Drachenzeug in Zwergenhände
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Drachenzeug in Zwergenhände
Bergkönig zwingt Hüter zur Herausgabe eines Artefakts
Die Pförtnerin Sonnhild Sindelsaumer erwartete eine Überraschung, als sie am 30. Boron das Guckloch in der Pforte des Klosters des Heiligen Hüters am Greifenpass öffnete. Das energische Hämmern an den Gong hatte ihr zwar schon angedeutet, dass keine gewöhnlichen Pilger Einlass verlangten. Eine achtköpfige Delegation von Koschimer Erzzwergen in ihren aufwendigsten Rüstungen, angeführt vom Angroschpriester Gramosch Sohn des Gillim, hatte die Geweihte aber zuallerletzt erwartet. Die grimmigen Gesichter der Angroschim machten ihr schnell klar, dass dies keine angenehme Überraschung werden würde.
«Wir wollen deinen Hochwürden sprechen», bellte Gramosch, der nicht nur Priester, sondern auch Zwillingsbruder des Bergkönigs ist. «Wir sind gekommen, um das Roglodraxin zu holen. Also bring ihn her, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!»
Ihre Gnaden Sindelsaumer war so verdattert, dass sie wider das Dogma der Praioskirche dem Befehl unverzüglich gehorchte. Anders Hochwürden Tarjok Boquoi: Der Abt der Hüter ließ die Erzzwerge in die Kapelle bitten, wo er sie auf dem Katheder stehend erwartete. Der genaue Ablauf dieser Audienz ließ sich nicht in Erfahrung bringen, doch berichtete uns einer der Diener, der in der Nähe arbeitete, dass die Zwerge wohl wenig erfreut über diese Behandlung von oben herab waren. Um so energischer und lautstarker traten sie auf, so dass der Diener mitbekam, wie sie die Herausgabe eines «drachischen Machwerks» verlangten. Deutlich habe er auch den Ruf «Lüg uns nicht an!» gehört, ein derart lästerlicher Vorwurf gegen Hochwürden Boquoi, dass der Diener es als seine Pflicht ansah, fortan an der Tür zu horchen, um als Zeuge für die Untadeligkeit des Abtes dienen zu können. Dennoch habe er leider manches nicht verstanden, viel sei von Paragraphen und Artikeln die Rede gewesen, von Kirchenrecht und Lex Zwergia, vom Primat des Götterfürsten, den die Zwerge durchaus nicht im Herrn Praios erblicken wollten. Am deutlichsten habe er gehört, wie der Angroschpriester drohte, man werde sich das Drachenzeug notfalls mit Gewalt holen - denn gleich darauf flog die Türe auf und verpasste dem Diener eine blutige Nase. Wutschnaubend stampften die Zwerge aus der Kapelle und geradewegs zu den Archivgewölben, über die sie offenbar erstaunlich gut informiert waren. Die Pforte des Treppenschachts ins unterirdische Kammersystem brachen sie ohne Federlesens auf. Im weiteren Verlauf ließen die Hüter die Angroschim passieren. Zu ihrer Verblüffung fanden die Zwerge das gesuchte Objekt offen auf einem Tisch in einer Vorkammer. Ohne ein weiteres Wort steckten sie es ein und verließen das Kloster so rasch, wie sie aufgetaucht waren. Von einem der Brüder, dessen Namen hier verschwiegen werden soll, erfuhren wir, dass Hochwürden Boquoi selbst es so angeordnet hatte.
Der greise Abt reiste wenige Tage später nach Angbar ab, um beim Fürsten Klage zu erheben. «Das wird ein äußerst spannender Gerichtsfall», soll er gesagt haben, und seine Augen hätten gefunkelt wie seit langer Zeit nicht mehr.
Worum es sich bei dem umstrittenen Objekt handelt, wollten die Hüter nicht bekannt geben. Eine Dienerin, die es gesehen hat, beschrieb es als «einen großen klaren Edelstein mit so komischen Zeichen eingeritzt». Unsere Recherchen bei diversen Magiern und Gelehrten in Angbar ergaben, dass es sich wohl um den «Sprechenden Karfunkel» handelt, welchen Abenteurer 999 BF aus einer Höhle im Amboss geborgen und den Hütern übergeben haben. Das Artefakt wurde damals als «echsischer Kristallfoliant» identifiziert. Welche Informationen in ihm gespeichert sind, hielten die Hüter selbst gegenüber Anfragen aus dem Hesindetempel stets unter Verschluss.
(Nach Augenzeugenberichten geschildert von Wengel Samonach)