verblassen nicht zu Braun und Ocker. Zum Entsetzen der Donkener ging ich hin und sah mir das Phantom näher an. Wahrlich kein Wesen aus Fleisch und Blut! — aber auch keins aus fauligem Sumpfschlamm oder aus irgendeiner jenseitigen Sphäre. Weidenruten, Sackleinen und Farbe machten den größten Teil seines Körpers aus, in die Erde gesteckte Bohnenstangen hielten es aufrecht. Gerade, als ich den braven Dörflern die völlige Ungefährlichkeit des Getüms beweisen wollte, schnellte ein Windstoß mir dessen Schwanzspitze ins Gesicht. Die armen Donkener dachten schon, das Vieh hätte mich ernsthaft verletzt, und schrien laut. Ich verknotete dem Leinwand-Zant kurzerhand den herumwedelnden Schwanz und erklärte ihn für gebannt.
In einem Gebüsch fiel uns ein weiterer Leinwandstreifen auf. Darauf stand:
‚Ganz ohn' Gefahr und ohn' Verdruss / Kommt seht den Zannt, die Harpyjeh und das Rinozeruss!’
Und darunter:
‚Meister Funkeldey / Schau der Tausend Phantasmomagiereyen’.
Ich gestehe: ich lachte Tränen! Die gefoppten Dorfleute waren wohl nur deshalb nicht auch noch auf uns wütend, weil wir uns nicht als die großen ‚Retter’ aufspielten. Da wurde es dann doch noch ein ganz gemütlicher Abend bei Donkener Gerstensaft. Der hat übrigens einen gewöhnungsbedürftigen Geschmack, ein bißchen so, wie Torf riecht. Wenn man sich daran gewöhnt hat, schmeckt er aber gar nicht schlecht.
Eine Donkenerin mit einem Kind auf dem Arm hielt mir ganz stolz einen zerfledderten, braunfleckigen Kosch-Kurier unter die Nase (Anm.: den KK 28): Da! da stünde sie drin! und ein Bild von dem Ding! Ich schlug ihn folgsam auf und bewunderte pflichtschuldigst Erwähnung und Bild. Lesen! Lesen! Ich solle doch — bitte-bitte! wenn es Meiner Ehrwürden nichts ausmache, natürlich! (usw. usf.) — vorlesen! Auch daran werde ich mich noch gewöhnen müssen: dass in diesen westlichen Landen, obwohl näher am Lieblichen Feld, kaum jemand lesen und schreiben kann. Ich las also vor und war selber ganz froh, mein Gedächtnis wieder aufzufrischen. ‚Tsa 30’, entzifferte ich, knappe sechs Jahre war das jetzt her. Naddel — genau! die Mutter mit dem Kind! — war damals 17 gewesen, jetzt also 23. Ich erschrak: ich hätte sie auf knapp 30 geschätzt. ‚So Dinger’ wären auch später noch hin und wieder gesichtet worden, erzählten die Donkener, und manchmal fehle morgens ein Huhn, einmal sogar ein Schwein. Über die Namenlosen Tage (da schlugen gleich mehrere das Praioszeichen) schließen sie sich ein und beten. Vermutlich auch das Beste, was sie tun können.
Am nächsten Tag kam uns übrigens Meister Funkeldey höchstselbst entgegen, auf dem Weg ‚in das Dorf da im Moor’. Dem habe er ‚schon einen Vorgeschmack seiner Darbietungen gegeben’. Ich empfahl ihm dringend, sein Glück und Heil woanders zu suchen. Außerdem redete ich ihm ernstlich ins Gewissen, nicht gerade mit Dämonen für sich zu werben. Selbst ein ‚einfacher’ Zant ist schließlich kein Witz und Gaukelspiel! Und wisse er denn, ob nicht manche seiner Zuschauer im Krieg Kameradinnen und Kameraden an eben so einen Dämon verloren hätten? — Ich hoffe, ich habe den Mann überzeugt. Wenn nicht, werden das sicher die Donkener getan haben, auf etwas gröbere Art."
Seine Gnaden Grimo Steinklaue von Rotenzenn
Aufgeschrieben und leicht gekürzt von Sisimbria Q. Firkelstein