Unter Schurken - Auf den Berg

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Hinterkosch, 1021

So wollte die wackere Gruppe also ein zweites Mal den Berg bezwingen, an dem sie Tags zuvor in eine tödliche Lawine geraten war. Entsprechend mühevoll ging der Marsch voran, denn mit jedem Schritt sanken die Fünfe bis zur Kniebeuge in den kalten Schnee. Nun, nicht alle Fünfe, der Zwerg versank gar bis zum Bauchnabel in den weißen Massen. Das Pferd ließen sie in der Nähe zurückgelassen, wo Gorbosch sich ein Quartier eingerichtet. Dort leisteten ihm die zwei Maultiere des Zwergen Gesellschaft.
“Ach je. Ach weh!“
Ritter Falk drückte mit seinem Jammern das aus, was alle anderen dachten. Daß es so beschwerlich werden würde, hatten sie nicht gedacht. Noch dazu schmerzte dem Wiesner der Kopf, dem Vinansamter sein Arm, dem Siebentaler der Bauch (sie hatten schließlich schon lange nichts mehr gegessen – und es sah auch nicht so aus, als würde es bald etwas geben), dem Angroscho seine Füße und der Arbasierin offenbar gar nichts, denn sie hatte schon gut zwölf Schritt zwischen sich und die anderen gebracht.
“Nun rennt doch nicht so! Bedenkt, daß ich zwei große Schritte machen muß, während ihr nur einen tut!“
Auch Gorbosch fing nun an zu jammern.
“Ja, genau. Und außerdem sollten wir mal eine Rast machen. Leerer Bauch marschiert nicht gern!“
Wo auch immer Ritter Falk diese Weisheit aufgeschnappt hatte, er erinnerte die anderen an ihre ebenfalls leeren Bäuche und trug so nicht gerade zur Hebung der Stimmung bei.
“Vielleicht sollten wir uns wirklich einen Rastplatz suchen. Mit Firuns Beistand hoppelt uns ein Hanghase oder ein anderes, unvorsichtiges Getier vor die Füße, das uns als Mittagsmahl taugt“, bemerkte Merwerd, und alle blieben wie auf Kommando stehen, um sich nach einem geeigneten Ruheplatz umzusehen.
Entwurzelte Bäume, kantige Felsen und hohe Schneehäufen war aber das einzige, was sie von hier aus sehen konnten, und der Gipfel, der nach dem Lawinenabgang nun weit weniger schneebedeckt war als der Teil des Berges, an dem sie standen, lag wohl gute drei bis vier Marschstunden entfernt bergan. Kollektives Kopfschütteln und Wehklagen machte sich breit.
“Hey, das hier ist doch prima!“
Einem Juchzen gleich erscholl der Ausruf, doch woher war er gekommen? Und wo war eigentlich die Ritterin abgeblieben? Erst jetzt merkte die Männerrunde, daß sie Renas verlustig gegangen war.
“Äh. Wo-ho seid ihr de-henn?“
Wolfhardt formte seine Hände zu einem Trichter vor den Mund.
“Hier! Hier oben!“
Und nun sah man den blonden Zopf der Arbasierin vor dem dunklen Hintergund eines großen Findlings.
“Kommt nur herauf! Es ist zwar wenig Platz, aber wenn wir etwas näher zusammenrücken müssen, können wir uns gleich gegenseitig etwas aufwärmen!“
Schnellen Schrittes nun gelangten die vier sogleich zur Lagerstatt, und ein kleiner Fleckv unterhalb des Felsens war tatsächlich nur wenig mit Schnee bedeckt. Die Lawine war offenbar daran vorbeigerauscht.
“Ich werde mal sehen, ob ich so ein Langohr an selbigem packen kann!“ und schon war Ritter Falk wieder davon.
Wolfhardt sah sich nach ein paar Ästen um, die nicht schwer zu finden waren, hatte doch die Lawine das Holz über den ganzen Hang verteilt. Gorbosch entzündete fast spielend ein kleines Feuer mit seinen Zundersteinen.
“Eine Stunde. Mehr Rast sollten wir uns nicht gönnen, sonst haben wir die Mine vor Einbruch der Dunkelheit nicht gefunden. Und mir wäre ganz wohl, wenn wir die Nacht nicht in Eis und Schnee verbringen müßten.“
Der Vinansamter plante schon etwas voraus.
“Ei, so eine Freude!“
Der Siebentaler mußte einen Hasen erwischt haben. Doch nicht ein felliges Büschel hatte er geschultert, als er frohgemut bei den anderen eintraf, die sich schon um das züngelnde Feuerchen gruppiert hatten, sondern einen Lederbeutel. Seinen Lederbeutel, den Proviantbeutel, den ihm die Lawine entrissen hatte. Und da der Ritter weit mehr an Brot, Trockenfrüchten und Hartwurst bei sich zu tragen pflegte als andere, gereichte der Inhalt allen zu einem kleinen, aber feinen Mittagsmahl. Das Brot konnten sie gar über dem Feuer etwas rösten, was mit dem Käse, den der Zwerg bei sich hatte, fast eine perfekte Käseschmelze abgab!
“Ach ja, der Kosch“ seufzten sie da innerlich im Einklang.
Als das letzte Rad halbgefrorene Wurst verzehrt war, tat der Siebentaler mit einem widerhallenden Rülpser kund, daß es ihm wohl gemundet hatte, und auch die anderen waren nun willens, das restliche Stück des unheilvollen Berges zu erklimmen. Wolfhardt trat noch kurz das Feuer aus und folgte den anderen nach, die sich schon an den Aufstieg gemacht hatten. Rena wollte ihn nicht allein hinterhertrotten lassen und ließ sich zurückfallen, so daß die beiden nun gemeinsam einige Schritt hinter der Gruppe herstiefelten.