Heerzug gegen Haffax - Sturm auf Mendenas Mauern
30. Rhaja 1039, vor den Toren Mendenas in Tobrien
Daria von Angenfurten hatte Mühe das Zittern in ihren Händen zu unterdrücken. Sie hatte bereits an einigen kleinere Gefechten und Belagerungen teilgenommen, aber selbst der Kampf um das Flusskastell war ein Kinderspiel gewesen im Vergleich zu was ihnen hier bevorstand.
Daria stand in der vierte Reihe des Wengenholmer Aufgebots. Nach einer kurzen Rede des Grafen, dem die Anspannung ebenfalls deutlich anzusehen war ertönten die Hörner und die Koscher rückten vor. Über ihren Köpfen zischten Katapultgeschosse und immer wieder verkündeten grauenvolle Schreie einen Treffer. Die Koscher beschleunigten ihren Schritt, aber es war noch zu früh um mit dem rennen zu beginnen, denn immerhin trugen sie zahlreiche Sturmleitern mit sich. Ein Kommando, auf Rogolan gebrüllt, übertönte für einen kurzen Moment den Lärm und als Antwort begannen die Bergschützen damit die Stadtmauern mit ihren Armbrüsten und bald auch Hornissen zu bestreichen. Ihnen antworteten die Verteidiger Mendenas mit einem Pfeilhagel. „Schau jetzt bloß nicht hoch.“ Hörte Daria vor sich ihren Knappenvater. Ihr ganzer Körper spannte sich an, als sich das zischen der Pfeile näherte, aber sie hielt ihren Kopf nach unten gerichtet. Ein Pfeil ins Auge zu bekommen war das letzte dass sie jetzt brauchen konnte. Neben ihr strauchelte ein Kämpfer schreiend zu Boden, doch sie hielt Schritt. Einmal mehr ging eine Salve der Bergschützen über ihre Köpfe. „Auf ihr Koscher!“ rief Graf Jallik und nun begannen sie alle zu rennen. Die ersten Leitern gingen gegen die Mauern an und die Koscher begannen damit die Mauern zu erklimmen. Steine und kochendes Wasser begrüßten sie und so manche Leiter wurde umgestoßen. Daria gelangte als vierte, oder fünfte Person an ihrer Leiter auf die Mauer. Zwei der Vorangegangenen lagen bereits tot zu Boden, während die anderen beiden sich gleich dreier Angreifer erwehrten. Noch hatten die Verteidiger Daria nicht bemerkt und so hieb sie einer jungen Frau ihre Axt in die Seite. Ein weiterer Stoß mit der Axt stürzte die Frau schreiend vom Wehrgang. Einer der anderen Verteidiger war von dem Schicksal seiner Kameradin kurz abgelenkt und bekam ein Schwert über den Hals gezogen, doch es standen noch mehr als genug Verteidiger bereit und so stürzte sich Daria auf ihren nächsten Gegner.
Alvide von Eichental betrachtete den Sturm auf die Mauern Mendenas vom Rücken ihres Pferdes herunter. Der Wehrmeister hatte sie gebeten gemeinsam mit den übrigen Schlachtreitern als Reserve zu warten, vermutete er doch, dass die Feinde Reitertrupps in den Vorstädten versteckt hatten um den Angreifern in den Rücken zu fallen. Die Koscher selbst hatten über einen offenen Bereich angegriffen, aber unweit ihres Bereiches waren zahlreiche Fachwerkhäuser zu sehen. Kleine Stoßtrupps der Koscher waren in diese Bereiche geschickt worden, aber bisher war noch keiner von ihnen zurückgekehrt. Der Kampf um Mendena konzentrierte sich eindeutig auf die Stadttore, hier starben die Kämpfer des Reiches zu hunderten, aber auch die Koscher mussten einen hohen Blutzoll zahlen. Immer mehr Verwundete schleppten sich zurück von den Mauern. Die Mehrzahl der Verteidiger im Abschnitt der Koscher waren einfache Bürger, oder Landleute, doch sie kämpften mit dem Mut der Verzweiflung und bei ihnen waren auch einige Paktierer, erfahrene Söldner und nicht zuletzt einige Dämonen die immer wieder Schneisen in die Koscher Reihen trieben, bis sie ihr Ende durch magische, oder karmale Kraft fanden.
In einem Teil der Vorstädte waren Feuer ausgebrochen und ein Koscher Stoßtrupp schien vor den Flammen zu fliehen. Unter den Fliehenden waren zahlreiche Verwundete und sie blickten immer wieder gehetzt über ihre Schultern. Kurz darauf wurde der Grund klar als ein Trupp Reiter in Sicht kam.
„Edelfried, Berndrich, Bohemund, Polter und Eckbart mit mir.“ Rief Alvide und brachte ihr Pferd aus dem Stand in vollen Gallop. Neben ihr donnerten die Hufe der gerufenen Schlachtreiter. Die fliehenden Koscher versuchten den Reitern auszuweichen und so manch einer der Reiter musste waghalsige Manöver reiten um nicht ihre eigene Leute niederzureiten, dann waren sie auf freiem Feld. „Lanzen“ rief Alvide und die Schlachtreiter senkten ihre Lanzenspitzen. „FÜR FÜRST UND SANKT BADUAR“ erscholl es aus ihren Kehlen. Der Wind pfiff ihnen um die Ohren und Alvide konnte kaum mehr sehen als sie auf den Feind trafen. Ihre Lanze ging glatt durch einen der feindlichen Reiter. Alvide ließ den Lanzenschaft sofort fallen, sonst hätte sie sich auf dem Boden wiedergefunden, und zog ihr Schwert. Ein wilder Hieb nach rechts ging ins leere, dann war sie schon an den Feinden vorbei.
„VORWÄRTS“ tönte es hinter Daria und jemand stieß ihr unsanft in den Rücken. Nach einem blutigen Kampf auf den Mauern waren die Koscher endlich in die Straßen vorgedrungen, aber erneut stellten sich ihnen Feinde entgegen. Daria hatte den Anschluss an ihren Knappenvater verloren und war nun bei einem Haufen fürstlicher Söldlinge der Kompagnie Marschall Geldor. Irgendjemand hatte ihr eine Hellebarde in die Hand gedrückt. Sie war in der sechsten, oder siebten Reihe. Vom Kampf selbst konnte sie nicht viel mehr als das heben und senken zahlreicher Hellebarden sehen. „VORWÄRTS“ ertönte es erneut und die hinterste Reihe machte einen Schritt nach vorne und stieß die Vorderleute nach vorne, die dann wiederum ihre Vorderleute stießen. Beim ersten Ruf hatte Daria nicht gewusst wie ihr geschah und sie hätte um ein Haar ihren Stand verloren, aber nun hatte sie sich daran gewöhnt. „VORWÄRTS“ tönte es erneut und erneut stieß Daria ihren Vordermann nach vorne. Noch einmal ertönte der Ruf, doch dann war der Druck in ihrem Rücken mit einem Mal weg. Sie waren durch die Reihen der Verteidiger durchgebrochen.
Bis zum Abend hatten Alvide und die Schlachtreiter noch einige Male anreiten müssen um den Feind daran zu hindern die Verwundeten niederzureiten, oder die Geschütze der Koscher auszuschalten.
Berndrich vom Grauen Schild war bereits beim ersten Kampf gestorben. Viele weitere waren ihm seither gefolgt.
Es war bereits spät am Abend als endlich der Sieg erklärt wurde, aber vor den Toren der Stadt wollte kein rechter Jubel aufkommen. Zu viel Blut hatte den Boden Tobriens getränkt um in Freudentaumel zu verfallen.