Unter Schurken - Ein Jergenquell

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Hinterkosch, 1021

Die beiden Knappen umklammerten ihre Dolche und starrten gespannt auf die grob gezimmerte Holztür vor ihnen. Was war das für ein Geräusch gewesen? Brin wandte sich um. Es kam aus dem Schuppen, ein Schnauben.
“Ich schau mal“, flüsterte er und machte vorsichtig zwei Schritte auf den Verschlag zu. Dort, in der Dunkelheit, standen zwei wohlgestalte Falben, wertvolle Rösser ohne Zweifel, und an dem Sattel des einen erblickte Brin ein Wappen, das ihm durchaus bekannt war.
Die Adeligen im Haus hatten inzwischen in der Gaststube ein halbes Dutzend schlafender Gestalten zwischen den beiseite geschobenen Bänken entdeckt. Ein offensichtlich als Wächter aufgestellter Kerl mit Kaiser-Alrik-Schnauzer war auf einem Hocker neben der Tür eingeschlummert, neben sich einen halbleeren Bierkrug und ein Kurzschwert im Gürtel. Aber ob freilich der Jergenqueller unter den Boronseligen war, konnten die Koscher nicht erkennen – leibhaftig gesehen hatte ihn ohnehin keiner von ihnen je.
Wolfhardt faßte seinen Lehnsherrn am Arm und deutete auf die andere Seite des Raumes: Dort führte eine Stiege nach oben. Hinter einer Art Galerie war ein Durchgang zu erkennen. Der Baron nickte, und auch Rena von Arbasien verstand – nur Ritter Falk nicht, der es endlich für an der Zeit sah, daß das Gelichter für die koscher Herrschaften Platz schaffte.
“Holla, ihr Leutchen, packt’s euch!“ tönte er. Rasch schreckten die Schläfer auf und blickten sprachlos in die Klingen der Koscher.
“Wer da?“ tönte da eine helle Stimme von oben. Im Lichtschein der Laterne erschien eine junge Frau, mit der Linken das Laken raffend, das ihre Blöße verdeckte, in der Rechten aber ein blitzendes Langschwert, und Augenblicke später ein Mann, wenig älter nur und einzig mit einem Paar Beinkleider angetan, doch mit einem langen Dolche bewaffnet.
“Wen erwartet Ihr denn, Verehrteste?“ entgegnete Baron Stoia keck, ohne jedoch den Säbel sinken zu lassen.
“Herr Jergenquell!“
Die Erleichterung war der Frau anzumerken, als sie sich und ihren Gefährten vorstellte:
“Ich bin Odewinse von Brüllenfels, und dies ist der edle Guldewald von Schleiffenröchte. Seid willkommen in den Nordmarken.“
“Nun denn.“
Mit einem höflichen Nicken senkte Baron Stoia den Säbel.
“Ihr solltet aber besser auf Eure Wachen achtgeben, gute Frau – ein müdes Grüppchen habt Ihr da.“
Leicht verfinsterte sich da die Miene der Frau, ehe sie betreten den Blick senkte.
“Der Jergenquell?! Hah! Was...!“
Ritter Falks ergrimmter Ausruf ging in einem erstickten Keuchen unter.
“Verzeiht mir mein Mißgeschick.“
Mit einem entwaffnenden Lächeln trat Rena von Arbasien zur Seite. Der Siebentaler musterte seinen mißhandelten Fuß und warf der Ritterin einen vorsichtigen Blick zu, ehe er mit unverminderter Lautstärke weiterrumpelte:
“Der Jergenquell? Und ich dachte immer...“
“Seid ruhig!“
Renas Augen blitzten. Baron Stoia tat sein bestes, die beiden Streithähne zu übertönen:
“Wenn wir nun schon einmal hier versammelt sind, beste Dame, solltet Ihr uns darüber aufklären, was all dieses Durcheinander hier zu bedeuten hat. Aber bekleidet Euch zuallererst.“
Langsam kam Leben in die verschlafene Gruppe – neun Stück waren es, zusammen mit den beiden Adligen. Lange, so war der Baron von Vinansamt sich bewußt, konnte man dieses Spielchen nicht treiben – doch stach ihn der Hafer gar zu sehr, mit diesem seltsamen Empfangskomitee seine Possen zu treiben und neben diesen Leutchen auch den Jergenqueller mitsamt seinen Spießgenossen in die Finger zu bekommen. Kurz musterte er seine drei Begleiter.
“Wolfhardt, wollt Ihr so gut sein, unseren Ritter Falk nach draußen zu geleiten – es scheint, als würde ihm ein wenig frische Luft wohl bekommen.“
In der Tat hatte der Ritter trotz dieser aufsehenerregenden Wendung sich eines lauten und ausgiebigen Gähnens nicht enthalten können – doch wie ein hungriger Bornbär klang’s, befand Rena. Denn trotz des erholsamen Schläfchens, das er in der Kutsche des Vinansamters getan, forderte die späte Stunde in Verbindung mit dem zuvor überreichlich genossenen falschen Ferdoker langsam ihren gerechten Tribut von dem wackeren Siebentaler – selbst der Jergenqueller Gegner war da nicht stärker.
“Und wenn Ihr so gut sein wolltet, Dragosch Bescheid zu geben, was für Vögel hier im Bauer sitzen...“
Der Landt-Edle nickte zu diesen nur noch geraunten Worten.
“Kommt, Ritter Falk. Gehen wir.“
“Aber holla! Der Jergenquell!“
“Wohl, Ritter Falk, doch darum tut eine gute Wache ja heuer auch Not.“
Der Edle hatte seine liebe Mühe damit, den Rittersmann aus dem Gasthof zu bringen. Rena betrachtete kopfschüttelnd den Abgang des ungleichen Paares. Odewinse, die in unordentlicher Kleidung gerade wieder hinzugestürzt kam, warf, die Hand am Schwertknauf, dem Baron einen erschreckten Blick zu.
“Angriff? Wo? Und was tun die beiden da?“
Mit einem leisen Lächeln schüttelte der Vinansamter den Kopf.
“Keinesfalls, Verehrteste. Zu viel Ferdoker – sollen sie draußen Wache schieben.“
Ein mißtrauisches Stirnrunzeln der Frau und ihres Begleiters war die Antwort. Notdürftig gerüstet versammelten sich die Halsabschneider um den vermeintlichen Jergenqueller und seine Begleitung.
“Doch da Ihr nun schon hier seid, Herr Jergenquell, könnt Ihr uns mitteilen, was Ihr zukünftig plant, nachdem Ihr uns schon hierherbestellt habt – von einem sehr lohnenden Auftrag habt Ihr gesprochen und dringlich sei’s zudem. Woll’n mal nicht hoffen, daß Euch und den Euren der Boden im Koscherland nur zu heiß geworden ist, wenn’s auch verständlich kläng’ – dann hätt’s der Mühen kaum bedurft, so viele meiner wackeren Begleiter zu sammeln, nur, um Euch Unsere Begrüßung auszusprechen.“
Der junge Schleiffenröchte hatte geschwiegen zu dieser Begrüßung und sich teils hoffnungsvollen, teils aber auch zweifelnden Blickes die wenigen Kriegsleut‘ um den “Jergenqueller“ besehen. Nun aber konnte man ihn murmeln hören:
“Schön wär’s, wenn’s helfen tät.“
Baron Stoia entschloß sich, das Gebrummel vorerst zu überhören. Er wandte sich an die Frau.
“Nun, Werteste, Ihr überrascht mich etwas. War’s doch ausgemacht, daß wir zu beiderseitigem Nutzen kooperieren wollten. Wär’s da nicht angemessener, wenn Ihr mir zuerst einmal erzählen wolltet, was wir für Euch tun können, hier in den Nordmarken? Sicherlich ungleich besser seid Ihr über unser Ungemach informieret als wir demgegenüber über Euer Anliegen.“
Er verstummte. Ein gewagter Vorstoß, der dennoch eher zu treffen denn fehlzugehen versprach. Das Mißtrauen in den Augen der Frau schwand etwas – und machte einer wachsenden Verwirrung Platz.