Von Blaublüten zu Blauendorn
◅ | Doch noch Hoffnung? |
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Kurze Geschichte des Hauses Blaublüten | ▻ |
Von Blaublüten zu Blauendorn
Das Erwachen eines alten koscher Geschlechtes
GEISTMARK. Neugierig betrachteten die fleißigen Landleute der Geistmark die durch das erste Herbstlaub rollende Reisekutsche, denn Fremde kamen nicht oft hierher. Eine Angbarer Mietskutsche des Artaxesch wars, die ihren Weg gen Firun bahnte, gezogen von einem strammen Rappen. Wer mochte sich auf die Reise begeben haben? Der alte Gobrom erkannte einen der Insassen als erster: „Das ist der fürstliche Hüter der Adelstafeln — wer die hohen Herrschaften in seiner Begleitung sind kann ich aber nicht erkennen.“
Baron und Baronin von Metenar waren es, die sich gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter Celesta und dem Registrargreven auf den Weg machten um dem Herrn Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm einen Besuch abzustatten.
Dieser staunte nicht schlecht, als ihm die Burgwache von Sighelms Halm vom nahen des Gefährts berichtete und aus diesem zudem derart unerwarteter Besuch entstieg. In Travias Namen hieß er seine Gäste willkommen und geleitete sie in die gute Stube der alten Feste.
Nun, was führt Euch zu mir?“, seine Frage richtete sich sowohl an die Metenarer, wie an den Registrargreven Himrig. Baron Graphiel hob an zu antworten: „Wir sind hier um altem Recht genüge zu tun. Genauer gesagt, um Euch zu bitten uns dabei zu helfen. Meister Himrig hier, Xorigs Sohn, wies uns darauf hin, dass einer meiner Vorväter den Namen seiner Gattin — einer Stragon — annahm, obwohl sie nicht nach koscher Recht die höhere Mitgift in die Ehe brachte, was gemeinhin über die Namenswahl entscheidet. Das heißt, wir und unsere Familie tragen den Namen Stragon zu unrecht.“
Der Geistmärker hob die Augenbraue: „.Mir ist nicht klar, was ich tun könnte um euch bei diesem Problem zu helfen.“
Der Metenarer erklärte: „Nun, jener Vorfahr war einer aus Eurer Familie, genauer gesagt er trug den Namen Blauendorn.“
Baron Kordan fuhr unwillkürlich zusammen als der den Klang dieses Namens vernahm: „Ein Blauendorn?!! Meine Mutter erzählte mir dass dieser Zweig ausgestorben sei... und bei den Göttern, nachdem was sie erzählte, wäre es nicht bedauerlich... und nun sagt Ihr, Ihr wäret ein Blauendorn?“
Plötzlich waren es die Metenarer, die verwundert den wenig erfreut im Saal umhergehenden Geistmärker anblickten: „Nun, Meister Himrig hatte uns bereits davon erzählt, dass der Familienrat der Blaublüten von Metzel von Blaublüten 136 vor Hal verlangte fortan den Namen Blauendorn zu tragen... doch die Gründe wissen wir nicht.“
Kordan wies einen Diener an die Familienchronik zu bringen und begann dann darin zu blättern: „Sie verlangten es nicht grundlos, denn er hatte Schande über unsere Familie gebracht. Einst waren die Blaublüten mit der ehrenvollen Aufgabe vertraut die nordmärker Stammbäume und Adelslisten zu führen, eben so, wie es Meister Himrig hier im Kosch so treu verrichtet.“
Der angesprochene Angroscho nickte wissend und der Gastgeber fuhr fort: „Nun, dies bis zu jenem Tage als die Stammburg belagert wurde, schließlich in Flammen aufging, wodurch ein Großteil der darin gelagerten Pergamente und Schriftrollen für immer verloren gingen — ebenso wie das ehrenvolle Amt, dem unser Geschlecht seine Erhebung in den Adelsstand verdankte und über viele Generationen in unserer Hand lag.
Derjenige aber, der die Burg in blindem Zorn zerstörte war jener Metzel, welcher in bitterer Fehde mit dem damaligen Oberhaupt unserer Sippe lag. Er war es, der den Blauendorns ihr hohes Amt wie den Stammsitz nahm — und deshalb wurde er verstoßen. Er und seine Nachfahren mußten fortan das Schandwappen mit den drei welken Blüten und den Namen Blauendorn tragen.“
Graphiel vernahm die Schilderungen Baron Kordans mit ernster Mine. Als dieser geendigt hatte sprach er nach kurzem zögern: „Dennoch, Recht muss Recht bleiben. In mir fließt das Blut des Metzel von Blauendorn, so will ich auch seinen Namen tragen.“
Der Registrargreve, noch immer den silberhaarigen Kopf über die Dummheit schüttelnd, dass derart wichtige Zeugnisse auf vergänglicher Tierhaut statt in hartem Granit verewigt wurden, erklärte daraufhin, dass Baron Kordan um die Annahme des alten Namens zu ermöglichen die damals nicht eingelöste Mitgift an den Baron zahlen müsse.
Da blickte der Geistmärker ob seiner leeren Kassen recht zweifelnd, bis der Greve ihm offenbarte, dass es sich nach altem Koscher Recht auch um ein symbolisches Pfand von seinem Silberling handeln könne.
Da lächelten alle beteiligten ob der Schläue des alten Zwergen, der Hausherr nahm einen glänzenden Silbertaler aus seiner Schatulle und überreichte es dem Metenarer wie verlangt mit den Worten: „Wenn ihr wirklich bereit seid diesen Namen trotz seines Makels anzunehmen, zeugt dies von Ehrgefühl. So werde ich Euch diesen Wunsch im Namen des Hauses Blaublüten nicht verwehren."
Der Angesprochene aber gelobte: "So wollen ich und die meinen vom heutigen Tage an wieder den Namen Blauendorn tragen, und damit auch die Bürde der Tat des Vorvaters Metzel, auf dass es unser eisernes Bestreben sei diese Schuld zu tilgen. Wer weiß …“, da strich die Hand des Vaters kurz über das Köpflein der kleinen Celesta, „… vielleicht, wird sie und — mit der Götter Hilfe — meine weiteren Nachkommen dereinst gar wieder den ehrbaren Namen Blaublüten mit Stolz tragen können. Ein langer Weg ist zu gehen, doch es sei!"
Da besiegelte ein Handschlag der beiden Barone den Eid und mit einer Umarmung nahm der Geistmärker seinen Bruder im Amte in den Kreis der großen Sippe auf, wenngleich als Mitglied des verstoßenen Zweiges. Greve Himrig vermerkte mit verschmitztem Lächeln das gesehene auf einer mitgebrachten kleinen Tafel und setzte damit einen von ihm lange ersehnten Schlussstrich unter den alten Irrtum des Namens Stragon.
Das nahe Fest der Ahnen beging man sogleich gemeinsam um die neuen Bande zu feiern, was der Metenarer dazu nutzte die Mitgift des Kordan zu vervielfachen und dem Wiederaufbau des Klosters Storchsklausen zu stiften, was dieser mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm. Ehe der Metenarer nach einem Besuch bei Hernobert von Falkenhag, dem Hofherold (wo er das alte Wappen der Blauendorn annahm, das wie auch der Name vergessen und staubbedeckt war) wieder ins heimatliche Lehen fuhr — zum ersten Mal als Graphiel Blauendorn-Lacara von Metenar...