Die Zweite Neufarnhainer Tafel - Weibliche Logik: Unterschied zwischen den Versionen
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{{ | |Titel=Weibliche Logik | ||
|Reihe=Die Zweite Neufarnhainer Tafel | |||
|Teil=20 | |||
|Datum=18.9.1033 | |||
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[[Briefspieltext mit::1033]], [[Handlungsort ist::Neufarnhain]] | |||
…”Verdammt, jetzt reicht es mir! Niemand geht mehr in diesen Kreis hinein! Habt ihr mich verstanden? Immerhin hat [[Nebendarsteller ist::Edelbrecht von Borking|Edelbrecht]] mir die Verantwortung übertragen und ich lasse nicht zu, dass es womöglich weitere Opfer gibt.”<br>[[Hauptdarsteller ist::Etosch Gabelbart]] war außer sich. Er wusste, dass er versagt hatte und dass seine Autorität auf tönernen Säulen stand, auch wenn ihm momentan keiner der Anwesenden widersprach. Allein [[Hauptdarsteller ist::Danja Salderken]] schaute ihn trotz des Ernstes der Lage belustigt an. Eben wollte er eine weitere Schimpftirade beginnen, als [[Nebendarsteller ist::Erborn Donnerbacher|Erborn]] seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen legte und ihm bedeutete, leise zu sein.<br>”Habt ihr das auch gehört?” fragte er flüsternd und lauschte angestrengt in die Nacht hinein.<br>Etosch spitzte die Ohren und hielt gespannt inne. Auch die anderen verhielten sich leise und nach wenigen Augenblicken zeichnete sich bei einigen ein Erkennen auf dem Gesicht ab.<br>Richtig, da war etwas gewesen. Jetzt hatte Etosch es auch gehört. Ganz leise zwar, nahezu unterdrückt, aber es war da gewesen.<br>Ein Wimmern – und es hatte geklungen wie ...<br>”EDELBRECHT!” rief der Zwerg so laut, dass Dwarrosch, der direkt neben ihm gestanden hatte, erschrocken zurückprallte.<br>”Edelbrecht, mein Junge, bist du das? Halt aus, wir kommen und holen dich.”<br>”Narr”, [[Nebendarsteller ist::Reto von Tarnelfurt]] hielt den ungestümen Angroscho fest an der Schulter, als er Anstalten machte, direkt in den Kreis hineinzupreschen.<br>”Als hätten wir das nicht die ganze Zeit schon versucht. Ihr habt doch gesehen, so einfach ist es nicht.”<br>”Aber, das war Edelbrecht, ihr habt es doch auch gehört, nicht wahr? Ich muss zu ihm, wer weiß, was ihm in diesem Moment widerfährt, Edelbrecht, Edelbrecht…”<br><br>... seine Lippen berührten nasses Gras, er schmeckte Erde, roch den fauligen Dunst des Sumpfes – wie war das möglich? Er hatte doch seinen Kopf verloren, hatte deutlich das Knacken seiner Halswirbel gehört und den dumpfen Schmerz gespürt, als der [[Akteursnennung ist::Orks|ork]]ische Scharfrichter zugeschlagen hatte. Immer noch waren da Geräusche um ihn herum, aber es war nicht mehr das meckernde Gekicher der [[Nebendarsteller ist::Neralda Cella von Nadoret|Nadoreterin]], sondern eine vertraut klingende, besorgte Stimme.<br>Erkennen schlich sich in Edelbrechts Gedanken, immer mehr Namen fielen ihm ein, suchten verzweifelt nach den richtigen Personen und Stimmen. Schließlich gewann einer die Oberhand, drängte sich in Edelbrechts Bewusstsein, so dass er wie unter Zwang seine Lippen zum Sprechen formte.<br>Krächzend stieß er einige Laute aus, übte sich im Gebrauch seiner Zunge und endlich brachte er ein leises ”Etosch” heraus. Er klammerte sich an diesen Namen, gebrauchte ihn als Anker, der ihn davor bewahrte, verrückt zu werden.<br>”Etosch”, erst noch leise, dann immer lauter, bis er schließlich aus Leibeskräften schrie: ”Etosch, Etosch.”<br>Von irgendwoher aus dem Dunkel antwortete ihm die vertraute Stimme: ”Edelbrecht, mein Junge, ja ich bin es, geht es dir gut? Habt ihr gehört, Reto? Das ist Edelbrecht! Edelbrecht…”<br>”…Etosch, nein es geht mir nicht gut,” bemühte sich der Borkinger weitere Worte hervorzubringen und seine Stimme gewann zunehmend an verzweifelter Kraft.<br>”Wieso? Um Himmels Willen, Edelbrecht, was ist dir widerfahren?”<br>”Man hat mir den Kopf abgeschlagen…”<br>”Man hat dir, WAAAAS? Oh Elend, das ist ja grausam, Edelbrecht wer, bei allem was mir heilig ist, hat dir das angetan?”<br>Edelbrecht wollte soeben zu einer Entgegnung ansetzen, als eine weitere Stimme sich in das Gespräch mischte und den Zwergen – Etosch war doch ein Angroscho, oder? – zurechtwies: ”Seid doch nicht albern, Etosch. Wie um alles in der Welt sollte er sprechen können, wenn er seines Kopfes beraubt worden wäre?”<br>”Hm, vermutlich Magie…” beharrte Etosch störrisch auf seiner Meinung.<br>Jetzt ertönte eine weibliche Stimme: ”Mir ist kein derartiger Spruch bekannt, mit dem man eine solche Wirkung hervorrufen könnte, es sei denn durch Illusionsmagie. Bei meiner vorherigen Analyse wies das hiesige arkane Gewebe jedoch keine Spuren eines derartigen Merkmals auf. Ich denke, diese Möglichkeit können wir daher ausschließen.”<br>Einen kurzen Moment lang herrschte Stille. Dann erklang wieder die Stimme des unbekannten Mannes.<br>”Ich hab’s! Edelbrecht, kannst du mich hören? Ich bin es, Reto. Reto von Tarnelfurt!”<br>Edelbrecht erinnerte sich an das Gesicht eines Mannes, der ihn vor Urzeiten, so schien es ihm, auf einer Reise in den [[Ortsnennung ist::Moorbrücker Sumpf]] begleitet hatte, damals, als es den Kosch unter [[Briefspieltext mit::Blasius vom Eberstamm]] noch gegeben hatte.<br>”Ja”, antwortete er ”ja, Reto, ich kann dich hören!”<br>”Öffne die Augen, Edelbrecht!”<br>”Habt ihr nicht gehört? Er hat den Kopf verloren”, wandte Etosch ein.<br>”Seid still, Zwerg!” fuhr die Frau dazwischen und an Edelbrecht gewandt: ”Nur Mut, Wohlgeboren, öffnet die Augen!”<br>Edelbrecht glaubte nicht, was mit ihm passierte. Er wünschte sich, sehen zu können, die Augen aufschlagen zu können und…<br>Sein Blick fiel auf eine dunkle Fläche, die schauerlich vom flackernden Licht einer Fackel erleuchtet wurde. In weiter Ferne standen dunkle gigantische Schemen. Er konnte sehen…<br>Schlagartig kam die Erinnerung zurück. Er war wieder in [[Ortsnennung ist::Moorbrück]], war vielleicht nie weg gewesen. Sie waren ausgezogen, den kleinen Arbel zu suchen, er hatte einen Steinkreis betreten und dann?<br>Seine Hände fassten reflexartig an seinen Hals. Keine blutige Kerbe. Kein blutiger Stumpf. Sein Kopf saß ebendort, wo er hingehörte, fest und ruhig.<br>Edelbrecht rappelte sich auf. Zu seinen Füßen lag ein Zwerg – [[Nebendarsteller ist::Olgosch Sohn des Ogrim|Olgosch]]. Und dort, etwas weiter weg bewegte sich [[Nebendarsteller ist::Roban Grobhand von Koschtal]] wie ein Berseker mit seinen Armen wedelnd, als würde er einen Fechtkampf austragen.<br>Wenige Spann weit entfernt stand [[Nebendarsteller ist::Rainfried von Grimsau]] mit einem Seil um die Hüften, vertieft in eine innige Umarmung seiner Selbst, die Lippen zu einem Kuss verzogen, während ihm die Tränen die Wangen entlangliefen.<br>”Edelbrecht, ist alles in Ordnung mit dir?”<br>Etoschs Worte rissen ihn aus seinen Betrachtungen und der Borkinger beeilte sich, seinen Gefährten außerhalb des Steinkreises seine Beobachtungen mitzuteilen.<br>”Gut, sie leben”, stellte Reto von Tarnelfurt befriedigt fest. ”Hör zu, Edelbrecht, wir machen jetzt Folgendes: Du führst die anderen zu Rainfried und bringst sie dazu, sich an ihm festzuhalten. Dann ziehen wir euch mit vereinten Kräften aus diesem [[Akteursnennung ist::Der Namenlose|namenlosen]] Steinkreis wieder heraus.”<br>”Nein, wartet”, rief Edelbrecht. ”Wenn wir schon in seinem Inneren sind, möchte ich mich gerne ein wenig hier umsehen. Ich glaube zwar nicht, dass Arbel hier ist oder noch hier ist, aber vergewissern will ich mich doch. Im Augenblick scheint uns keine unmittelbare Gefahr zu drohen.”<br>”Gut, aber sei vorsichtig, von hier draußen scheinen wir nicht viel machen zu können” rief Reto mit bebender Stimme und man hörte ihm an, dass er nicht gerne untätig draußen vor dem Steinkreis wartete…<br>Edelbrecht nickte. Dann nahm er eine der am Boden liegenden Fackeln, beugte sich zu Olgosch hinunter und versuchte, den Zwergen aus seiner Bewusstlosigkeit zu wecken – ohne Erfolg! Olgosch rührte sich nicht von der Stelle und nur das leichte Heben und Senken seines Brustkorbes sprachen dafür, dass er noch am Leben war.<br>An Roban kam Edelbrecht gar nicht erst heran, da dieser ihn sofort mit wütenden Schlägen traktierte, und auch Rainfried schien sich nicht aus seiner selbstvergessenen Umarmung lösen zu können.<br>Einstweilen ließ der Borkinger daher von seinen Freunden ab und wandte sich dem Inneren des seltsamen Steinkreises zu. So sehr er sich auch anstrengte, es gelang ihm in dem diffusen Dämmerlicht beim besten Willen nicht, abzuschätzen, wie groß die Fläche war, die von den gewaltigen Findlingen umschlossen wurde. Die Steine, und auch hier war sich Edelbrecht nicht sicher, waren jedoch von so gleichmäßiger Struktur, dass sie vermutlich bearbeitet worden waren, obgleich er keinerlei Gravuren oder Runen erkennen konnte.<br>”Hexenwerk”, murmelte er und schritt beunruhigt den Kreis ab, sich immer weiter von den anderen entfernend. Er verließ den äußeren Ring und legte mehrere Schritte auf dem harten, felsigen Boden zurück, als in der Mitte – zumindest glaubte Edelbrecht, dass hier die Mitte sei – eine weitere Steinansammlung sichtbar wurde.<br>Was mochte das sein? Edelbrechts Schritte wurden langsamer. Angestrengt starrte er in die Dunkelheit, doch er konnte keinerlei Bewegungen ausmachen. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er näher kam. An was erinnerten ihn diese Steine nur?<br>Erst als er in unmittelbarer Nähe stand, stieg eine Ahnung in ihm hoch – ein Altar oder Opferstein, richtig, das konnte es sein.<br>Aufgeregt untersuchte er die Seiten des ambossartigen Gebildes, um das eine schmale Rille im Boden führte. Bestürzt wich Edelbrecht zurück, als seine linke Hand unvermittelt in etwas Feuchtes gefasst hatte.<br>Beklommen führte er sie vor Augen und betrachtete sie genauer. Entsetzen überkam ihn. Seine linke Hand war über und über mit Blut beschmiert. Edelbrecht schrie aus vollen Leibeskräften auf…<br><br>Der Schrei des Borkingers genügte Danja, um einen kühnen – womöglich auch leichtsinnigen Entschluss zu fassen. Es war offensichtlich, dass der Ritter, der Magie ohnehin verabscheute, mit der dortigen Situation überfordert war. Sie hatte die Frage, ob sie sich durch Zauberei geschützt, in den Kreis wagen konnte, schon abgewogen. Die immer stärkere Eskalation innerhalb des Steinkreises beschleunigte die Entscheidung. Entschlossen setzte sie sich in Bewegung.<br>”Wohin wollt ihr?” kreischte Etosch beinahe panisch.<br>”Wohin schon, Angroscho?” gab Danja mit finsterer Miene zurück. ”Zieht Ihr lieber den Herrn von Grimsau zurück. Offenbar ist es ihm nicht gelungen, einen der anderen zu erreichen, und sobald er wieder in unseren Reihen weilt, werdet Ihr mich anseilen. Ich werde mich derweil vorbereiten!”<br>Etosch Gabelbart starrte sie an zwischen Zorn, Hoffnung und Verzweiflung schwankend.<br>”Verrücktes Gigrim-Weib!” fluchte er dann und griff mit fester Hand nach dem Seil.<br>”[[Nebendarsteller ist::Rambox Sohn des Rumburak|Rambox]], Erborn, helft beim Ziehen!”<br>Die Angesprochenen fassten ebenfalls zu, und zu dritt zerrten sie an dem Seil, bis Rainfried von Grimsau wieder aus dem Nebel auftauchte. Seine Arme hatte er nach vorn gestreckt, als versuche er mit aller Kraft, ein unsichtbares Ziel zu erreichen, stemmte mit aller Kraft die Beine in den weichen Grund und schrie aus Leibeskräften nach einer Frau namens Madalein.<br>Als er mit einem letzten Ruck aus dem Kreis heraus war, sank er auf die Knie.<br>”Verlass mich nicht...”, wimmerte er kraftlos, eine Hand noch immer erhoben. Danja kniete sich neben ihn und blickte in ein niedergeschlagenes Gesicht.<br>”Ganz gleich, was Ihr gesehen habt, Wohlgeboren: es war nur ein Hirngespinst, ein Truggebilde, vermutlich von Eurer eigenen größten Angst genährt. Es mag schrecklich gewesen sein, doch Eure Weggefährten brauchen Euch bei klarem Verstand!”<br>Rainfried von Grimsau schien einige Momente zu benötigen, ehe die Worte seinen Verstand erreichten. Tränen glitzerten auf seinen Wangen, doch er wischte sie beiseite und nickte heftig.<br>”Natürlich!”<br>Resignation, aber auch Erleichterung schwang in dem einen Wort mit. Etosch und Rambox halfen dem Ritter auf die Beine und lösten das Seil von seiner Hüfte, nur um es anschließend Danja umzubinden.<br>”Wenn ihr mich panisch schreien hört, zieht – und wenn ihr mich bäuchlings aus dem Kreis schleifen müsst”, wies die Maga sie an, ehe sie sich an den Rand des Steinkreises begab. Schemenhaft konnte sie eine Gestalt darin umher wanken sehen, aber nicht genau erkennen, ob es Roban oder Edelbrecht war. Die umherziehenden Nebelfetzen verzerrten die Gestalt zu sehr, um die Größe exakt zu bestimmen.<br>Noch einmal atmete Danja durch, verbannte Angst und Vorbehalte in den hintersten Winkel ihres Verstandes und konzentrierte sich.<br>”[[wikav:Psychostabilis|PSYCHOSTABILIS]]” murmelte sie. Wenn der Zauber gelang, sollte er eine mögliche Beherrschung von ihr abwenden, oder doch zumindest auf ein erträgliches Maß abschwächen. Ob diese Rechnung aufging, konnte sie aber nur auf eine Weise herausfinden.<br>Ein letzter, entschlossener Schritt brachte sie in den Kreis...<br>Zunächst schien nichts zu geschehen. Sie spürte keine Veränderung, sah nichts, was nicht schon vorher da gewesen war. Dann sah sie ein schwaches Licht links von sich, ging vorsichtig näher.<br>Was sie sah, schien ihre schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Dort hockte eine alte Frau mit verbitterter Miene vor einem Beschwörungskreis und murmelte vor sich hin. Danja wappnete sich für einen magischen Angriff, doch dann ließ sie etwas innehalten.<br>Das faltige, der harte, entschlossene Ausdruck, die letzten roten Strähnen in dem grauen Haar...diese Frau war sie selbst! Ein Schreckensbild ihrer selbst, wie sie angesichts ewiger Rückschläge in ihren Forschungen auch vor ketzerischen Methoden und Dämonenmacht nicht mehr zurückschreckte, um zu Erkenntnissen zu gelangen.<br>”Nein!” Sie schloss die Augen und schüttelte energisch den Kopf. ”Nein, das werde ich nicht tun! Ich werde es NICHT TUN!”<br>Sie öffnete die Augen wieder. Das Horrorbild einer möglichen Zukunft war bedeutend blasser geworden, beinahe durchsichtig.<br>Danja ging weiter, schnurstracks hindurch. Ihr altes Ebenbild löste sich einfach auf. Die Maga atmete auf – die erste Hürde hatte sie geschafft, ihr Schutzzauber wirkte zumindest so gut, dass sie noch klar denken und Trug von Wahrheit unterscheiden konnte. Jetzt musste sie nur noch einen der Verschwundenen finden und hier heraus bringen, und diese Hürde würde wohl erheblich höher sein.<br><br>Wie aus einem Alkoholrausch, der einen in tiefen Schlaf versetzt, erwachte Olgosch. Ganz, ganz langsam glitt sein Bewusstsein vom Reich der Träume zurück in die Wirklichkeit. Zunächst hatte ihn jemand in die Seite geknufft - niemand anderes als Edelbrecht von Borking, als er über den Angroscho gestolpert war. Doch das war dem Sohn des Ogrim noch so vorgekommen, als versuchte ihn jemand zu Hause mit einem leichten Stoß unsanft aufzuwecken, und er hatte trotzig weiter geschlummert. Ebenso wirkungslos waren daher die weiteren Bemühungen des jungen von Borking geblieben, Olgosch wach zu bekommen. Endlich nahm dieser wahr, dass er auf feuchtem Stein lag. Da stimmte irgendetwas nicht!<br>Mühsam öffnete Olgosch die Augen und zwang sich, wach zu werden. Wo war er? Dieser Ort kam ihm völlig unbekannt vor. Gewiss, er befand sich in Moorbrück, das ließ sich unschwer mit der Nase erkennen, die den typischen Modergeruch einsog. Aber diesen Steinboden hatte er nie zuvor betreten, ansonsten müsste er sich als Angroscho schon daran erinnern! Nachdem sich der Zwerg ganz aufgerichtet hatte, versuchte er sich zu orientieren. Als er die aufgerichteten Steine erkannte, kehrte schlagartig die Erinnerung zurück.<br>"Gefahr!", signalisierten ihm seine Instinkte. "Schnapp dir Edelbrecht und dann nichts wie raus hier!", ging es Olgosch durch den Kopf. Er blickte sich hektisch um. Da hörte er einen lauten Schrei, der nur von dem jungen Ritter kommen konnte.<br>Olgosch eilte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Edelbrecht stand neben einem Haufen lose aufgeschichteter großer Steine und starrte entsetzt seine Hände an - warum, blieb dem Ambosszwerg verborgen. Doch erinnerte er sich gut daran, welcher Zauber ihn beim Betreten des Steinkreises übermannt hatte und es war gut möglich, dass Menschen noch stärker auf die Magie dieses Ortes ansprachen.<br>Ohne lange zu überlegen packte der Zwerg Edelbrecht von hinten und schob ihn energisch weg von der Mitte des Steinkreises in Richtung Rand. Wo sie genau den Steinkreis verlassen würden, das war im Moment egal, Hauptsache, dass sie schleunigst da raus kämen! Edelbrecht schrie währenddessen wie am Spieß.<br>"Meine Hände... Ihr Götter, all das Blut!"<br>Erst als Olgosch den jungen von Borking zwischen zwei der aufragenden Steine hindurchgestoßen und selbst mit einigen energischen Schritten nachgekommen war, erlaubte er sich eine Antwort.<br>"Euer Wohlgeboren, was redet Ihr da? Nichts ist mit Euren Händen! Kommt zu Euch! In diesem seltsamen Ort scheint der Verstand leicht auszusetzen."<br>Erst jetzt wurde Olgosch klar, dass er sehr ruppig mit dem Ritter umgegangen war. Das war seiner eigenen Nervosität geschuldet, wie er sich eingestehen musste. Als er sich langsam beruhigte, begann auch sein eigener Verstand wieder zu arbeiten. Wo waren die anderen? Soweit Olgosch blicken konnte, war um sie herum das trügerische Gelände des Sumpfes. |
Aktuelle Version vom 2. April 2022, 14:12 Uhr
…”Verdammt, jetzt reicht es mir! Niemand geht mehr in diesen Kreis hinein! Habt ihr mich verstanden? Immerhin hat Edelbrecht mir die Verantwortung übertragen und ich lasse nicht zu, dass es womöglich weitere Opfer gibt.”
Etosch Gabelbart war außer sich. Er wusste, dass er versagt hatte und dass seine Autorität auf tönernen Säulen stand, auch wenn ihm momentan keiner der Anwesenden widersprach. Allein Danja Salderken schaute ihn trotz des Ernstes der Lage belustigt an. Eben wollte er eine weitere Schimpftirade beginnen, als Erborn seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen legte und ihm bedeutete, leise zu sein.
”Habt ihr das auch gehört?” fragte er flüsternd und lauschte angestrengt in die Nacht hinein.
Etosch spitzte die Ohren und hielt gespannt inne. Auch die anderen verhielten sich leise und nach wenigen Augenblicken zeichnete sich bei einigen ein Erkennen auf dem Gesicht ab.
Richtig, da war etwas gewesen. Jetzt hatte Etosch es auch gehört. Ganz leise zwar, nahezu unterdrückt, aber es war da gewesen.
Ein Wimmern – und es hatte geklungen wie ...
”EDELBRECHT!” rief der Zwerg so laut, dass Dwarrosch, der direkt neben ihm gestanden hatte, erschrocken zurückprallte.
”Edelbrecht, mein Junge, bist du das? Halt aus, wir kommen und holen dich.”
”Narr”, Reto von Tarnelfurt hielt den ungestümen Angroscho fest an der Schulter, als er Anstalten machte, direkt in den Kreis hineinzupreschen.
”Als hätten wir das nicht die ganze Zeit schon versucht. Ihr habt doch gesehen, so einfach ist es nicht.”
”Aber, das war Edelbrecht, ihr habt es doch auch gehört, nicht wahr? Ich muss zu ihm, wer weiß, was ihm in diesem Moment widerfährt, Edelbrecht, Edelbrecht…”
... seine Lippen berührten nasses Gras, er schmeckte Erde, roch den fauligen Dunst des Sumpfes – wie war das möglich? Er hatte doch seinen Kopf verloren, hatte deutlich das Knacken seiner Halswirbel gehört und den dumpfen Schmerz gespürt, als der orkische Scharfrichter zugeschlagen hatte. Immer noch waren da Geräusche um ihn herum, aber es war nicht mehr das meckernde Gekicher der Nadoreterin, sondern eine vertraut klingende, besorgte Stimme.
Erkennen schlich sich in Edelbrechts Gedanken, immer mehr Namen fielen ihm ein, suchten verzweifelt nach den richtigen Personen und Stimmen. Schließlich gewann einer die Oberhand, drängte sich in Edelbrechts Bewusstsein, so dass er wie unter Zwang seine Lippen zum Sprechen formte.
Krächzend stieß er einige Laute aus, übte sich im Gebrauch seiner Zunge und endlich brachte er ein leises ”Etosch” heraus. Er klammerte sich an diesen Namen, gebrauchte ihn als Anker, der ihn davor bewahrte, verrückt zu werden.
”Etosch”, erst noch leise, dann immer lauter, bis er schließlich aus Leibeskräften schrie: ”Etosch, Etosch.”
Von irgendwoher aus dem Dunkel antwortete ihm die vertraute Stimme: ”Edelbrecht, mein Junge, ja ich bin es, geht es dir gut? Habt ihr gehört, Reto? Das ist Edelbrecht! Edelbrecht…”
”…Etosch, nein es geht mir nicht gut,” bemühte sich der Borkinger weitere Worte hervorzubringen und seine Stimme gewann zunehmend an verzweifelter Kraft.
”Wieso? Um Himmels Willen, Edelbrecht, was ist dir widerfahren?”
”Man hat mir den Kopf abgeschlagen…”
”Man hat dir, WAAAAS? Oh Elend, das ist ja grausam, Edelbrecht wer, bei allem was mir heilig ist, hat dir das angetan?”
Edelbrecht wollte soeben zu einer Entgegnung ansetzen, als eine weitere Stimme sich in das Gespräch mischte und den Zwergen – Etosch war doch ein Angroscho, oder? – zurechtwies: ”Seid doch nicht albern, Etosch. Wie um alles in der Welt sollte er sprechen können, wenn er seines Kopfes beraubt worden wäre?”
”Hm, vermutlich Magie…” beharrte Etosch störrisch auf seiner Meinung.
Jetzt ertönte eine weibliche Stimme: ”Mir ist kein derartiger Spruch bekannt, mit dem man eine solche Wirkung hervorrufen könnte, es sei denn durch Illusionsmagie. Bei meiner vorherigen Analyse wies das hiesige arkane Gewebe jedoch keine Spuren eines derartigen Merkmals auf. Ich denke, diese Möglichkeit können wir daher ausschließen.”
Einen kurzen Moment lang herrschte Stille. Dann erklang wieder die Stimme des unbekannten Mannes.
”Ich hab’s! Edelbrecht, kannst du mich hören? Ich bin es, Reto. Reto von Tarnelfurt!”
Edelbrecht erinnerte sich an das Gesicht eines Mannes, der ihn vor Urzeiten, so schien es ihm, auf einer Reise in den Moorbrücker Sumpf begleitet hatte, damals, als es den Kosch unter Blasius vom Eberstamm noch gegeben hatte.
”Ja”, antwortete er ”ja, Reto, ich kann dich hören!”
”Öffne die Augen, Edelbrecht!”
”Habt ihr nicht gehört? Er hat den Kopf verloren”, wandte Etosch ein.
”Seid still, Zwerg!” fuhr die Frau dazwischen und an Edelbrecht gewandt: ”Nur Mut, Wohlgeboren, öffnet die Augen!”
Edelbrecht glaubte nicht, was mit ihm passierte. Er wünschte sich, sehen zu können, die Augen aufschlagen zu können und…
Sein Blick fiel auf eine dunkle Fläche, die schauerlich vom flackernden Licht einer Fackel erleuchtet wurde. In weiter Ferne standen dunkle gigantische Schemen. Er konnte sehen…
Schlagartig kam die Erinnerung zurück. Er war wieder in Moorbrück, war vielleicht nie weg gewesen. Sie waren ausgezogen, den kleinen Arbel zu suchen, er hatte einen Steinkreis betreten und dann?
Seine Hände fassten reflexartig an seinen Hals. Keine blutige Kerbe. Kein blutiger Stumpf. Sein Kopf saß ebendort, wo er hingehörte, fest und ruhig.
Edelbrecht rappelte sich auf. Zu seinen Füßen lag ein Zwerg – Olgosch. Und dort, etwas weiter weg bewegte sich Roban Grobhand von Koschtal wie ein Berseker mit seinen Armen wedelnd, als würde er einen Fechtkampf austragen.
Wenige Spann weit entfernt stand Rainfried von Grimsau mit einem Seil um die Hüften, vertieft in eine innige Umarmung seiner Selbst, die Lippen zu einem Kuss verzogen, während ihm die Tränen die Wangen entlangliefen.
”Edelbrecht, ist alles in Ordnung mit dir?”
Etoschs Worte rissen ihn aus seinen Betrachtungen und der Borkinger beeilte sich, seinen Gefährten außerhalb des Steinkreises seine Beobachtungen mitzuteilen.
”Gut, sie leben”, stellte Reto von Tarnelfurt befriedigt fest. ”Hör zu, Edelbrecht, wir machen jetzt Folgendes: Du führst die anderen zu Rainfried und bringst sie dazu, sich an ihm festzuhalten. Dann ziehen wir euch mit vereinten Kräften aus diesem namenlosen Steinkreis wieder heraus.”
”Nein, wartet”, rief Edelbrecht. ”Wenn wir schon in seinem Inneren sind, möchte ich mich gerne ein wenig hier umsehen. Ich glaube zwar nicht, dass Arbel hier ist oder noch hier ist, aber vergewissern will ich mich doch. Im Augenblick scheint uns keine unmittelbare Gefahr zu drohen.”
”Gut, aber sei vorsichtig, von hier draußen scheinen wir nicht viel machen zu können” rief Reto mit bebender Stimme und man hörte ihm an, dass er nicht gerne untätig draußen vor dem Steinkreis wartete…
Edelbrecht nickte. Dann nahm er eine der am Boden liegenden Fackeln, beugte sich zu Olgosch hinunter und versuchte, den Zwergen aus seiner Bewusstlosigkeit zu wecken – ohne Erfolg! Olgosch rührte sich nicht von der Stelle und nur das leichte Heben und Senken seines Brustkorbes sprachen dafür, dass er noch am Leben war.
An Roban kam Edelbrecht gar nicht erst heran, da dieser ihn sofort mit wütenden Schlägen traktierte, und auch Rainfried schien sich nicht aus seiner selbstvergessenen Umarmung lösen zu können.
Einstweilen ließ der Borkinger daher von seinen Freunden ab und wandte sich dem Inneren des seltsamen Steinkreises zu. So sehr er sich auch anstrengte, es gelang ihm in dem diffusen Dämmerlicht beim besten Willen nicht, abzuschätzen, wie groß die Fläche war, die von den gewaltigen Findlingen umschlossen wurde. Die Steine, und auch hier war sich Edelbrecht nicht sicher, waren jedoch von so gleichmäßiger Struktur, dass sie vermutlich bearbeitet worden waren, obgleich er keinerlei Gravuren oder Runen erkennen konnte.
”Hexenwerk”, murmelte er und schritt beunruhigt den Kreis ab, sich immer weiter von den anderen entfernend. Er verließ den äußeren Ring und legte mehrere Schritte auf dem harten, felsigen Boden zurück, als in der Mitte – zumindest glaubte Edelbrecht, dass hier die Mitte sei – eine weitere Steinansammlung sichtbar wurde.
Was mochte das sein? Edelbrechts Schritte wurden langsamer. Angestrengt starrte er in die Dunkelheit, doch er konnte keinerlei Bewegungen ausmachen. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er näher kam. An was erinnerten ihn diese Steine nur?
Erst als er in unmittelbarer Nähe stand, stieg eine Ahnung in ihm hoch – ein Altar oder Opferstein, richtig, das konnte es sein.
Aufgeregt untersuchte er die Seiten des ambossartigen Gebildes, um das eine schmale Rille im Boden führte. Bestürzt wich Edelbrecht zurück, als seine linke Hand unvermittelt in etwas Feuchtes gefasst hatte.
Beklommen führte er sie vor Augen und betrachtete sie genauer. Entsetzen überkam ihn. Seine linke Hand war über und über mit Blut beschmiert. Edelbrecht schrie aus vollen Leibeskräften auf…
Der Schrei des Borkingers genügte Danja, um einen kühnen – womöglich auch leichtsinnigen Entschluss zu fassen. Es war offensichtlich, dass der Ritter, der Magie ohnehin verabscheute, mit der dortigen Situation überfordert war. Sie hatte die Frage, ob sie sich durch Zauberei geschützt, in den Kreis wagen konnte, schon abgewogen. Die immer stärkere Eskalation innerhalb des Steinkreises beschleunigte die Entscheidung. Entschlossen setzte sie sich in Bewegung.
”Wohin wollt ihr?” kreischte Etosch beinahe panisch.
”Wohin schon, Angroscho?” gab Danja mit finsterer Miene zurück. ”Zieht Ihr lieber den Herrn von Grimsau zurück. Offenbar ist es ihm nicht gelungen, einen der anderen zu erreichen, und sobald er wieder in unseren Reihen weilt, werdet Ihr mich anseilen. Ich werde mich derweil vorbereiten!”
Etosch Gabelbart starrte sie an zwischen Zorn, Hoffnung und Verzweiflung schwankend.
”Verrücktes Gigrim-Weib!” fluchte er dann und griff mit fester Hand nach dem Seil.
”Rambox, Erborn, helft beim Ziehen!”
Die Angesprochenen fassten ebenfalls zu, und zu dritt zerrten sie an dem Seil, bis Rainfried von Grimsau wieder aus dem Nebel auftauchte. Seine Arme hatte er nach vorn gestreckt, als versuche er mit aller Kraft, ein unsichtbares Ziel zu erreichen, stemmte mit aller Kraft die Beine in den weichen Grund und schrie aus Leibeskräften nach einer Frau namens Madalein.
Als er mit einem letzten Ruck aus dem Kreis heraus war, sank er auf die Knie.
”Verlass mich nicht...”, wimmerte er kraftlos, eine Hand noch immer erhoben. Danja kniete sich neben ihn und blickte in ein niedergeschlagenes Gesicht.
”Ganz gleich, was Ihr gesehen habt, Wohlgeboren: es war nur ein Hirngespinst, ein Truggebilde, vermutlich von Eurer eigenen größten Angst genährt. Es mag schrecklich gewesen sein, doch Eure Weggefährten brauchen Euch bei klarem Verstand!”
Rainfried von Grimsau schien einige Momente zu benötigen, ehe die Worte seinen Verstand erreichten. Tränen glitzerten auf seinen Wangen, doch er wischte sie beiseite und nickte heftig.
”Natürlich!”
Resignation, aber auch Erleichterung schwang in dem einen Wort mit. Etosch und Rambox halfen dem Ritter auf die Beine und lösten das Seil von seiner Hüfte, nur um es anschließend Danja umzubinden.
”Wenn ihr mich panisch schreien hört, zieht – und wenn ihr mich bäuchlings aus dem Kreis schleifen müsst”, wies die Maga sie an, ehe sie sich an den Rand des Steinkreises begab. Schemenhaft konnte sie eine Gestalt darin umher wanken sehen, aber nicht genau erkennen, ob es Roban oder Edelbrecht war. Die umherziehenden Nebelfetzen verzerrten die Gestalt zu sehr, um die Größe exakt zu bestimmen.
Noch einmal atmete Danja durch, verbannte Angst und Vorbehalte in den hintersten Winkel ihres Verstandes und konzentrierte sich.
”PSYCHOSTABILIS” murmelte sie. Wenn der Zauber gelang, sollte er eine mögliche Beherrschung von ihr abwenden, oder doch zumindest auf ein erträgliches Maß abschwächen. Ob diese Rechnung aufging, konnte sie aber nur auf eine Weise herausfinden.
Ein letzter, entschlossener Schritt brachte sie in den Kreis...
Zunächst schien nichts zu geschehen. Sie spürte keine Veränderung, sah nichts, was nicht schon vorher da gewesen war. Dann sah sie ein schwaches Licht links von sich, ging vorsichtig näher.
Was sie sah, schien ihre schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Dort hockte eine alte Frau mit verbitterter Miene vor einem Beschwörungskreis und murmelte vor sich hin. Danja wappnete sich für einen magischen Angriff, doch dann ließ sie etwas innehalten.
Das faltige, der harte, entschlossene Ausdruck, die letzten roten Strähnen in dem grauen Haar...diese Frau war sie selbst! Ein Schreckensbild ihrer selbst, wie sie angesichts ewiger Rückschläge in ihren Forschungen auch vor ketzerischen Methoden und Dämonenmacht nicht mehr zurückschreckte, um zu Erkenntnissen zu gelangen.
”Nein!” Sie schloss die Augen und schüttelte energisch den Kopf. ”Nein, das werde ich nicht tun! Ich werde es NICHT TUN!”
Sie öffnete die Augen wieder. Das Horrorbild einer möglichen Zukunft war bedeutend blasser geworden, beinahe durchsichtig.
Danja ging weiter, schnurstracks hindurch. Ihr altes Ebenbild löste sich einfach auf. Die Maga atmete auf – die erste Hürde hatte sie geschafft, ihr Schutzzauber wirkte zumindest so gut, dass sie noch klar denken und Trug von Wahrheit unterscheiden konnte. Jetzt musste sie nur noch einen der Verschwundenen finden und hier heraus bringen, und diese Hürde würde wohl erheblich höher sein.
Wie aus einem Alkoholrausch, der einen in tiefen Schlaf versetzt, erwachte Olgosch. Ganz, ganz langsam glitt sein Bewusstsein vom Reich der Träume zurück in die Wirklichkeit. Zunächst hatte ihn jemand in die Seite geknufft - niemand anderes als Edelbrecht von Borking, als er über den Angroscho gestolpert war. Doch das war dem Sohn des Ogrim noch so vorgekommen, als versuchte ihn jemand zu Hause mit einem leichten Stoß unsanft aufzuwecken, und er hatte trotzig weiter geschlummert. Ebenso wirkungslos waren daher die weiteren Bemühungen des jungen von Borking geblieben, Olgosch wach zu bekommen. Endlich nahm dieser wahr, dass er auf feuchtem Stein lag. Da stimmte irgendetwas nicht!
Mühsam öffnete Olgosch die Augen und zwang sich, wach zu werden. Wo war er? Dieser Ort kam ihm völlig unbekannt vor. Gewiss, er befand sich in Moorbrück, das ließ sich unschwer mit der Nase erkennen, die den typischen Modergeruch einsog. Aber diesen Steinboden hatte er nie zuvor betreten, ansonsten müsste er sich als Angroscho schon daran erinnern! Nachdem sich der Zwerg ganz aufgerichtet hatte, versuchte er sich zu orientieren. Als er die aufgerichteten Steine erkannte, kehrte schlagartig die Erinnerung zurück.
"Gefahr!", signalisierten ihm seine Instinkte. "Schnapp dir Edelbrecht und dann nichts wie raus hier!", ging es Olgosch durch den Kopf. Er blickte sich hektisch um. Da hörte er einen lauten Schrei, der nur von dem jungen Ritter kommen konnte.
Olgosch eilte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Edelbrecht stand neben einem Haufen lose aufgeschichteter großer Steine und starrte entsetzt seine Hände an - warum, blieb dem Ambosszwerg verborgen. Doch erinnerte er sich gut daran, welcher Zauber ihn beim Betreten des Steinkreises übermannt hatte und es war gut möglich, dass Menschen noch stärker auf die Magie dieses Ortes ansprachen.
Ohne lange zu überlegen packte der Zwerg Edelbrecht von hinten und schob ihn energisch weg von der Mitte des Steinkreises in Richtung Rand. Wo sie genau den Steinkreis verlassen würden, das war im Moment egal, Hauptsache, dass sie schleunigst da raus kämen! Edelbrecht schrie währenddessen wie am Spieß.
"Meine Hände... Ihr Götter, all das Blut!"
Erst als Olgosch den jungen von Borking zwischen zwei der aufragenden Steine hindurchgestoßen und selbst mit einigen energischen Schritten nachgekommen war, erlaubte er sich eine Antwort.
"Euer Wohlgeboren, was redet Ihr da? Nichts ist mit Euren Händen! Kommt zu Euch! In diesem seltsamen Ort scheint der Verstand leicht auszusetzen."
Erst jetzt wurde Olgosch klar, dass er sehr ruppig mit dem Ritter umgegangen war. Das war seiner eigenen Nervosität geschuldet, wie er sich eingestehen musste. Als er sich langsam beruhigte, begann auch sein eigener Verstand wieder zu arbeiten. Wo waren die anderen? Soweit Olgosch blicken konnte, war um sie herum das trügerische Gelände des Sumpfes.