Rückkehr an den Ort der Jugend

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Ausgabe Nummer 83 - Rahja 1047 BF

Von edelsten Geschlechtern & Zu Hofe: Rückkehr an den Ort der Jugend

Cathine von Unterangen wieder am Fürstenhof

ANGBAR. Cathine von Unterangen, in jungen Jahren der Stern der feinen Gesellschaft, ist an den Fürstenhof zurückgekehrt – und erfreut sich dort großer Beliebtheit. Überraschenderweise sind es gerade die jungen Leute von Stand, welche die Nähe der betagten Edeldame suchen – und ihren Rat, was die Kunst der feinen Lebensart angeht.

Lang, lang ist’s her, seit die blutjunge Cathine von Unterangen zum ersten Mal das höfische Parkett betrat; damals hieß der Fürst noch Berndrich, und das prächtige Wasserschloss zu Angbar war noch nicht ganz fertiggestellt. Es dauerte nicht lange, und die blonde Schönheit mit der spitzen Zunge und dem frechen Charme stand wie kaum eine Zweite für Lebensfreude und Eleganz. Zahllose Geschichten und Anekdoten ranken sich um ihre rahjagefälligen Auftritte bei Bällen und Banketten; manche ihre Bonmots sind noch immer im Umlauf, und bei einer bestimmten Art, die Haare zu tupieren, spricht man bis heute vom „Cathinenturm“. Nicht wenigen Herren der feinen Gesellschaft soll sie mit ihren Reizen den Kopf verdreht (und auch so manches Herz gebrochen) haben. Sogar mit dem Grafen Orsino war sie für eine Weile in rahjagefälliger Liebe verbunden. Die Ehe freilich ging sie niemals ein, und so kam es schließlich, wie es kommen musste: Die Zeit der Jugend ging dahin, der Glanz verblasste, der Stern begann zu sinken …

Einige Jahre lang schien Cathines ganzer Lebenszweck nur darin zu bestehen, gegen den Baron von Oberangbar Intrigen zu spinnen; denn nach dem schmählichen Tode ihres Vaters im Jahr des Feuers hatte nicht etwa sie als Tochter das Lehen erhalten, sondern der Herr Wolfhardt von der Wiesen. Im Jahre 1042 BF gab sie dann überraschend jeglichen Widerstand auf; seitdem war es still geworden um die ehrgeizige Dame, und fast schien es, als sei von ihrem bewegten Leben nichts mehr geblieben als Erinnerungen.

Doch die sind noch immer lebendig – und auch sehr gefragt. Zwar kann sich Angbar nicht mit Vinsalt oder Gareth messen (und will es wohl auch gar nicht), doch so allertiefste Provinz, wie manche böse Zungen spotten, ist der Kosch bei Weitem nicht. Und so sieht man plötzlich junge Leute aus edlem Hause bei „Madame Cathine“ ein- und ausgehen, um so sonderbare Dinge wie die Kunst der Fächersprache oder des koketten Augenaufschlags zu erlernen, die höfischen Tänze, geistreiche Konversation … und wie man pikante Botschaften mit unsichtbarer Tinte in Geheimschrift verfasst. In all diesen Dingen war Cathine einst eine Meisterin, und sofern es ihr Alter erlaubt, ist sie das immer noch.

Natürlich fragen sich viele, wie die Junkerin zu Unterangen solch einen kostspieligen Lebenswandel finanziert: die Kleider, die Gesellschaften, das schöne Gemach im (mittlerweile wiederhergestellten) Geritterhaus … Angeblich hat sie alles zu Geld gemacht, was ihr Junkergut hergab – und steht bei Stippwitz in der Kreide. Ihre Wiedereinführung bei Hofe soll sie gar der Fürsprache ihres einstigen Widersachers Wolfhardt von der Wiesen verdanken! Was diesen allerdings zu einem solchen Schritt bewogen haben soll, weiß keiner; am ehesten noch war es die Fürsprache seiner jungen Gattin Nadyana von Garnelhaun, der man „ein goldenes Herz“ nachsagt.

Sicher ist jedenfalls, dass es seit einer Weile wieder festlicher und bunter zugeht am fürstlichen Hofe. Manch einer sieht das mit Verwunderung und fragt sich, ob „all der Flitter und der Tand“ denn wirklich Koscher sei. Die Alten (und natürlich viele unter den Angroschim) erinnern sich aber noch gut an die Zeiten, in denen Bardo und Cella die Kaiserlichen Inseln besuchten und nächtelang frohe Musik übers Wasser schallte. Ganz zurück in diese Zeiten wünscht sich freilich keiner, der bei Verstand ist; doch ein bisschen weniger Ernst und ein bisschen mehr Freude darf es wohl sein, denken sich viele. Schließlich haben die letzten Jahre und Jahrzehnte genug an Not und Kummer gebracht …

Karolus Linneger