Vom Zug der Leuen — Rondrianer gen Tobrien
Vom Zug der Leuen
Angbar. Drei Hornstöße von der Plattform des hohen Löwentempels hießen den Wachen auf den Mauern der Fürstenstadt, daß sich Reiter aus dem Westen näherten. Immer mehr Volk —…und manch edler Streiter darunter — versammelte sich, um die fremden Rittersleute zu schauen. Zuerst sah man wohl erst einige Banner im Winde wehen, auf denen die Leuin der Rondrakirche prangte. Praios daselbst ließ die Wolken, die Efferds Geheiß am Himmel versammelt hatten, auseinanderbrechen und die mittägliche Herbstsonne brannte auf die Koscher ein. Diese aber standen voller Aufregung auf den Brüstungen und beobachteten den Einzug der Kriegsleute in die Stadt. Dutzende von Recken und Waffengefolge ritten da auf edlen Rössern herein, ganz vor den Streitern ein Knappe, dessen Banner die weiße Lwöin auf rotem Grunde zeigte. Dies Wappen hatten sich die Gefolgsleute der Heiligen Lutisana erwählt, die gemeinsam mit den Kameraden vom Orden der Heiligen Rondragabund aus Kuslik gen Osten gezogen war. Beide rondrianischen Gemeinschaften sind noch jung an Jahren und ohne Segen der erhabenen Bundesmarschallin, doch erhoffen ihre Führer Leto vom Quelltal, Theodorius vom Kamm und Horaso dela Pelenas, sich die Anerkennung alsbald im Kampfe verdienen zu können.
Von Kindern geführt, die oftmals zu den hohen Herrschaften aufblickten, kamen die Ritter bald schon vor dem Wehrtempel an. Die Anführer des Ordenszuges knieten vor Meister Gisbrun Idamil von Wengenholm nieder und baten um Zuflucht in den Kammern des Tempels — sie wurde ihnen gewährt.
Freudig nahm Schwertbruder Gisbrun nun Theodorius vom Kamm zur Hand und begrüßte den alten Ritter, der wohl auch schon einmal ein Schlachtreiter des Fürsten war und nun im Orden zum Grabe der Heiligen Lutisana einen hohen Posten innehatte. Danach hob er die Schwertfaust und lud die Ritter der beiden Orden ein, in Angbar zu nächtigen und gab ihrem Zug den Segen. Seit langem schon hatten die weitgereisten Recken nicht mehr so gut gegessen und ließen’s sich wohlsein, die Wirte aber nahmen dankbar das Gold für ihre vorzüglichen Speisen an.
Während des abendlichen Gebetes sprach Herr Theodorius vom Kamm zum Schwertbruder von einem denkwürdigen Ereignis, welches er gar für ein Wunder der Leuin hielt, und bat ihn, beim Schwert der Schwerter vorredig zu werden und sich für die Anerkennung des Ordens stark zu machen. Er selbst und seine Frauen und Mannen aber machten sich schon am nächsten Tage auf, um den Großen Fluß bei Steinbrücken zu queren und weiter gen Osten zu ziehen, um am Ende in Wehrheim den Worten der Ayla von Schattengrund lauschen und ihren Befehlen folgen zu können.
Am Greifenpaß (Ein mündlicher Bericht der Ritterin Cassiopeia von Mylamas, aufgenommen durch Herrn ). „Wie an jedem Tag, so hielten wir auch an diesem Morgen einen Schwertdienst zu Ehren der Göttin ab. Ich stand in der ersten Reihe, um Ihren Ruhm zu besingen, Ihr Auge auf uns zu ziehen und Ihr meine Verehrung zu bekennen. Bruder Horasio sprach gerade vom Verhalten Thalionmels bei ihrer großen Abwehrschlacht über den Wassern des Chabab, da schallte auf einmal ein Brüllen durch das Tal, das mir fast die Ohren zerbarsten. Schwer stützen sich auch die anderen Ritter und ich wohl einige Jüngere, die hielten es nicht aus und fielen in borongefällige Ohnmacht. Ich aber stand da und harrte aus, bis das Brüllen verstummte. Da stand Theodorius vom Kamm auf und sprach: „Dies war der Ruf einer Waldleuin.“ Die ist nun ein heiliges Tier der Rondra! Wir, die wohl verstanden hatten, daß die Göttin selbst uns Mut zusprach in den Wochen vor der Schlacht, dankten ihr mit lautem Rufen und ich sah sogar zwei vormalige Laienmitglieder des Ordens, die sich schworen, ins Noviziat gehen zu wollen.“