Von Reiterkunst & Ringstechen
◅ | „Des guten Fürsten 50. Tsatag“ |
|
Die schwarze Ritterin | ▻ |
Von Reiterkunst & Ringstechen
Es ist alte Tradition — nicht nur in Kosch —, daß bevor die gepanzerten Ritter gegeneinander in die Schranken treten, sie zufürderst ihre Rösser und Reitkünste und Geschicklichkeit mit der Lanze demonstrieren, den hochedlen Zuschauern und dem Volke zum Pläsiere und um sich Respekt zu schaffen bei ihren kommenden Gegnern. Aber längst nicht bei allen Rittern war dieser Wettbewerb beliebt, stellvertretend für manch andere äußerte sich Vogt Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm lautstark über diese Modedisziplin: „Ein solches Herablassen zur Unterhaltung des Pöbels ist eines Ritters unwürdig; er soll im Kampf brillieren und nicht in Akrobatenstücken!“
Sechsunddreißig Rittersleut, denn nur diese waren hier zugelassen, traten an zu diesem Wettstreite und auch den besten der anwesenden Knappen wollte der Turniermarschall die Gelegenheit geben, ihre schon erworbenen Künste zu zeigen, so daß deren vier erlaubt wurde, bei diesem Wettkampfe anzutreten.
Gestochen wurde mit stumpfen Turnierlanzen auf Ringe aus Stroh, umflochten mit Bändern in Schwarz und Grün, den Farben des Hauses Eberstamm. In der ersten Runde hatten die Ringe einen Durchmesser von einem und einem halben Spann, in den Entscheidungsdurchgängen sollten die Ringe nur noch einen Spann durchmessen.
So sollte dieser erste Wettbewerb beginnen:
Torjin von Illmensen, einer der Ritter aus dem fernen Bornelande, ward auserkoren, als Erster in die Bahn zu reiten. Trotz dieses Umstandes gaben Reiter und Roß keinerlei Nervosität zu erkennen. Der gewaltige Tralloper Riese bäumte sich gewaltig auf, so daß auch weiter entfernt Stehende noch die Erde erzittern spürten. Und das Pferd stürmte gewaltig nach vorne, allein, Herr von Illmensen war noch nicht bereit und erhielt nicht einmal die Chance, den ersten Ring anzuvisieren, auch den zweiten verfehlte er. Den dritten vermochte er gekonnt zu erringen, doch schon näherten sich dem dahingaloppierenden Streitroß die Tribünen auf der anderen Seite und der Reiter mußte sein Pferd zügeln, um die Zuschauer nicht zu gefährden, worauf er auch die letzten beiden Ringe verfehlte. Eine schwache Ausbeute zwar, dennoch mit Applaus bedacht vom Publikum.
In schneller Folge kamen nun die Reiter und bereits dem vierten Starter, dem weidener Ritter Berylius von Mallaith gelang es, alle fünf Ringe zu erlangen, wobei er den fünften mit einem Lächeln um die Spitze seiner hocherhobenen Lanze rotieren ließ.
Viele Ritter versuchten, sich gegenseitig in ihren Reitkünsten zu überbieten, manchmal gar so sehr, daß das Erlangen der Ringe in den Hintergrund zu treten schien. Am deutlichsten demonstrierte dies Bosper von Bergenhus-Schnattermoor. Der Kanzler von Tobrien fegte mit seinem Schimmelhengst wie der Wind dahin, errang die ersten zwei Ringe in beeindruckender Weise und Jubel brach hervor auf den Rängen und der Ehrentribüne, worauf sich der Edelmann höflichst zu seinem Herzog hin verneigte — und die letzten Ringe zu stechen vergaß.
Jedoch verstand es nicht jeder das Publikum derart gut zu unterhalten. Manch einem Reiter gelang es kaum, sein Pferd richtig in Bewegung zu setzen, und so ritten einige nur im gemächlichsten Galopp über die Bahn — wollen wir hier nicht behaupten, sie hätten dies mit Absicht getan, um möglichst viele Ringe zu erlangen. Als jedoch ein junger Junker aus dem Kosch seinen Fuchs nur im Schritt zu den Ringen führte und alle fünf von ihren Bändern riß, gellten Pfiffe und unverhohlener Mißmut über den Turnierplatz, und von der entgegengesetzten Seite ritt jedoch plötzlich ein schwarzgewandeter Kämpe mit erhobener Lanze heran.
Viele erkannten sofort den grünen Drachen vor dem dreigeteilten Schild von Schwarz-Silber-Rot, das Wappen des Barons Karras von Roterz. Wollte der Turniermarschall jetzt nun doch an den Wettkämpfen teilnehmen, den Regeln zum Trotze?
Karras von Roterz senkte seine Lanze und hielt im Galopp mit seinem nachtschwarzen Roß Inphobo auf den erschrockenen Junker zu und hatte wenige Augenblicke später die Ringe (und daran die Lanze des Junkers) mit der eigenen aufgespießt. Er zügelte den Rappen und sprach zu dem Junker: „Wenn Ihr Eure Ringe wiedererlangen wollt, nur zu! Ich stehe Euch mit Roß und Lanze gerne zur Verfügung. Doch rate ich Euch, lernt zufürderst besser zu reiten“, und Jubel brach hervor von allen Seiten.
Der Junker sah sich gehetzt um, er blickte zum Richter Araton, der dastand wie ein Fels und zurück zu dem ebenfalls versteinerten Antlitz des Barons, der als großartiger Kämpfer weithin bekannt ist, und ritt schließlich unter Schmährufen vom Felde und ward dieser Tage bei Angbar nicht mehr gesehen. Die Ringe warf der Baron dem Volke zu. Der Name des Junkers mag hier ungenannt sein, wollen wir doch seine Schande nicht noch weiter verbreiten.
Nach der ersten Runde hatten schließlich zwölf Reiter alle fünf Ringe erlangt, Ritter Bran Chirk vom Widderbach gelang sogar das Kunststück, jeden Ring im Sprung zu nehmen. Andererseits widerfuhr zwei Reitern aber auch das Mißgeschick, von ihren Pferden zu stürzen, als sich diese bemühten, ihre Rösser zu präsentieren und Burgsaß Kuniswart von Eberstamm konnte sich kaum beherrschen und lachte lauthals auf, als dies dem Ritter Trest von Vardock unterlief, denn mit dem Gefolgsmann des Vogts von Treublatt ist er wahrlich nicht gut Freund.
Anschließend ritten die vier Knappen heran: Rena von Arbasien, Kungert vom Hochfeld, Japert von Sindelsaum-Angbar und Djasel von Halberg-Kyndoch. Auf der Tribüne sah man alsdann Baron Gugi Ronem el‘Kara von Arbasien aufspringen und rufen: “Was machst Du denn da?!“
Doch Rena machte sich inzwischen bereit als erste der Knappen ihr Glück zu versuchen und verfehlte gleich den ersten Ring, abgelenkt von ihres Vaters Rufen (der von Graf Growin von Ferdok wieder hinab auf seinen Sitz gezogen wurde). Die restlichen vier hingen aber bald an ihrer Lanze, die sie daraufhin ihrem Vater präsentierte, der sie dazu nur beglückwünschen kann, und sogar Obristin Govena Glaldis von Hirschingen-Berg erhebt sich zum ersten Mal an diesem Tage und applaudiert ihr, wie auch die Herzogin Faduhenne von Tobrien.