Neues aus Hohentrutz - Entscheidung im Sternenlicht

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Rittergut Hohenbirn nahe Koschtal, Ende Phex 1032 BF, Abends

Das Abendessen lag hinter ihm.
Natürlich war es Danja leicht gefallen, einen guten Eindruck zu machen.
Mutter hatte stets viel Wert auf Bildung gelegt, sein Bruder Rondrolf war ebenfalls ein Anhänger der hübschen und kultivierten Damen, und Ingrild war ohnehin eine Frohnatur, die mit jedem gut auskam. Sogar Vater hatte seine Vorbehalte gegenüber den Magiebegabten hintan gestellt, war der unerwartete Gast doch eine Weggefährtin seines Jüngsten und hatte diesem hilfreich zur Seite gestanden.
So blieb Roban wenigstens von der lästigen Pflicht der Konversation bei Tisch verschont und konnte sich sogar beizeiten davon stehlen.
Er hatte noch genügend zu bedenken und kannte den passenden Ort dafür. Unweit des Gutes lag ein alter Baumstamm auf einer Wiese, unweit des großen Felsens, der überall nur „die Birn“ genannt wurde. Von hier aus hatte man an klaren Tagen einen weiten Blick über die Höhen und Täler von Drakfold, sah sogar den Sylbriger See in der Ferne schimmern.
Sein Vater ihm eröffnet, dass er sowohl eine Verwalterin wie auch zwei Bedienstete gefunden hatte, die ihn nach Moorbrück folgen würden – zwei Probleme weniger.
Jetzt konnte er die nächsten Schritte angehen, die ersten Häuser bauen, den Schrein errichten, einen Knüppeldamm anlegen, erste Entwässerungsgräben ziehen...in Gedanken sah er einen ganzen Haufen Arbeit vor sich.
Die ersten Jahre würden garantiert nicht leicht sein, aber er war guter Hoffnung, dem Sumpf den ein oder anderen Acker trockenen Boden abtrotzen zu können, und irgendwann würden aus den Äckern Rechtmeilen werden, bis eines Tages das letzte Fleckchen Sumpf verschwunden war – nicht mit Zauberei, sondern einfach durch fleißige koscher Hände!
„Veritable Aussicht“, klang eine Stimme hinter ihm, während er seine Pfeife stopfte. Er brauchte sich nicht umzuwenden, um zu wissen, dass Danja hinter ihm stand, und knurrte nur zustimmend.
„Und, ist Wohlgeboren zu einem Urteil gelangt?“ fragte sie schnippisch und setzte sich ungefragt neben ihn.
Roban griff nach dem mitgebrachten Kienspan und setzte die Pfeife in Brand, blies ganz bewusst die ersten Wolken in Danjas Richtung.
„Ich hab dir schon in Tobrien gesagt, dass Rauchen eine ganz schlechte Angewohnheit ist. Es stinkt, macht gelbe Zähne und ist bestimmt ungesund“, hustete sie gekünstelt und zerteilte die Rauchwolken mit der Hand.
„Der Rotzkocher bleibt in Betrieb“, beharrte Roban, konnte sich ein leichtes Grinsen aber nicht verkneifen.
„Und? Deine Entscheidung?“ kam die Maga auf ihr Anliegen zurück.
„Entscheidung? Was für eine Wahl habe ich denn?“ seufzte der Ritter schicksalsergeben.
„Wenn ich nicht einwillige, gehst du zu einem von den anderen Rittern. Auf jeden Fall wirst du im Moorbrücker Sumpf herum strolchen, so oder so. Da ist es schon besser, wenn du in meiner Nähe bist – dann habe ich wenigstens das Gefühl, dass du keinen Mist bauen kannst!“
Danja kicherte und rutschte keck etwas näher.
„So schlimm bin ich gar nicht. Ich werde meinen Studien nachgehen, du wirst deine Siedlung aufbauen – wir zwei werden schon miteinander auskommen!“
Roban erwiderte nichts, zog an seiner Pfeife und starrte in die aufkommende Dunkelheit hinaus.
„Bist du nun einverstanden?“
Sie ließ nicht locker, das wusste er. Sie würde ihn bearbeiten, bis er Antwort gab, und keine Sekunde eher Ruhe geben.
„Keine öffentliche Hexerei, du machst mich nicht vor meinen Untertanen zum Deppen und tust nicht so, als wären wir verlobt, klar? Und kein Wort über – du weißt worüber!“ verlangte er.
„Gut!“ willigte sie ein.
„Ich bin aber kein Untertan, sondern freie Bürgerin, wenn du meine Dienste benötigst, werde ich dafür entlohnt, und ich bin dir keinerlei Rechenschaft schuldig über Examinationen, Exkursionen oder sonstige Tätigkeiten, die meine Studien betreffen.“
„Schon klar“, brummte Roban.
„Bevor du examinieren und exkurieren kannst, solltest du dir aber erst ein Haus bauen. Bis dato gibt es nur nen Hügel mit einem einzigen Baum!“
„Klingt vielversprechend! Und wie wirst du jetzt weiter vorgehen?“
„Wie – weiter vorgehen?“ fragte Roban stirnrunzelnd.
„Wie gedenkt Wohlgeboren seine Siedlung zu errichten? Runddorf, Streusiedlung, oder vielleicht an einem zentralen Kanal, der sowohl der Dehydration wie auch als Verkehrsweg dienen mag? Palisade, Graben oder Mauer? Wehrturm, Herrenhaus, Blockhütte? Reichsstraße, Karrenpfad oder Knüppeldamm?“
Roban drehte ihr langsam das Gesicht zu. In dreißig Sekunden hatte Danja mehr Konzept zusammen gebracht als er in der letzten ganzen Woche.
„Wer baut hier eigentlich die Siedlung, du oder ich?“ fragte er unwirsch.
„Du“, erwiderte sie schulterzuckend.
„Aber wenn du meinen wohlgemeinten Rat nicht willst, gehe ich zu Bett. Die Reise hierher war anstrengend, erst recht ohne Reittier...“
Sie stand auf, wurde aber sofort am Arm gepackt. „Nein, bleib – bitte!“
Roban wusste, dass sie ihn schon wieder am Wickel hatte, aber sie war diejenige mit dem Grips. Und ob es ihm gefiel oder nicht – so jemanden konnte er gebrauchen.
„Vermutlich weißt du sowieso mehr über Sümpfe, Moore und Matschtümpel als ich. Ich bin zwar manchmal ein ziemlicher Idiot, aber völlig verblödet bin ich nicht!“
„Nicht?“ grinste Danja, setzte sich aber wieder hin. Roban schenkte ihr einen missmutigen Blick.
„Nein, im Ernst, ich kann dir gern administrativ zur Seite stehen, wenn es um die Planung der Siedlung geht. Allerdings kann ich mit seriösen Vorschlägen erst aufwarten, wenn ich die lokalen Begebenheiten in Augenschein genommen habe.“
Roban hob fragend die Brauen.
„Ich muss erst mal sehen, wo du dein Dorf bauen willst, danach sehen wir weiter“, erklärte sie, und er nickte. Das klang vernünftig.
„Gibt es denn schon Siedler?“ fragte Danja nach einer Weile, in der Roban geschwiegen hatte.
„Ich meine, außer uns beiden? Versteh mich nicht falsch, mir dir allein in der Wildnis mag seinen Reiz haben“, sie erntete erneut einen unwilligen Blick, „aber auf Dauer sollten sich ein paar mehr Leute auf deinem Hügel niederlassen.“
„Vater hat mir eine Verwalterin und zwei Angestellte beschafft“, wiederholte Roban das, was schon beim Abendessen besprochen worden war.
„Und nach der ersten Erkundung des Sumpfes hatte der Vogt ein paar merkwürdige Vögel in seiner Burg zusammen getrieben, die als erste Siedler herhalten werden. Buntes Volk, dass wir unter den Siedlungen aufgeteilt haben. Sogar ein Goblin war dabei! Aber wenig wirklich Brauchbares!“
„Was hast du erwartet? Ein Garde-Regiment Pikeniere und eine Hundertschaft Tagelöhner mit Schaufel und Hacke?“
Etwas widerwillig stimmte Roban in ihr Lachen ein.
Ja, was hatte er eigentlich erwartet? Er wusste es selbst nicht. Er war völlig bar jeder Erwartung nach Moorbrück gezogen, und natürlich lockte das Siedlungsprojekt keine Meisterhandwerker und kampferprobte Veteranen an. Wer nach Moorbrück ging, den trieb entweder die Hoffnung, die Abenteuerlust oder die Verzweiflung.
„Tja, mit meinen Siedlern werde ich mich wohl abfinden müssen. Darin habe ich seit heute ja ein wenig Übung!“
Er klopfte die erkaltete Pfeife am Stiefelabsatz aus, um sie direkt neu zu stopfen.
„Wie gesagt, wir werden schon miteinander auskommen“, versprach Danja in versöhnlichem Ton.
„Wir haben es an der Misa geschafft, wir werden es auch in Moorbrück schaffen. Wir müssen nur beide ein wenig an uns halten! Mal mehr, mal weniger!“
Mit einem Ruck erhob sie sich, drückte ihm einen Kuss auf die Wange, hauchte einen Nachtgruß und ging davon.
Roban blickte ihr über die Schulter nach, während sie sich mit wiegenden Hüften entfernte.
Verstand einer die Weiber!
Entweder würde er Danja noch heiraten, oder er würde sie umbringen!
Oder beides!
Er griff wieder zum Kienspan und stellte fest, dass der mittlerweile herunter gebrannt war, warf das nutzlose Holzstück mit einem Fluch von sich, grübelte wieder vor sich hin, den Blick über das inzwischen dunkle Land auf die Sterne gerichtet.
Für einen Moment schien eines der Himmelslichter kurz zu blinken, als zwinkere es ihm spöttisch zu.
Roban dachte an den Beistand, um den er den listigen Phex bei der Wahl des Siedlungsplatzes gebeten hatte.
War Danjas Auftauchen der Preis für die Hilfe? Lachte der listige Gott sich gerade scheckig über den dummen koscher Ritter auf seinem Baumstamm?
Oder waren er und sie und alle anderen nur Spielfiguren in einem göttlichen Plan, den kein Sterblicher vor seiner Vollendung verstehen würde?
Gedankenverloren kratzte er das Pfeifenkraut wieder in den Beutel.
Die nächsten Wochen würden wohl noch manche Überraschung für ihn bereit halten – hoffentlich auch ein paar gute!