Unter Schurken - Tannenzapfen

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Hinterkosch, 1021

Mit knappen Worten wurde beratschlagt, ob man die Kutsche unbewacht zurücklassen könne. Doch diese war derzeit ohnehin nutzlos, und angesichts des geheimnisvollen Gegners würde wohl jeder Schwertarm nötig sein. So packte man lediglich eilig das nötigste an Proviant in die Taschen und folgte dann wieder der Fährte. Sie führte geradewegs in zunehmend dichter werdenden Nadelwald. Unangenehm, wenn auch in gelegentlichen Sonnenstrahlen bunt glänzenden Wolken, rieselte der Schnee von den beladenen Ästen. Wenigstens wurde hier der beißende Winterwind abgeschirmt, leider jedoch von Schritt zu Schritt auch das Sonnenlicht, so daß der Weg in schattigem Zwielicht nur erahnt werden konnte. Die Spuren jedoch waren dank jagderfahrener Augen noch immer im Waldboden zu lesen. Umso überraschter zeigten sich die Streiter, als die Fährte plötzlich endete.
“Wie kann das sein? Der Boden ist hier genauso fest oder locker wie zuvor“, bemerkte der Baron mit seinen ersten Worten seit langer Zeit, der zunehmend langsameren Schrittes gegangen war, und seit dem Morgen offenbar wenig von seiner Müdigkeit verloren hatte. Die Frage des Vinansamters sollte jedoch rascher beantwortet werden, als diesem lieb war, denn binnen kürzester Augenblicke prasselten Tannenzapfen auf die Versammelten nieder. Auf den Bäumen wurden schrille Rufe laut, die ebenso von dutzenden Schelmenkindern hätten stammen können, und vielleicht waren es ja auch welche, die unsere Helden unter Beschuß genommen hatten. Zu sehr waren diese nun damit beschäftigt, sich in Deckung zu begeben, als daß sie in die Wipfel blicken und ihren Gegner hätten betrachten können.
Kichernd wurden die Flüchtenden verspottet, die sich wild fluchend in verschiedene Richtungen begaben, um von dort in Ruhe die Lage überblicken zu können. Ein höhnisches Lachen, das erst verklang, als einer der Großlinge strauchelte und reglos liegenblieb, was die anderen Großlinge offenbar in ihrer Hast nicht bemerkten.
Das hatte man nicht gewollt! Die Großlinge sollten doch nur aus ihrem Wald vertrieben werden, wenn man nun aber einen erschlagen hätte, würden die anderen zurückkehren, mit vielen anderen, und sie würden ihre Klingen der Rache schwingen! Nein, das durfte nicht geschehen!
Ein Ruf der Anführerin, und der Angriff wurde eingestellt. Die kleinen Wesen stiegen langsam von ihren Bäumen und traten besorgt an den Gestrauchelten. Baron Merwerd lag mit seinem Gesicht im Schnee, als die Häuptlingin der Goblins vorsichtig an ihn herantrat und seine Verletzungen untersuchte. Offenbar war es doch keiner der Tannenzapfen, die ihn verletzt hatten, vielmehr schien er bereits zuvor verwundet worden zu sein, so daß er nun am Wundfieber litt.
Falk, Wolfhardt und Rena hatten sich inzwischen aus ihren jeweiligen Zufluchtsorten gewagt, und versuchten, die Zapfenwerfer ausfindig zu machen. Sie erkannten eine größere Gruppe von Goblins, zu viele um sie zu viert angreifen zu können, die sich um etwas oder jemanden scharten und dieses auf die Entfernung unerkennbare Etwas fortschleiften. Den Baron wähnten sie zunächst in einem ebenso sicheren Versteck wie sich selbst. Erst zaghafte Schritte, die näher an die Meute führten, ließen deren Beute erkennen.
Wolfhardt mußte einen wütenden Fluch unterdrücken, der ihn verraten hätte. Vielmehr folgte er lieber seinem Verstand, der ihm befahl, den Rotpelzen möglichst unerkannt zu deren Versteck nachzugehen – eine Einsicht, der auch Rena und Falk folgten, so daß man sich nach einer Weile in der Nähe einer kleinen, gut versteckten Höhle wiederfand und die weitere Vorgehensweise zu dritt besprechen konnte.
Man entschied sich dafür den Großteil der “kleinen Stinker“ (wie Falk die Goblins nannte) von der Höhle zu locken, damit die anderen zwei eine größere Chance hatten, an den Baron heranzukommen und diesen zu befreien. Falk übernahm freiwillig die Aufgabe, für Ablenkung zu sorgen, und stapfte entschlossen Richtung Waldrand.
Rena und Wolfhardt blickten etwas zweifelnd hinterher, ließen ihn aber gewähren, da er auch bei der Befreiungsgruppe leicht Schaden hätte anrichten können. Schon bald begann aus einer nahegelegenen Schlucht das Dröhnen eines Wengenholmer Bockschützenjodlers zu erklingen: offenbar hatte Falk eine günstige Stelle für ein wahrhaft ohrenbetäubendes Echo gefunden, das seinen Ruf derart verstärkte, daß man ebenso eine Tausendschar in den Bergen hätte vermuten können.
Rena konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, als sie das vergnügte “Johudeldijudeldiö“ des Ritters vernahm, Wolfhardts Blick zeugte dagegen von tief verletztem Hesindianergefühl. Dennoch, der Ruf aus dem Berg (zu dem sich inzwischen der Klang von Sohlengeplattel gesellt hatte) verfehlte seine Wirkung nicht, begannen doch schon bald nahezu alle Goblins erst verwundert, dann kampfbereit die Höhle zu verlassen, so daß die Ferdokerin und der Wiesner sich dieser behutsam nähern konnten. Man schlich an eine kleine Öffnung, aus welcher Rauch stieg und die den Blick in das Innere der Höhle freimachte. Darin erkannte man einige weibliche Rotpelze, welche offenbar damit beschäftigt waren, Sud und Brei zu kochen und diesen in Schüsseln der knochenbehangenen Häuptlingin zu überreichen.
“Die Gelegenheit ist günstig“, flüsterte der Landt-Edle entschlossen, “wenn wir länger warten, werden die anderen zurückkommen.“
“Wartet!“
Rena zog ihr Gegenüber am schwerthaltenden Arm und blickte weiter gespannt durch den Kamin. Dort sah man die alte Anführerin zu einem mit Pelzen überdeckten Mann schreiten: es war zweifellos der noch immer bewußtlose Baron. Behutsam flößte sie diesem etwas von dem Kräutersud ein.
“Sie hilft ihm! Ich denke, wir sollten mit ihr lieber das Gespräch statt eines ungleichen Kampfes suchen“.
Zögernd stimmte Wolfhardt Renas Vorschlag zu. So enschlossen sich die beiden, ihre friedliche Absicht damit zu unterstreichen, ohne jedwede Bewaffnung in die Höhle zu treten, und dabei waren sie sich im Klaren, daß das durchaus ein böses Ende nehmen konnte. Mit der Eile gebietenden Sorgfalt wurden also Schwert und Dolch unter ein paar Tannenästen vergraben, schließlich wollte man sich bei einem hastigen Aufbruch die Möglichkeit bewahren, auf die Klingen zurückgreifen zu können. Noch einmal atmete die Ritterin die klare Luft kräftig ein und bedeutete Wolfhardt mit einem gewisperten “Auf geht’s!“ ihr zu folgen.