Ankunft in Moorbrück - 13. Phex 1032 BF

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1032 BF, Birkendamm

Edelbrecht erwachte in aller Frühe und blickte auf die Frau neben sich, die keine Anstalten machte, ihren Schlaf zu beenden. Nun, sollte sie nur schlafen, sicherlich gäbe es heute noch genug zu tun, wo sie anpacken müsste.
Der junge Borking machte sich rasch ein wenig frisch und verließ dann die Kammer, nicht ohne noch schnell einen Blick auf Devota zu werfen. Es galt ein Versprechen einzulösen und sicherlich wäre es besser, den Vogt aufzusuchen, noch ehe all die anderen Ritter erwacht wären. Edelbrecht wollte es nicht an die große Glocke hängen, dass er – kaum einen Praioslauf auf Burg Birkendamm – sein Herz an eine einfache Dienstmagd verloren hatte. Sein Vater würde ihm was erzählen…
So durchkämmte Edelbrecht die Burg auf der Suche nach dem Vogt und stieß dabei auf Roban Grobhand von Koschtal, dem man ansah, dass seine Nacht weniger erholsam gewesen war als die Edelbrechts. Trotzdem grinste er ein wenig schief.
„Nun, Herr Edelbrecht, schon wieder auf der Suche nach etwas Essbarem? Ihr habt nicht nur die Statur eines Bären, sondern auch dessen Appetit, wie mir scheint!“
Edelbrecht von Borking schluckte eine bissige Erwiderung bezüglich der Tischmanieren des Koschtalers herunter, die kaum besser waren als jene besagten Wildtieres, und fragte statt dessen, ob sein Gegenüber eine geruhsame Nacht verbracht hatte.
Roban hob gleichmütig die Schultern.
„Nicht besonders. Seit Tobrien plagen mich gelegentliche Alpträume, in denen mich alte Gefährten als Untote jagen. Die Reise durch das Moor und der ständige Geruch der Fäulnis haben wohl das ihre dazu beigetragen, dass die verwesenden Horden auch heute Nacht wieder hinter mir her waren! War für eine knappe Stunde draußen und habe einen Schwatz mit den Wachen gehalten, eine Pfeife geschmaucht...dann war es besser. Und selbst? Hat Boron Euch eine angenehme Nachtruhe geschenkt?“
Edelbrecht nickte wortlos – Details musste der grobschlächtige Koschtaler nicht wissen, und der schien an solchen auch nicht wirklich interessiert.
Stattdessen lenkte Borking das Gespräch rasch auf einige Belanglosigkeiten, nur um es schnell zu beenden. Nach einer knappen Verbeugung gegenüber seinem Gesprächspartner, verabschiedete er sich von Roban und machte sich weiter auf die Suche nach dem Vogt.
Als Reto erwachte und sich streckte, war Erborn schon wach, angezogen und stand an einem kleinen Fenster oder besser Schießscharte und schaute nach draußen ins Moor.
„Was meinst du, Erborn, wird sich hier genug Jagdbares finden lassen? Bis die erste Ernte soweit sein wird, sind wir auf dich angewiesen, guter Freund.“
„Da braucht ihr euch, denke ich, keine so große Sorgen zu machen, Wohlgeboren. Habe eben schon ein paar Wildschweine hören können, davon müsste es einige hier geben. Außerdem, wenn ihr unsere Siedlung in der Nähe eines Waldes gründet, dürfte auch Rotwild zu jagen sein. Sagt, habt ihr schon einen Namen für die Siedlung?“
Reto hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass Erborn ihn immer förmlich ansprach, wenn sie nicht alleine waren.
„Da es ja seid gestern feststeht, dass ich den Namen bestimmen darf, habe ich mir tatsächlich Gedanken gemacht… ich glaube ich werde die Peraine nahestehenden Therbûniten ehren und unseren Weiler THERBUNJA nennen, was hältst du davon?“
Erborns Meinung war ihm wichtig.
„Ihr verdankt ihnen eurer Leben nach der schweren Verletzung in Ilsur. Ein sehr schöner Zug von euch, es ihnen so zu danken.“
„Da kann ich nur zustimmen.“
Perainfried erhob sich ebenfalls von seinem Lager.
„Nun denn, so ist es beschlossen, nun müssen wir nur noch den rechten Platz für Therbunja finden. Ich denke, wir sollten uns zum Frühstück in die große Halle begeben.“
Kurz darauf waren die drei dann auch schon auf dem Weg dorthin.
Boromil erwachte, nahm sich jedoch ausgiebig Zeit, um sich zu waschen und sein Haar zu richten. Sollten die anderen ruhig schon frühstücken - er hatte keine Lust, den Tag gleich abgehetzt zu beginnen. Außerdem würden sie heute mit gemeinem Volk in den Sumpf gehen - da konnte er es sich nicht leisten, ungepflegt auszusehen. Die einfachen Menschen mussten schon rein äußerlich sehen können, wer von edlem Geblüt war.
Er nutzte die Zeit, um gleichzeitig darüber nachzudenken, was ihn heute erwarten würde. Vermutlich würde sie Bolzer Spatenschwingh führen. Es hieß ja, der Torfstecher kenne die Wege durchs Moor wie kein anderer. Der Mann kam ihm ein wenig verschroben vor, aber er musste fähig sein, sonst hätte er in dieser Gegend nicht ständig in den Sumpf ziehen und überleben können.
Noch einmal rief sich Boromil ins Gedächtnis, dass er jeden Standort genau begutachten musste, auch wenn alle für eine Siedlung geeignet wären. Nachdem er sich ordentlich angekleidet hatte, stieg er die Treppe zur Halle hinab, um - wahrscheinlich als letzter - ein Morgenmahl einzunehmen.
Da Vogt Gerling noch nicht in der Halle war und auch sonst nichts auf ein vorbereitetes Frühstück hindeutete – die Bediensteten hatten vielleicht nicht damit gerechnet, dass die Gäste nach der beschwerlichen Anreise schon so früh auf den Beinen sein würden -, ging Roban erst einmal ins Freie und holte tief Luft.
Phex hatte auch heute das Land wieder fest im Griff, dicke Nebelschwaden lagen über dem Sumpf, als wolle der listige Gott dort etwas verbergen. Vielleicht wollte er aber auch den Sterblichen einfach nur den Anblick ersparen.
Er rief den Wachen auf den Mauern einen kurzen Gruß zu, entfachte seine Pfeife und erklomm dann selbst den Wehrgang, um seinen Blick über das Gelände schweifen zu lassen, auch wenn nicht viel zu sehen war. Mit ein wenig Glück würde aber das Praiosauge mit vorrückender Stunde Phexens Nebel ein wenig lichten, dann konnte man wenigstens sehen, wohin man ritt – nicht, dass sämtliche anwesenden Ritter samt Vogt noch vor Sonnenuntergang im nächsten Sumpfloch ersoffen! Aber man würde ja diesen Bolzer als Führer mitbekommen, und aus eigener Erfahrung wusste Roban, dass Einheimische in solchem Gelände ihr Gewicht in Gold wert sein konnten. Hoffentlich traf das auch auf Bolzer zu.
Reto und seine Begleiter betraten den großen Saal, doch ein Frühstück war noch nicht gerichtet und der Vogt auch nirgends zu sehen. Ein paar Bedienstete machen sich gerade erst daran das Frühstück vorzubereiten.
Travia zum Gruße“, sprach Reto eine Bedienstete an, „habt ihr schon einen der anderen Ritter oder der Vogt hier gesehen?“
„Ja, seine Wohlgeboren von Koschtal war kurz hier, ist dann aber nach draußen zu den Soldaten gegangen, “ entgegnete ihm die Magd.
„Nun denn, ein bisschen frische Luft wird mir gut tun. Erborn, Euer Gnaden ich komme in einer halben Stunde wieder.“
Dann verließ Reto den Saal und machte sich auf in Richtung Wehrgang. Auf dem Weg dorthin grüßte er ein paar Wachsoldaten im Namen der Zwölfe, und dann sah er auch schon Ritter Roban dort eine Pfeife rauchen. Reto ging geradewegs auf ihn zu.
Rondra zum Gruße, Ritter von Koschtal. Habt ihr noch ein paar letzte Reste erlesenen Tabaks aus Festum oder Vallusa, die ihr hier genießt? In Ilsur erzählte man sich, das man dort den besten Tabak bekäme. Ich kämpfte mehrere Monate im belagerten Ilsur, wo wart ihr überall in Tobrien, wenn ich fragen darf?“

Rainfried stand bereits vollständig gerichtet an dem Fenster, das zum Hof hinabsah. Er hatte nur wenig geschlafen, und die dunklen Ringe unter seinen Augen zeigten, dass selbst dieser Schlaf nicht angenehm gewesen war. Hinter ihm erhob sich gerade seine Großmutter aus dem Bett. Er spürte ihre Hand auf seiner Schulter, wandte sich aber nicht um. Brodlind drückte die liegende Hand verstehend fest, und wandte sich dann wieder ab um sich umzuziehen und das Zimmer auf der Suche nach etwas Essbarem und Kaminwärme zu verlassen.
Auf dem Hof konnte Rainfried den Ritter Grobhand von Koschtal sehen, der es sich mit einer Pfeife auf dem Wehrgang gemütlich machte, und kurz darauf von Reto von Tarnelfurt begleitet wurde. Auf dem Hof von Burg Birkendamm herrschte inzwischen schon geschäftiges Treiben. Bolzer Spatenschwingh war nahe des Pferdestalls mit der Sumpfführerin Alma ins Gespräch verwickelt, wohl bereits die Wegroute planend. Gonzalo überprüfte den Fuhrwagen, ob irgendetwas darauf trotz der Abdeckung durch den gestrigen Regen Schaden genommen hatte. Eine Magd war gerade dabei, eine Gans im Verschlag zu fangen, um der Köchin rechtzeitig zum Abend eine gute Grundlage für einen schmackhaften Braten zu liefern. Und aus dem ebenerdigen Stockwerk konnte man bereits das Klappern von Töpfen hören. Die Morgenmahlzeit wurde wohl soeben aufgedeckt. Zeit, um nach unten in den Saal zu gehen.

„Billiger Knaster aus Ferdok“, grinste Roban breit. Er hätte nicht gedacht, dass der offenbar sehr perainegläubige Reto ebenfalls zu den Kämpfern für Tobrien gehörte – aber warum nicht? Ilsur und Peraine, das gehörte nicht erst seit der wundersamen Befreiung zusammen, und auch andere, eher friedfertige Kirchen hatten Streiter gesammelt, um im Sinne ihrer Gottheit zu kämpfen.
„Den Feldzug Richtung Ilsur habe ich größtenteils verpasst – habe vor der Festung Misamor einen Armbrustbolzen mit der Schulter gefangen!“
Das Lächeln wurde breiter, aber auch bitterer.
„Ilsur, das war der Lohn für viele Jahre blutigen Handwerks. Ich stand fast die ganze Zeit an der Front bei Vallusa und in den Misa-Auen. Ziemlich feuchte Gegend, so wie hier, wenige Wege, dafür aber reichlich Möglichkeiten, mit kleinen Gruppen oder Agenten in das Bornland einzusickern. Wirklich große Schlachten hatten wir selten, aber weiß Rondra wie viele Scharmützel mit Xeraans Horden oder Untoten. Aber Ilsur zu halten soll ja auch kein Zuckerlecken gewesen sein!“
Das Lächeln wurde wieder ehrlicher, herzlicher, und Reto hatte das Gefühl, im Ansehen des etwas ungehobelten Koschtalers mächtig gestiegen zu sein.
„Nun der eine fängt einen Bolzen, der andere einen Speerstich,“ dabei deutete Reto auf seine rechte Brust, „einem Therbûniten und den Quellen Ilsurs verdanke ich es, das ich nicht elend an dieser Wunde verreckt bin. Diese vermaledeiten Wasserkreaturen, mehr als zwei Armpaare, das macht das Parieren nicht leichter.“
Auch Reto setzte ein bitteres Lächeln auf.
„Doch nun ist es ja, Peraine sei Dank, vorbei. Nach der Befreiung Ilsur schlossen Erborn und ich uns den Pilgern als Schutz an, und dann erreichte mich die Nachricht hierher zu kommen. Ich glaube das war ein Wink der Göttin.“
Stolz und Achtung lagen im Blick von Reto.
„Ich möchte euch, als Tobrienveteran und künftigen Nachbarn, das du anbieten, wenn ihr es gestattet. Ich freue mich, einen kampferfahrenen Ritter in meiner Nachbarschaft zu wissen.“
„Das wäre mir sehr recht, Reto!“
Roban schlug mit einem breiten Lächeln in die dargereichte Hand ein.
„Mit derartigen Nachbarn bin ich guter Hoffnung, dass wir unsere Aufgabe bewältigen!“
Nach einem kurzen, aber festen Händedruck hob Reto den Kopf.
„Ich höre Geschirr klirren, ich glaube wir können langsam zum Frühstück gehen.“
Reto und Roban machten sich auf den Weg zum Saal.

Langsam und behäbig schlurfte eine kleine Gestalt die Wendeltreppe hinab. Die schweren Schritte verrieten die Müdigkeit, der Blick verriet seinen Unmut. Vogt Morwald Gerling von Moorbrück hatte sich eher notdürftig in ein offenbar durchaus kostspieliges Gewand aus schwarzem Samt und Leder geworfen – wattiert und wärmend zum Schutz gegen die Kälte im Moor. Missmutig raunzte er eine der Wachen an.
„Wo zum Henker ist Devota? Sie sollte mich wecken und längst das Frühstück für alle gerichtet haben!“
„Mein Vogt, ich weiß nicht, Eure Leibdienerin ward heute noch gar nicht gesehen!“ erwiderte die Wache kleinlaut und machte sich auf eines der berüchtigten Donnerwetter des Vogts gefasst, als Edelbrecht von Borking um die Ecke bog. Hektisch hatte er annähernd ganz Burg Birkendamm mit Ausnahme der Privatgemächer seiner Gefährten auf den Kopf gestellt auf der Suche nach Morwald.
„Wo steckt dieser von allen Göttern verfluchte Wildschweinauswurf? Dieser faule Einfaltspinsel, der…“, Edelbrecht stutzte, als er auf die verschüchterte Wache nebst Vogt traf, der ihn mit hochrotem Kopf aus wütend-verschlafenen Augen böse anfunkelte, während er die soeben verklungenen Worte des Vogts und der Wache Revue passieren ließ.
„Aaaah, Hochwohlgeboren“, beeilte Edelbrecht sich, seinen „Lehnsherren“ mit einer tiefen Verbeugung zu begrüßen, bei der er sich ein Grinsen nicht völlig verkneifen konnte, „das trifft sich gut, dass ich Euch hier sehe. Ich hoffe Ihr habt wohl geruht?! Gestattet, dass ich Euch gleich heute Morgen ein Anliegen von höchster Dringlichkeit vortrage. Es betrifft eben jene Magd Devota, welche Ihr in Eurer grenzenlosen Weisheit beauftragtet, Euch zu wecken und das Frühstücksmahl zu servieren.“
Eine Augenbraue des Vogts hatte sich bedenklich nach Oben verschoben. Gestern hatte der Borkinger kaum eine Gelegenheit ausgelassen um vor allen anderen Rittern seinen fehlenden Respekt zur Schau zu stellen – und nun wendete er sich komplett und legte eine geradezu schillernde Unterwürfigkeit an den Tag. ‚Hochwohlgeboren’, ‚grenzenlose Weisheit’ ... an einen echten Gesinnungswandel mochte Vogt Morwald nicht glauben, dafür trug der Ritter eindeutig zu dick auf. Doch er ließ den Ritter zunächst weiter berichten, der sich offenbar in Fahrt geredet hatte.
„Es ist mir sehr unangenehm, aber ganz allein mich trifft die Schuld, dass sie Euch in diesem Moment nicht zu Diensten sein kann, hatte ich sie doch mit dringlichen Aufgaben betraut, die ihr nicht die Zeit ließen, diese Dinge zu verrichten. In völliger Unkenntnis ihrer eigentlichen Tätigkeiten hatte ich sie mit meiner umfangreichen Korrespondenz beauftragt, so dass sie bis spät in die nächtlichen Stunden den Federkiel hat schwingen müssen. Gewiss ruht sie derzeit noch ein wenig aus.
Nun gestattet mir, da ich mit den Diensten der Magd mehr als zufrieden bin, Euch die Bitte antragen zu dürfen, sie in meinen Haushalt überführen zu dürfen. Ich bin gerne bereit, Euch dafür eine Entschädigung zukommen zu lassen, auf dass Ihr Euch standesgemäßeres Personal leisten könnt, denn mit Verlaub – die Magd mag zwar eine Augenweide sein, ist aber im Hofstaat eines fürstlichen Vogts gänzlich fehl am Platze. Für die bescheidenen Verhältnisse eines Ritters mag sie genügen, aber einem Vogt, dazu einem derart befähigten wie Euch, ziert es doch viel eher, sich mit ganz anderen Bediensteten zu umgeben. Nun was sagt Ihr, werter Vogt?!“
„So, so, Korrespondenz...“, auf der Stirn des Vogtes hatte sich mittlerweile eine steile Falte gebildet, „Mit Verlaub, Wohlgeboren...“, Gerling betonte die Anrede besonders deutlich und langsam, „...welches Personal für unsereins standesgemäß ist und welches nicht, kann ich sehr gut selbst beurteilen – zumal ich Fräulein Lichterlohe schon seit ihrer Zeit am Fürstenhof kenne und nicht erst seit einem Tag und einer Nacht. Im übrigen, wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr künftig zuvor mit mir Rücksprache halten würdet, bevor Ihr Euch meines Personals bedient.“
In diesem Moment fiel Vogt Gerlings loderner Augenmerk auf die eben eintretende und reichlich nervös wirkende Devota. Sie sah flüchtig zu Edelbrecht, dann zu Gerling, der offenkundig nicht geneigt war, weitere Worte über diesen Fall zu verlieren, dem Ritter von Borking den Rücken zukehrte und zu seinem Stuhl am Kopf der Tafel stapfte. Ein Funkeln aus seinen Augen genügte um Devota dazu zu bringen ihren Dienst zu verrichten und das Frühstück aufzutragen.
Reto und Roban betraten den Saal.
„Erborn, euer Gnaden, ich möchte dich Ritter Roban Grobhand von Koschtal bekannt machen, er kämpfte bis vor kurzem in Tobrien, wie wir,“ und ging auf Erbon und Perainfried zu. Auch die Hände des Dieners und des Geweihten schüttelte Roban mit einem freundlichen Lächeln, warf nur einen kurzen Seitenblick Richtung Vogt und Edelbrecht.
„Einen Geweihten der Peraine in der Gegend zu haben, ist ein beruhigendes Gefühl“, meinte er aus tiefster Überzeugung zu Perainfried.
„Dass ich heute hier stehe, verdanke ich nicht zuletzt einigen Eurer Glaubensbrüder!“
„Wir tun nur, was die Göttin uns aufgetragen hat“, entgegnete der Geweihte, ebenfalls lächelnd.
„Aber nun sollten wir uns wirklich stärken, der Tag wird uns gewiß nicht weniger Mühsal bringen als der vergangene.“
Roban nickte zustimmend, ehe er Vogt Gerling fragend anblickte. Dieser lächelte schräg, warf Devota, die er während des Auftischens durchweg beobachtet hatte, einen letzten lodernden Blick zu, während sie den Raum verließ. Dann bat er die Ritter an den Tisch.
„Die Tafel ist nun gerichtet – wir sollten nicht noch weitere kostbare Zeit verlieren. Wohlschmecken!“
"Verzeiht die Verspätung, meine Herren."
Rainfried betrat den Saal, blickte sich kurz um, und sah, dass sich seine Großmutter zielstrebig links neben den Platz des Vogts an der Stirnseite der Tafel gesetzt hatte, neben ihr wiederum die Rahjageweihte. Er setzte sich neben sie, Morwald Gerling und den anderen Anwesenden zur Begrüßung zunickend.
Der Tisch war inzwischen reichlich gedeckt mit Brot, Honig, eingekochtem Obst jeglicher im Kosch greifhafter Art. In der Mitte der Tafel war eine Schüssel mit dampfendem Inhalt. Der Geruch von gekochten Eiern, Schinken und Würsten erfüllte den Raum.
Just, als sich alle über das bereitgestellte Essen her machen wollten, stürmte Devota in den Saal, direkt zum Vogt.
"Euer Hochgeboren, verzeiht die Störung. Ein Bote brachte dies Schreiben. Er sagte, es sei von höchster Dringlichkeit."
Sie übergab Gerling die gesiegelte Nachricht. Als der Vogt das Siegel erblickte, zuckte seine linke Augenbraue nach oben und ohne Vorsicht walten zu lassen brach er es eiligst und entrollte das Schriftstück. Sein Blick verdunkelte sich umso mehr, je länger er die Nachricht las.
Mit einem gutgelaunten "Guten Morgen! Ich hoffe, alle Anwesenden haben wohl geruht", stieg Boromil vom Kargen Land als letzter die Treppe hinunter. Einige nickten ihm kurz zu. Alle wandten schließlich ihre Aufmerksamkeit wieder dem Vogt zu, der inzwischen die Stirn runzelte. Als er zuende gelesen hatte, knurrte er eine für die anderen unhörbare Verwünschung und begann dann eine Erklärung.
"Ein Schreiben von Grimm Goldmund von Koschtal. Er ist aufgehalten worden!", erklärte Gerling, wobei er seinen Unmut über diese Nachricht nicht zu verbergen suchte.
"Er wird es wohl auch heute nicht zu uns schaffen, so dass wir auch bei der Moorbesichtigung auf ihn verzichten müssen. Sehr ärgerlich!"
Inzwischen hatte sich Boromil einen freien Platz gesucht. So langsam machte es der Ritter Goldmund von Koschtal recht spannend. Was ihm wohl passiert war? Auf eben diese Frage erwiderte der Vogt nur ein „Das soll er Euch am besten selbst erklären, wenn er erst einmal hier ist!", was Boromil etwas zu ärgerlich vorkam, um alleine widrigen Reiseumständen des sechsten Adelssprösslings geschuldet zu sein. Offenbar war Morwald mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden - oder er hatte bereits am frühen Tag etwas erlebt, was ihn zusätzlich in Zorn versetzte. Doch was mochte das sein?
Nun fing sich Gerling wieder.
"Nun, wie auch immer, lasst uns unser Frühstück einnehmen, damit wir bei Kräften sind, wenn wir uns gleich danach auf den Weg machen!"
Dieser Aufforderung kamen alle gerne nach, wobei jeder je nach seinen Vorlieben sein Mahl anders zusammenstellte. Boromil entschied sich für einige Scheiben Brotes, die er mit Schinken belegte, sowie eingemachten Früchten, die er daneben auf seinem Teller platzierte.
Nachdem Reto sich gestärkt hatte wandte er sich an die Anwesenden.
„Werden wir die ausgewählten Bauplätze eigentlich auf dem Pferderücken erkunden können oder werden wir uns zu Fuß durchs Moor bewegen müssen?“
„Das werden wohl die örtlichen Gegebenheiten entscheiden, nicht die eigene Bequemlichkeit“, meinte Roban und lehnte sich mit einem recht zufriedenen Ausdruck im Gesicht in seinem Stuhl zurück. Ob sich diese Zufriedenheit auf das reichhaltige Frühstück oder die Abwesenheit des Vertreters des seiner Familie verhassten Hauses Goldmund von Koschtal geschuldet war, verschwieg er geflissentlich. Allerdings hatten seine Mundwinkel verräterisch gezuckt, als der Vogt die weitere Abwesenheit des Ritters Grimm Goldmund von Koschtal verkündet hatte, als könne er seine Genugtuung darüber nur schwerlich verbergen.
„Und ich denke, wir wären gut beraten, wegen der vor uns liegenden Wege diesen, wie hieß er gleich“, er schnippte einige Male mit den Finger, als könne er damit die Erinnerung anlocken, „Bolzer Spatenschwingh zu fragen. Er wird den Sumpf am besten kennen und wird uns wohl sagen können, ob die Wege zu Pferde überhaupt passierbar sind und ob wir die Strecke überhaupt an einem Tag bewältigen können. Womöglich wird es unumgänglich sein, eine Nacht im Freien zu verbringen und entsprechendes Proviant und Ausrüstung mitzunehmen.“

"Tja... is' nich' immer so leicht", antwortete Bolzer Spatenschwingh, als die Ritter und der Vogt ihn direkt nach dem Frühstück auf dem Hof aufsuchten.
"Na ja, ich mag ja keine Rösser, die sind so groß un’ teuer. Kommt wohl auf die Laune vom Moor an, und auch auf’s Wetter. Manchmal kann man gut mit dem Ross durchreiten, zu anderen Zeiten führt man’s besser am Zügel zu Fuß durch. Aber Ross und Wagen können dort an guten Tagen wohl fahren, wenn das Moor es will! Sons' wär's ja kein Siedlungsplatz, nich'?"
Morwald Gerling begann etwas ungeduldig zu werden. Konnte denn heute niemand einfach das tun, was ihm aufgetragen worden war?
"Also gut, wir machen es so: Wir reiten zuerst zum Standort I und arbeiten uns dann weiter vor. Sollten wir unterwegs feststellen, dass die Wege zu unsicher sind, um weiterzureiten, kehren wir um! Ich habe jedenfalls keine Lust, im Moor zu übernachten! Bolzer, Du wirst uns sicherlich sagen können, wann wir umdrehen müssen, um vor Einbruch der Dunkelheit noch zurück zu Burg Birkendamm zu kommen."
Die Ritter schwiegen, doch jeder dachte sich seinen Teil. Edelbrecht von Borking war sichtlich amüsiert darüber, dass der Vogt die Fassung verloren hatte. Roban Grobhand von Koschtal sah sich bestätigt, dass man in Gerlings Fähigkeiten zumindest nicht blind vertrauen sollte. Boromil vom Kargen Land war etwas unangenehm angetan von der Schroffheit, mit der Morwald mit dem Torfstecher gesprochen hatte. Sicherlich war der Vorschlag des Vogtes richtig, aber das hätte er auch freundlicher sagen können. Spatenschwingh hatte doch eine vernünftig-abwägende Einschätzung gegeben.
"Dann lasst uns aufsitzen. Will einer der Herren noch einen Begleiter mitnehmen oder können wir gleich losziehen?"
Morwald, inzwischen wieder ganz der freundliche Diplomat, wandte sich an die sechs.
„Nun, meine Herren Ritter, dann sollte wohl ein jeder seine Vorbereitungen treffen“, meinte er und rang sich ein Lächeln ab, dass wohl Zuversicht ausdrücken sollte, aber ein wenig misslang.
„Mit dem Segen der Zwölfe werden wir wohl pünktlich zum Abendmahl wieder hier sein!“
Das Versprechen, dass nicht nur die Teilnehmer des Essens, sondern auch das Mahl selbst pünktlich zur Stelle sein würde, sprach er nicht aus, doch der Seitenblick zu Devota war deutlich genug.
Jeder machte sich jetzt daran, Tiere und Gepäck für die Reise vorzubereiten. Robans Vorbereitungen waren schnell abgeschlossen – die alte Girte war bald gesattelt, Schwert und Reiterhammer saßen griffbereit am Gürtel, der Reiterbogen, in eine Decke gewickelt, hinter den Sattel geschnallt, der Köcher eingehängt. Zur Sicherheit nahm man auch haltbare Verpflegung mit, die über fünf Tage reichen würde – insbesondere Räucherwurst, harter Käse, festes Brot, Dörrobst und Wasser. Wenn die Verhältnisse im Sumpf gnädig sein würden, könnte man in dieser Zeit alle sechs Standorte erreichen und zurückkehren.
Bald darauf verließ der Zug die Burg. Bolzer Spatenschwingh eilte voraus, dann folgten die Ritter. Reto und Roban ritten nebeneinander und schwätzten halblaut über ihre Jugendzeit, tauschten Schwänke aus und lachten über das, was der andere aus unbeschwerten Kindertagen zu berichten wusste.