Neues aus Hohentrutz - Lehrer und Schüler

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Rondratempel von Rhôndur, Ende Phex 1032 BF

Die Fechthalle war erfüllt vom Klirren der Waffen, dem Klackern der Holzschwerter und dem Keuchen der Übenden. Answein Grobhand von Koschtal, Schwertbruder im Rondra-Tempel von Rhôndur, schritt mit kritischer Miene zwischen seinem halben Dutzend Zöglinge hindurch.
„Nimm die Deckung hoch, Stitus! Der letzte, der so kämpfte, weilt jetzt an Rondras Tafel und reicht den Helden die Speisen an!“.
„Ja, Euer Gnaden!“.
„Ulide, nicht so fuchteln! Das ist ein Schwert und keine Mistforke!“.
„Ja, Euer Gnaden!“.
Answein schüttelte missbilligend den Kopf.
„Ein Diener der Herrin muss mehr können, als nur das Schwert halten! Er muss eins sein mit seiner Waffe, sie muss ein Teil von euch werden, eine Verlängerung eures Körpers!“
Mit einem schnellen Griff fiel er einer Novizin in den Arm, korrigierte ihre Haltung.
„Vor dem Angesichts Rondras genügt es nicht, einfach nur ein guter Fechter zu sein! Gute Fechter findet man ebenso in Söldnerhaufen, die nichts von der Herrin wissen! Erst, wenn Ihr Geist euch erfüllt, wenn Ihr göttlicher Zorn jeden eurer Streiche erfüllt, wenn ihr zulasst, dass Sie selbst eure Hand führt, erst dann...“
Schritte, die von den Wänden widerhallten, unterbrachen Answeins kleine Predigt. Unwillig drehte der Geweihte sich herum, während eine steile Falte zwischen seinen buschigen Brauen erschien.
Ein Mann Ende zwanzig hatte die Halle betreten, ließ jetzt einen schäbigen, abgewetzten Lederrucksack achtlos zu Boden fallen und fixierte Answein mit einem trotzigen, herausfordernden Blick.
Answein kannte diesen Blick, und er wusste, wie er ihm zu begegnen hatte. Mit diesem Mann hatte er schon manches Mal die Klingen gekreuzt, und heute würde er es wohl ein weiteres Mal müssen.
„Hat dir die Tracht Prügel vom letzten Mal nicht gereicht?“ schnappte er, unwillig ob der unerwarteten Störung.
„Nein!“ erwiderte der Andere mit provozierender Ruhe und zog einen Anderthalbhänder aus der Rückenscheide. Answein könnte hören, wie einige der Novizen erschrocken keuchten oder scharf die Luft einzogen. Die lange, gerade Klinge, die runde Parierscheibe – der Mann trug einen Nachtwind, eine Waffe, die im Ruf stand, besonders bei maraskanischen Meuchlern beliebt zu sein, auch wenn Answein wusste, dass sein Gegenüber weder ein Maraskaner und schon gar kein Meuchler war.
Er zog seinen eigenen Zweihänder und brachte sich in Position, sein Gegner ebenfalls.
Für einige Sekunden herrschte völlige Stille in der Fechthalle, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können. Dann, wie auf einen unhörbaren Befehl, riefen beide fast zeitgleich den Namen der Kriegsgöttin an und schlugen zu.
Funken stieben von den Klingen, die in schneller Folge umeinander fuhren wie in einem mörderischen Tanz. Answein wusste, dass sein Gegner jünger und schneller war als er selbst, und setzte umso mehr Kraft in seine Hiebe, um ihn zu ermüden, ihn mürbe zu klopfen wie ein Stück Fleisch.
Die Taktik schien aufzugehen, immer häufiger wich der Andere den Schlägen aus, statt zu parieren, als fürchte er, schon beim nächsten Angriff die eigene Klinge zu verlieren. Answein forcierte seine Attacken weiter, ließ ein Schwertgewitter los, mit dem er den anderen zurück drängte, doch der konterte mit der Weidener Mauer und zwang jetzt seinerseits den Geweihten in die Defensive.
Answein spürte, wie Zorn in ihm aufwallte, das Orkblut in seinen Adern kochte, wie er die Kontrolle zu verlieren drohte. Blitzartig ließ er die Waffe abwärts fahren – die Koscher Sichel! Doch sein Gegner sprang ansatzlos hoch, der Zweihänder schlug funkensprühend auf den Granitboden, und gleichzeitig traf Answein ein Tritt gegen die Brust, der ihn rückwärts taumeln ließ.
Wütend funkelte der Geweihte sein Gegenüber an. Er hatte dazu gelernt, dass musste man ihm lassen.
Answein blinzelte kurz, als ihm Schweiß in die Augen lief, und griff vehement wieder an. Erneut trieb er den Gegner rückwärts, mehr als einmal stand er kurz davor, den entscheidenden Streich anzubringen, die Paraden wurden unsicherer, fahriger, und als sich die Waffen im Perricumer Block verkeilten, hatte der Geweihte den Sieg vor Augen.
Mit einem Aufschrei stieß er seinen Gegner von sich, riss die Klinge zurück und zum ysilischen Wolfsbiss nach vorn schnellen.
Keine Handbreit vor dem Hals des anderen verharrte die Klingenspitze in der Luft. Answein hörte sein Blut in den Ohren rauschen, atmete schwer. Der Blick des Anderen war direkt in seinen gerichtet, ohne Angst, ohne Erschrecken.
Dann, nur für einen Wimpernschlag, glitt der Blick nach unten, und ein leichtes Grinsen stahl sich auf die entschlossenen Züge. Answein blickte ebenfalls kurz hinab. Einen Spann vor seinem Bauchnabel stand die Spitze des Nachtwindes, wie seine eigene Waffe bereit zum Stoß.
„Verdammtes Alter!“ schnaufte Answein und ließ die Waffe sinken. „Ein Unentschieden! Wäre ich fünf Sommer jünger, ich hätte dir das Fell über die Ohren gezogen, Roban!
Roban Grobhand von Koschtal grinste breit und senkte seine Klinge ebenfalls.
„Und hätte der Hund nicht gekackt, hätte er den Hanghasen gefangen!“ gab er zurück, und jetzt musste auch Answein lachen.
„Ja, richtig!“ gab er zu und schlug Roban kräftig auf die Schultern.
„Was führt dich her? Brauchst du mal wieder ein paar Lektionen, musst du gar beichten, oder warum störst du meinen Unterricht?“
Answein wischte sich den Schweiß ab und blickte auf seine Zöglinge.
„Was gafft ihr so?“ herrschte er sie lautstark an. „Übt weiter! Vom Zusehen hat noch keiner das Kämpfen erlernt! Barine, du übernimmst hier“, trug er der ältesten Novizin auf, „falls mich jemand sucht, ich bin in der Sakristei.“
Barine nickte eilfertig, während Answein und Roban in der Sakristei verschwanden.
„Falls du Hunger hast, wir haben dunkles Brot, Sauerwurst und dünnes Bier!“
„Schön, dass sich wenigstens hier nichts geändert hat“, sagte Roban, als er sich auf einem der harten Schemel niederließ.
„Immer noch jeder Kreuzer für den Tempel!“
„Wer völlern will, soll ins Gasthaus gehen. Also, erzähl mal – wie ist es dir ergangen?“
Roban berichtete von den vergangenen Jahren, von Tobrien, den Kämpfen gegen die schwarzen Lande, und Answein hörte schweigend zu. Was er hörte, gefiel ihm nicht – überall hörte man es, dass Rondras Gebote nur noch wenig galten. Zauberei, Heimtücke und moderne Schusswaffen sollten Mut und Einsatzwillen ersetzen, und das nicht nur in Tobrien.
„Schlimme Zeiten!“ murrte er widerwillig. „Aber sei es drum! Die Herrin befiehlt, wir gehorchen! Aber du bist doch nicht nur für einen kurzweiligen Plausch nach Rhôndur gekommen?“
Abwartend blickte Answein seinen ehemaligen Schüler an. Der leerte den Becher mit Dünnbier, wischte sich den Bart mit dem Handrücken ab und schüttelte den Kopf.
„Nein, nicht nur. Du hast von der Aktion Neu-Farnhain gehört?“
„Alt mag ich sein, Roban, aber weder blind noch taub! Natürlich habe ich davon gehört, wurde laut genug verkündet, dass man Siedler suche, die sich in Moorbrück niederlassen wollen. Und auch die Namen der Ritter, die dort ihr Lehen erhalten, wurden verlautbart. Meinen Glückwunsch!“
Roban lächelte schief.
„Danke. Bislang bin ich aber nur stolzer Besitzer eines kargen Hügels inmitten sumpfiger Wiese. Bis da eine Siedlung steht, geht noch reichlich Wasser den Großen Fluss runter. Aber immerhin, der Fürst lässt einiges springen, und einen Schrein bekommen wir auch!“
„Ein Schrein!“ echote Answein. „Dann könnte ich ja beinahe so vermessen sein, mir vorzustellen, was du hier willst.“
Roban hob beiläufig die Schultern.
„Und – wie stehen meine Chancen?“ fragte er mit Unschuldsmiene, die von dem Geweihten mit einem kurzen Auflachen quittiert wurden.
„Was für eine Frage! Du willst deinen Schrein unserer Herrin Rondra weihen und trägst mir die Ehre an, die Weihe vorzunehmen? Ihr Zorn soll mich auf dem Abtritt treffen, wenn ich das ausschlage! Sag mir wann und wo wir uns treffen, dann will ich den Grundstein segnen, dass es donnert!“
„Dann danke ich schon mal im Voraus!“ Roban lächelte sichtlich zufrieden mit sich und der Welt.
„Und – ist Moorbrück so langweilig, wie man sagt?“ fragte Answein und schenkte ihm noch mal ein.
„Man kann sich dort nicht nur zu Tode langweilen“, erklärte Roban, „und so ein Rudel hungriger Sumpfrantzen ist mitunter recht kurzweilig, wenn du verstehst...“
„Also nichts für zarte Gemüter“, nickte Answein beinahe zufrieden.
„Ein Grund mehr, den Schrein der Herrin zu weihen, denn was nützen dir blühende Felder und hübsche Häuser, wenn der erste Angriff irgendwelcher Viecher alles wieder zerstört. Es gibt da ja ohnehin Gerüchte, was in Moorbrück alles umgehen soll...“
„Latrinenparolen“, winkte Roban ab.
„Was ich gesehen habe, ist nicht gerade heimelig, aber irgendwelche Monster haben wir nicht zu Gesicht bekommen, nur ein paar merkwürdige Fährten. Weiß der Namenlose, wer die verursacht hat – und wenn mir irgendein widernatürliches Vieh quer kommt, bekommt es Stahl zu schmecken, bis es dran erstickt!“
„Darauf nehmen wir einen!“ nickte Answein beifällig und hob seinen Becher.