Die Zweite Neufarnhainer Tafel - Ankunft der Gäste
Reto und Erborn waren gerade einmal ein halbes Stundenglas unterwegs, als sich dort aus den Nebelfetzen eine Palisade herausschälte.
”Verdammter Nebel!” und ein verächtliches Ausspucken war der kurze Kommentar von Erborn. Das schlug auch Reto aufs Gemüt, sie hatten doch tatsächlich die Nacht im Matsch verbracht, nicht einmal 2 rohalsche Meilen von einem warmen Feuer entfernt.
Reto staunte über die Wehrhaftigkeit von Neufarnhain, er selbst hatte sich ja für einen Turm, statt einer Palisade entschieden. Respekt, Herr von Borking, mal sehen wie sicher eure Palisade ist.
Als sie auf Rufweite an die Palisade herangekommen waren, rief Reto, immer noch mit schlechter Laune ob der kalten Nacht: ”Die Zwölfe und allen voran Peraine zum Gruße, Ritter von Borking erwartet uns, öffnet das Tor.”
Ramlosch, Rumlosch und Romlosch, die drei zwergischen Geschwister, die für diesen Tag zur Palisadenwache eingeteilt waren, beeilten sich auf einen Wink Edelbrechts der Bitte der Neuankömmlinge zu entsprechen. Kaum hatte sich das Tor geöffnet, da schlüpfte Edelbrecht hindurch und lief Reto und Erborn aufgeregt wie ein junger Knabe entgegen.
”Willkommen Reto von Tarnelfurt, ich bin beruhigt, dass du und dein Begleiter, seid auch ihr mir willkommen, den Ritt durch den schaurigen Sumpf wohlbehalten überstanden habt! Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ihr seid die ersten Gäste!”
Reto stutzte aufgrund dieser überschwänglichen Begrüßung durch den Borkinger, waren er und Edelbrecht doch alles andere als die besten Freunde. Immerhin hatten sie sich im vergangenen Götterlauf mehrere erhitzte Wortgefechte geliefert, nicht nur als es um Vogt Gerling, genauer gesagt Edelbrechts unverschämt unkonventionellen Umgang mit ihm gegangen war, und so fiel Retos Entgegnung durchaus beabsichtigt etwas kühler aus.
Dennoch folgten er und Erborn Edelbrecht bereitwillig zu dessen Unterkunft, die sie gerade betreten wollten, als sich eine Stimme vernehmen ließ: ”Schicke Palisade habt ihr da! Ich hoffe, ihr habt das Tor nicht vergessen...” und sich ein weiterer Ankömmling bemerkbar machte…
Robans Laune hatte sich erheblich gebessert, obwohl das Wetter noch schlechter geworden war. Auch seine Reisebegleitung war immer noch vorhanden, doch in der letzten halben Stunde hatte genau diese ihm reichlich Grund zur Erheiterung geliefert. Da hatte Danja eine Kriechpflanze übersehen und war der Länge nach in eine Schlammpfütze gesegelt. An anderer Stelle hätte ein derartiger Unfall durchaus schlimme Folgen haben können, doch die Pfütze war kaum eine Handbreit tief, dafür aber umso schlammiger gewesen.
Und jetzt sah die Magierin selbst aus wie ein Stück Moor – schwarzbraun von Kopf bis Fuß! Ausgerechnet Danja, die immer so auf ein adrettes Äußeres bedacht war, würde den Rittern völlig verdreckt gegenüber treten müssen. Das würde ein erster Eindruck!
Beim Gedanken an die Gesichter seiner Mitstreiter musste Roban schon wieder lachen. Nein, das war einfach zu köstlich, wenn Danja wie ein begossener Goblin dastand und die missbilligenden Blicke der Ritter ertragen musste. Das würde ihrem vorlauten Wesen einen anständigen Dämpfer geben!
Aus dem Nebel schälten sich die Umrisse einer Palisade. Roban blieb stehen und staunte angesichts dieses Fortschritts.
”Da scheint jemand weiter zu sein als du!” bemerkte Danja spöttisch. ”Der Siedlungsplatz des Herrn von Borking scheint etwas vorteilhafter gewesen zu sein!”
”Abwarten, Schlammschnütchen!” grinste Roban zurück. ”Einen Badezuber dürfte nicht mal Edelbrecht schon sein Eigen nennen!”
”Ist gar nicht notwendig, Wohlgeboren!”
Die Maga hob eine Braue.
”Ich wollte Euch nur nicht den Spaß verderben. SAPEFACTA!”
Robans Mund blieb offen stehen, als sämtlicher Dreck von Danjas Kleidung fiel. Binnen Sekunden war sie sauber, als käme sie direkt aus dem Bad und die Kleider von der Waschfrau.
”Potzblitzogerarschverdammtehexerei!” knurrte er ärgerlich. ”Du gönnst mir auch gar nichts!”
Bis auf Rufweite näherten sie sich der Palisade.
”Rondra zum Gruß!” röhrte Roban dann und begehrte in der oben erwähnten Art und Weise Einlass.
Schnurstracks machten Edelbrecht, Reto und Erborn kehrt, um auch Roban und Danja, die soeben von den Zwergen eingelassen wurden, zu begrüßen.
”Prächtig”, rief Edelbrecht schon von weitem. ”prächtig, Roban, dass Ihr es auch bereits heute geschafft habt! Und wie ich sehe in charmanter Begleitung, ich bin entzückt.”
”Wartet nur, bis Ihr die charmante Begleitung kennen gelernt habt”, schmunzelte Roban ”dann nehmt Ihr die Worte sofort zurück” und reichte Edelbrecht seine rechte Hand.
Mit einem Handschlag gab sich Reto nicht zufrieden, bei der Begrüßung eines Waffenbruders. So nahm er die ausgestreckte Rechte von Roban, nachdem dieser Edelbrecht begrüßte hatte, zog ihn an seine Brust heran und klopfte ihm mit der Linken auf den Rücken.
”Roban, die Zwölfe mit dir! Wie ist es dir auf deinem Hügel im Sumpf ergangen? Ich freue mich schon auf den kommenden Abend am Kaminfeuer.”
Dann trat er ein paar Schritte zurück und ließ Roban seine Vorstellung beenden, wer war wohl diese Dame an seiner Seite?
”Um euch dennoch bekannt zu machen, dies ist der Ritter Edelbrecht von Borking, aus einem wohl angesehenen, alten koscher Adelshaus.”
Edelbrecht quittierte die Worte mit einer angedeuteten Verneigung in Danjas Richtung, wobei er die hübsche Dame nicht aus den Augen ließ.
”Der Herr daneben ist Reto von Tarnelfurt, der die Siedlung Therbunja errichtet hat, mit seinem Begleiter Erborn Donnerbacher.”
Auch diese beiden grüßten freundlich.
”Und dies hier ist Danja Salderken, Magierin von der Halle des Quarksilber, nee, Drecksilbers, auch nicht...ach, Danja, mach das lieber selbst, ich bring das nicht hintereinander!”
”Wie Ihr wünscht, Wohlgeboren.” Die Maga verbiss sich gut sichtbar ein breites Lachen. ”Von der Academia Magica Transformatorica Festumiensis, gemeinhin auch bekannt als Halle des Quecksilbers zu Festum. Ich weile derzeit zu Forschungszwecken in Hohentrutz und stehe dem Herrn Grobhand von Koschtal bisweilen administrativ zur Seite. Ich für meinen Teil hoffe nicht, dass Sie Anlass finden werden, Ihre freundlichen Worte zurück zu nehmen.”
Die Magierin verneigte sich angemessen, aber nicht unterwürfig.
Edelbrecht legte die Stirn in Falten und musterte Danja streng.
”Sicherlich nicht, solange Sie mir verspricht, hier auf jegliche magischen Tricks zu verzichten. Derlei sehen wir in Neufarnhain nicht gern.”
Doch dann entspannten sich Edelbrechts Gesichtszüge wieder und so fuhr er fort, nachdem Danja Retos Frage mit einem nichtssagenden Schulterzucken quittiert hatte
”Wie dem auch immer sei, darf ich euch alle zu einem heißen Kräutersud in meinen bescheidenen vier Wänden bitten? Ich denke, Leubold wird bereits alles gerichtet haben. Außerdem kann ich nunmehr endlich ein Versprechen wahr machen und euch zu späterer Stunde ein Bier anbieten, das für die hiesigen Umstände, wie ich finde, gar nicht übel ist. Und vielleicht mögt ihr euch nachher ja ein wenig umsehen. Im Übrigen hätte ich mit dir, Reto, einiges Geschäftliches zu besprechen, wenn du erlaubst, Roban, wobei Ihr uns natürlich gern Gesellschaft leisten könnt.”
”Regelt Ihr zwei erst mal Eure Geschäfte”, winkte der Koschtaler ab. ”Falls es Euch nicht stört, sehe ich mir Neufarnhain mal aus der Nähe an. Ist ja ganz hübsch geworden seit unserer letzten Mahlzeit an diesem Ort.”
”Na, herzlich gern, tut Euch keinen Zwang an, Roban”, antwortete Edelbrecht. ”Wenn ihr erlaubt, werden wir euch und Danja rufen lassen, wenn wir fertig sind, und” so fügte er augenzwinkernd hinzu, ”sollte euch die Zeit doch zu lang werden, das dort drüben ist ‚Der Findling’, unser hiesiger Ausschank.”
Sprach’s und trat rasch mit Reto von Tarnelfurt und Erborn Donnerbacher in die Kate, die wohl die Unterkunft des Ritters war.