Unter Schurken - Schläfer

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Hinterkosch, 1021

Wolfhardt? Wolfhardt! Wolfhardt, so...“
Über sich sah der Edle im Fackelschein das Gesicht Renas, in dem Besorgnis Erleichterung wich.
“Endlich! Eure Wache ist längst vorbei. Ihr seid eingeschlafen, hier draußen, in der Kälte!“
Sie zog den verblüfften Wolfhardt in die Hütte, gab ihm aus einer Feldflasche zu trinken und begann seinen Oberschenkel zu reiben – ohne jede Zärtlichkeit.
“So, feste, tut es mir nach, daß Euer Blut wieder warm wird.“
Seufzend gehorchte Wolfhardt, und spürte schnell die Wirkung. Ganz so arg, wie Renas Entsetzen ihn zuerst glauben ließ, hatte es offenbar doch nicht um ihn gestanden. Er blickte zu ihr auf, um sich zu bedanken. Aber die Ritterin war schon wieder halb aus der Tür, als sie sah, daß es ihm besser ging.
“Ich nehme die letzte Wache, mehr brauchen wir nicht mehr. Ruht Ihr noch etwas.“
Ob sie sein “Danke“ schon nicht mehr hörte oder schweigend überging, wußte Wolfhardt nicht. Vorwürfe machte sie ihm am nächsten Morgen nicht, auch keiner der anderen – bis er von dem Feuer in der Nacht erzählte.
“Wolfhardt, Ihr habt tief und fest geschlafen. Das habt Ihr allein im Traum gesehen!“
Rena wollte ihm nicht glauben, und auch der Baron blickte skeptisch.
“Wir gehen zurück bis zu der Stelle, wo wir die Spur verloren haben, und suchen dort weiter, sage ich. Der Zwerg wird ja wohl nicht mehr zurückkommen, es sei denn, mit einer Horde finsterer Schergen im Gefolge.“
Aber je mehr die anderen zweifelten, desto stärkte fühlte Wolfhardt, die richtige Fährte gefunden zu haben.
“Ihr mögt recht haben, Rena, vielleicht habe ich geschlafen, aber das war ein Fingerzeig“, behauptete er kühn.
“Das ist doch widersinnig, bester Wolfhardt“, entgegnete der Baron. “Jergenquell hat einen Bierkarren und keinen Hexenbesen. Könnt ihr mir erklären, wie er den Berg hinauf und um jene Schlucht dort drüben gefahren sein soll?“
“Er mag ja einen anderen Weg genommen haben, Hochgeboren, aber jetzt ist er dort oben“, beharrte Wolfhardt. “Ich habe doch das Licht gesehen. Und welche Spur haben wir denn sonst? Wir sollten dort nachsehen, sonst können wir die Suche nach dem Jergenquell gleich abbrechen.“
“Nix!“ fuhr Ritter Falk dazwischen. “Der Schurke kommt nicht weit, der hat mein Roß geklaut und obendrein Bier gepanscht. Nix, da gehen wir hin, wo der Herr Wolfhardt das sagt. Ich hab das auch manchmal, daß ich nicht genau weiß warum, aber dann ist es doch so. Wenn der Jergendings mit den Graubolden und Schneehexen im Bunde ist und wir den Weg deshalb nicht wiederfinden, dann hat uns bestimmt Väterchen Ingerimm einen Fingerzeig gegeben, weil wir gute Koscher sind.“
“Aber...“.
Dem Monolog des Munkelsteiners hatte Merwerd Stoia nichts mehr entgegenzusetzen, zumal die beiden Ritter schon ihr verbliebenes Gepäck geschultert hatten und bergauf stapften, dem fernen Gipfel entgegen, auf dem Wolfhardt das Feuer gesichtet haben wollte. Der Vinansamter schaute zu Rena. Die zuckte mit den Schultern.
“Was sollen wir tun?“
“Wenn Falk die Lanze oder den Bierkrug im Anschlag hat, dann kann ihn nichts mehr von seinem Ziel abhalten, hat der alte Myros immer gesagt, außer einem Zauber oder einer guten List vielleicht. Aufs Zaubern versteh ich mich nun leider recht wenig, Rena, so daß uns alsbald ein Einfall kommen muß“, gab Merwerd wenig hoffnungsvoll zur Antwort. In der Tat: die beiden Ritter hatten unbeirrt ihren Weg fortgesetzt.
“Aber was?“
Eine ganze Weile überlegten sie, dann ergriff Rena wieder das Wort.
“Uns bleibt wohl nichts anderes übrig.“
Merwerd nickte resignierend.
“Aber laßt uns vorher noch einmal in der Hütte nachschauen. Vielleicht finden wir doch noch einen Hinweis.“
In der Nacht hatten sie das nicht noch nicht getan, weil sie jeden Augenblick auf die Rückkehr des Zwergen hofften. Jetzt schien die Rena mißliebige Schnüffelei tatsächlich ein vernünftiger Rat zu sein. Als sie schließlich den Rittern folgten, hatten diese einen gehörigen Vorsprung gewonnen und waren nur noch als dunkle Gestalten vor der gänzlich weißen Berglandschaft zu erkennen, kaum größer als einer der Rabenvögel, deren Krächzen sie von Zeit zu Zeit vernahmen. Nur langsam verkürzten sie den Abstand zu den Gefährten.