Unter Schurken - Arbasien!

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Hinterkosch, 1021

Merwerd wandte sich zu den beiden Soldaten.
“Rasch, es muß doch hier im Dorf einen Heiler geben, eine Kräuterfrau oder was auch immer. Holt jemand her, nur schnell“, befahl er und wies auf das halbe Dutzend Dörfler, das sich trotz Brand und Feuerschein herangewagt hatte und das Geschehen aus fünfzig Schritt Abstand mißtrauisch beobachtete. Wahrscheinlich hatten sie schon Kinder und Alte versteckt und die Mistgabeln hervorgeholt.
Jetzt kniete auch Rena neben dem Verwundeten. Der hatte seine Augen wieder aufgeschlagen, doch alle Farbe war aus seinem Antlitz gewichen. Wolfhardt umschlang ihr Handgelenk.
“Meine Harfe… gebt mir meine Harfe.“
Schon schauten Dragosch und Gerbald nach dem Instrument, die treuen Gefolgsleute. Rena aber nestelte an ihrem Gewand und zog einen kleinen Samtbeutel hervor, den sie an einer Schnur um den Hals trug.
“Gleich will ich Euch Eure Harfe geben, Herr Wolfhardt. Doch mag dieses von größerem Nutzen sein.“
Sie entnahm dem Beutel eine kleine Phiole.
“Mein Vater gab mir dieses, falls ich einmal in Todesnot geriete. Nun scheint’s, als ob Ihr eines solchen Trankes eher bedürftet. Der Gevatter Boron hat Euch gewiß noch nicht gerufen, und auch Frau Rondren bedarf der Schwerthände auf Deren wohl derzeit nötiger als an der Langen Tafel zu Alveran. Das glaube ich fest.“
Abwehrend hob Wolfhardt die unverwundete Hand, doch die Ritterin drückte sie mit sanfter Gewalt nieder, und der wackere Dragosch hielt seinen Herrn alsbald im festen Griff. Mit einem sanften Ploppen entkorkte Rena die Phiole. Es schien, als ob die Flüssigkeit darinnen gerade jetzt im Madalicht zu schimmern begann und ein schwacher Dunst dem Flaschenhals entströmte. Mit großen Augen beobachteten Brin, Gerbald und die anderen, wie Rena dem Verwundeten den Inhalt der Flasche einflößte und nur wenig später die Blutung versiegte, ja, die Wunden offensichtlich zu heilen begann. Obgleich er die Wirkung eines Heiltrankes kannte, verfolgte auch Merwerd Stoia fasziniert, wie frisches, rosiges Fleisch die klaffenden Risse schloß und die Farbe ins Gesicht des Wiesners zurückkehrte.
Auch Gerbals Tränen versiegten. Die kostbare Harfe, die er mit beiden Armen an sich gepreßt hielt, ließ er achtlos zu Boden fallen, faßte die Hand der Ritterin und bedeckte sie mit Küssen.
“Oh Herrin, Herrin, tausend Dank…“
“Arbasien! Arbasien!“
Schnell stimmte man allgemein in Dragoschs Hochrufe ein, als sich der beinahe Totgeglaubte aus eigener Kraft erhob.
“Bei Rondra, Herr Wolfhardt!“
Gerade noch konnte Dragosch verhindern, daß der ungestüme Ritter Falk seine Pranke anerkennend auf den Rücken des Kampfgefährten niedergehen ließ. Wolfhardt machte einen unsicheren Schritt auf Rena zu, dann fiel er gleichfalls vor ihr auf die Knie.
“Edle Dame, die Zwölfe haben’s gefügt, daß mein Leben in Eure Hände fiel. Verfügt also über den, der Euch niemals in ziemlicher Weise wird danken können.“
“Papperlapp.“
Die junge Kriegerin gab sich ungerührt. “So hat’s Meister Growin mich gelehrt, daß Kampfgefährten für einander einstehen. Erhebt Euch also und dankt statt dessen der himmlischen Leuin, die Eurer offensichtlich noch nicht bedurfte, und Herrn Dragosch dort, dem sie die Axt führte.“
“Gnädigste Herrin…“, Wolfhardts Verblüffen war grenzenlos. Später dankte er dem Baron für dessen Unterbrechung.
“Herrschaften, ich störe nur ungern“, platze der Vinansamter dazwischen. “Doch Halmfold bringt Neuigkeiten: einen Heiler hat’s nicht. Aber der Schulze hat schon nach dem Baron geschickt. Und ich für meinen Teil möchte Herrn Bernhelm im Moment nicht unter die Augen treten. Ich kenne ihn vom Reichsgericht her: er wird gewiß wenig Verständnis dafür haben, daß wir ihm Tote und Brand auf seinem Grund hinterlassen. Zwar wird er den Jergenquell jagen lassen, doch sich den Ruhm dann selber anheften wollen, während wir zuschauen. Und daß der Schurke mit Nordmärker Edlen paktiert, wird dann niemals ans Licht kommen, soviel ist gewiß. Wir brauchen also einen Plan.“