Wolfsjagd zu Wengenholm - Des Rätsels Lösung: Unterschied zwischen den Versionen

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K (Textersetzung - „{{KoschBriefspielindex}}“ durch „“)
Kunar (D | B)
K (Textersetzung - „[[Jahr ist::“ durch „[[Briefspieltext mit::“)
 
(2 dazwischenliegende Versionen von einem anderen Benutzer werden nicht angezeigt)
Zeile 17: Zeile 17:
}}
}}


[[Handlungsort ist::Grafschaft Wengenholm|Wengenholm]], [[Jahr ist::1023]]<br/>
[[Handlungsort ist::Wengenholm]], [[Briefspieltext mit::1023]]<br/>


Sie hatten den Tisch aus der allzu engen Kate getragen und sich auf einigen Holzklaftern wie auf
Sie hatten den Tisch aus der allzu engen Kate getragen und sich auf einigen Holzklaftern wie auf

Aktuelle Version vom 2. April 2022, 17:11 Uhr


Wengenholm, 1023

Sie hatten den Tisch aus der allzu engen Kate getragen und sich auf einigen Holzklaftern wie auf Schemeln niedergelassen. Mit erstaunlicher Kraft in den betagten Armen trug die Alte den dampfenden Kessel heraus und stellte ihn auf die Tafel. Holznäpfe waren mit einem Male zur Hand, und keiner wagte zu fragen, woher die alleine lebende Einsiedlerin genau die passende Anzahl für ihre Gäste hatte.

„Herr Lucardus, möchtet Ihr nicht das Tischgebet sprechen?“ fragte ihn Vogt Stolzenburg. Der Geweihte hob die Hände über die schlichte Tafel und sprach feierlich die uralte Formel, wie sie in allen zwölfgöttlichen Landen seit jeher zum Schutze des heiligen Gastrechts benutzt wird: „Travia sei Dank für Speis und Trank. Dem freundlichen Wirte zum Segen, dem Wandrer zur Stärkung auf seinen Wegen.“

Dann teilte Frau Isgrimma vom Walde die Suppe aus, während der Ritter Lucrann einen Laib Brot in Scheiben schnitt und diese den Gefährten reichte. „Ja, das kann man essen“, bemerkte Ritter Falk schmatzend und bekräftigte seine Behauptung, indem er den Löffel in rascher Folge vielmals zum Munde führte. „Fast so gut, wie’s meine Mutter immer kochte...“ Für einen Augenblick hielt da der Baron von Geistmark in seiner Bewegung inne, um sich das Bild des alten Haudegens in Mutters Stube auszumalen.

Der junge Metzel, als er sah, wie die Herren munter aßen, vergaß denn auch seine anfängliche Scheu. Man sagte zwar, es gäbe Hexen und unheimliche Weiber in den dunklen Forsten, denen nicht zu trauen war; doch wenn der gute Herr Graf so seelenruhig speiste – was hatte man dann zu fürchten? Einzig Meister Tannschlag wollte sich so ganz und gar nicht an die Suppe heranwagen und knabberte zunächst an einer Brotkruste. Schließlich brummte er aber etwas Unverständliches vor sich hin und füllte sich dann ebenfalls den Napf, um nach wenigen Augenblicken begeistert die köstliche Mahlzeit zu loben. Isgrimma lächelte zufrieden.

So also speisten sie in Firuns grüner Halle unter dem Sange der Vögel. Der Wind griff in die Wipfel der turmhohen Fichten wie ein Spielmann in die Saiten und rauschte Grüße aus West, wo die Koschberge in ihrer Majestät und blauweißgrauen Herrlichkeit emporragten, so alt, so schweigend, wie ein Denkmal ewger Treue, wie ein Bollwerk gegen den reißenden Strom der Zeit... Es war der junge Auersbrück, der schließlich die Stille des Waldwebens durchbrach, indem er sich an seine Gastgeberin wandte mit den Worten: „Sag an, Mütterchen, was meintest du vorhin mit deinen seltsamen Worten zur Begrüßung? Über die Natur und deren Kräfte?“ Die Alte lächelte schweigend, gab keine Antwort und schenkte ihm stattdessen ein weiteres Mal von der Pilzsuppe nach.

„Die Suppe ist wirklich vortrefflich“, bemerkte Lucrann, „Herr Graf, wollt Ihr unsere Wirtin nicht als fürdere Köchin einstellen?“ Und zu der Alten gewandt: „Wirklich, du hast ein wenig von meiner Mutter, wie mein werter Vater, Boron hab’ ihn selig, mir oft von ihrem Wesen erzählte. Sag, wohntest du in früheren Zeiten in Albumin und war sie dir bekannt? Kommen daher deine Andeutungen über meine Herkunft?“

„In früheren Zeiten...“, wiederholte die Alte mit dem schlohweißen Haar leise und blickte wie in weite Fernen. „Ach, das erinnert mich doch ganz an unser Rätsel!“ brachte da Globerich zwischen zwei Löffeln hastig hervor. „Lucrann, berichtet doch unserer Wirtin von Eurer, naja, Begegnung. Das wollten wir ja eigentlich fragen, oder?“ „Wie wahr!“ pflichtete Auersbrück ihm bei, doch auf seine Stirne hatte sich ein Schatten des Unwillens gelegt, weil ein Faden des Gespräches hier abgeschnitten worden, den er gerne weiter gesponnen hätte. Leichten Mutes aber fuhr er fort: „Nun denn, Mütterchen, vielleicht sollte ich von Anfang an berichten.

Auch wenn du viel zu wissen scheinst, was sich in diesen Wäldern abspielt...“ Und er erzählte von der Stimme aus der Quelle und dem Rätsel, das sie ihm gestellt hatte und welches niemand zu lösen vermochte. Als er mit dem letzten Teil des Orakels endete, blickte Isgrimma vom Walde lange in die Runde und sprach dann mit ernster Stimme: „Fürwahr, Ihr tatet gut daran, mich aufzusuchen, denn ich kann Euch Antwort geben.“ „So seid Ihr wirklich diejenige, die das Alter weiß und weise machte?“ fragte Metzel mit großen Augen. „Aber wir sind dir doch schon vor ein paar Tagen begegnet, Alte“, sagte der Graf. „Warum hast du uns nicht schon damals geholfen?“

„Herr Graf“, sprach Isgrimma und lächelte milde, „was hättet Ihr damals in Eurem Waidmannseifer wohl auf die Worte einer alten Pilzesammlerin gegeben, die einer Schar von edlen Jägern sagen will, wie sie den grauen Wolf von Wengenholm zu stellen hätten?“ „Das ist wohl wahr“, brummte Jallik und zog die Brauen hoch. „So muß ich daraus wohl die Lehre ziehen, daß sich’s auch für einen Grafen lohnt, sein Ohr vor Volkes Stimme nicht zu verschließen.“ „Sag, Mütterchen, war die Botschaft der Quelle etwa dein Werk?“ sprach Vogt Gelphart mit gerunzelter Stirne aus, was auch die andern wohl im Sinne trugen. „Ich weiß um viele Geheimnisse dieser Wälder“, sprach Isgrimma, „dies möge Euch als Antwort genügen. Doch nun lauscht meiner Geschichte. Sie trug sich zu in vergangenen Tagen, wohl bevor die meisten von Euch das Licht Deres erblickten.“

„Und deshalb liegt die Frage in den Zeiten?“ plapperte Metzel wieder dazwischen. „Ruh’ jetzt, Bursch!“ mahnte Ritter Falk. „Ich will die Geschichte hören. Ich mag Geschichten nämlich sehr. Weiß da selber ein paar gute...“

Aber er führte sie nicht weiter aus, denn Isgrimma mit den schlohweißen Haaren begann zu erzählen: „In einem schlimmen Winter vor vielen Götterläufen herrschte in der Gegend große Not. Die Ernte war schlecht gewesen, eine Rattenplage hatte die Speicher geleert, viele Rinder waren verhungert, die Menschen bangten um ihr Leben – und ringsumher hielt der gestrenge Gott das Land in seinem Bann, und die milde Ifirn vermochte seinen Grimm nicht zu lösen. Da kam eines Tages ein Fremder aus Norden gezogen. Es war ein seltsamer Mensch, mit rötlichem Haar, in Felle und Leder gekleidet, mit nie gehörtem Zungenschlag. An seiner Seite, friedlich und doch schrecklich anzusehen, schritt ein Tier, das manche für eine Wölfin, andre für eine wilde Hündin hielten. Der Mann, dessen Namen Walbrod war, bot den Leuten in den Dörfern seine Hilfe an. Sie fragten: Wie willst du uns wohl helfen, hast doch weder Geld noch Gut, ja nicht einmal einen Bogen. Doch er versprach ihnen, daß sie am andern Abend genug zu essen haben würden und den ganzen Winter hindurch. Sie wunderten sich, und einige glaubten, er sei vom Herren Firun geschickt, andere machten heilige Zeichen hinter seinem Rücken, denn er war ihnen unheimlich. Walbrod aber säumte nicht lange, sondern ging mit seiner Wölfin in den Forst und kam am andern Mittag zurück. Reiche Jagdbeute brachte er mit sich, doch sie trugen keine Wunden von Pfeilen, Messer oder Speer – einzig ihre Kehlen waren durchbissen von scharfen, wölfischen Zähnen. Er teilte das Fleisch gerecht unter den Waldbauern und Dörflern auf, und sie nahmen’s dankbar an und luden den Fremden an ihren Tisch; doch wohl war ihnen nicht in Gegenwart des seltsamen Mannes. Walbrod sprach wenig, und sie erfuhren nicht einmal, woher er kam, wer seine Eltern, was seine Heimat sei. Doch er hielt sein Versprechen und besorgte alle Tage Wild, das ihm seine Wölfin, die er Bronnja nannte, zu reißen pflegte. Und das war nicht gegen das Recht, denn den freien Wengenholmern ist es seit alters her erlaubt, in Zeiten größter Not auch Hochwild zu jagen. Oft fragte man Walbrod, was er sich als Lohn und Dank ausbedingen wollte, doch er schwieg auf solche Fragen.

Schließlich taute Tsa den Schnee fort, man trieb das Vieh auf die Almweiden, und das Leben wurde wieder leichter für die Menschen. Walbrod aber blieb in der Gegend, wenngleich er auch stets abseits der andern hauste und sich selten mit den Menschen gemein tat. Viele gab es, die fürchteten sich vor ihm und sagten, er habe den Bösen Blick. Denn als er mit einem Hirten aus Groinhag einmal in Streit geraten war, da hatte der Blick seiner Augen genügt, um den andern verstummen zu lassen; und einen durchgehenden Ochsen auf dem Pfade zur Angenburg hatte er mit wenigen Worten zur Ruhe gebracht. Besonders unheimlich aber schien den Leuten die Wölfin Bronnja, obgleich sie es doch war, die alle vor dem Hungertod bewahrt hatte. Es ging das Gerücht, Walbrod spräche mit dem Tier wie mit einem Freunde, und er teile mit ihm die Hütte und gar das Lager. So vergingen die Monde, und je länger Waldbrod in der Gegend weilte, desto weniger willkommen war er. Es ereigneten sich seltsame und traurige Dinge: der alte Holzhauer Gramfold wurde krank, nachdem er mit dem Fremden einen Streit gehabt; einen Mond darauf waren aus der Herde des Borschinger Sennen einige Lämmer verschwunden, und man hatte die Wölfin in Verdacht, weil es solche Spuren in der Nähe der Stallungen gab. Eines Tages schließlich verschwand ein Hirtenjunge, und man fand seinen kleinen Leib, von wilden Tieren zerrissen, in den Bergen. Da ward es den Menschen zuviel, und sie versammelten sich aus den umliegenden Dörfern und Gütern und zogen zu Waldbrods Hütte tief im Walde. Er war nicht zuhause, doch die Wölfin Bronnja weilte im Innern der Kate, da sie eine wunde Pfote hatte, und bleckte ihre gelbweißen Zähne. Aber die Leute trugen Speere bei sich, und sie töteten die Wölfin, dann steckten sie die Hütte in Brand. So verrauchte ihr Zorn, und sie glaubten, den bösen Fremden damit aus dem Lande zu treiben. Doch bevor er ging, erschien er noch einmal in Groinhag, wo man ihn auch zuerst gesehen hatte. Er stand nur schweigend am Dorfrand auf einem Hügel, eine dunkle Gestalt; wortlos hielt er die Linke zur Faust geballt und drohend zum Himmel erhoben, dann wandte er sich um und schritt von dannen...“

„Welch schaurige Mär“, sagte der Baron von Geistmark nachdenklich. „Und hat er Rache geschworen?“ „Nicht mit Worten“, erwiderte Isgrimma leise. „Und du glaubst, es sei dieser Walbrod, der nach so vielen Jahren wiedergekehrt ist, um sich zu rächen? Warum jetzt erst, warum nicht schon früher?“ fragte Lucrann.

„Weil ich in diesen Wäldern wache, und er füchtet mich. Doch ich bin alt geworden, und meine Kräfte schwinden, seine jedoch scheinen noch zu wachsen. Ach, fragt nicht weiter, welche Kräfte das seien! Die einen hüten Sumus Leib und sorgen sich um ihn, doch andere streben danach, mit ihrem Willen über die Natur zu herrschen. Walbrod ist zurückgekehrt, und diesmal ist es nicht die milde Bronnja, die ihm zu Seiten schreitet! Er hat die Macht und die Stimme, die Wölfe zur Versammlung zu rufen, sie um Hilfe und Rache zu bitten. Dies ist auch des Rätsels Lösung: der Wolf, den ihr sucht, ist nichts weiter als ein Wolf. Doch er hat einen Herren, einen menschlichen Herren, und dieser Mensch ist den anderen Menschen wie ein Wolf. Heute Nacht ist das Madamal wieder voll, und in dieser Nacht muß Walbrod seine Herrschaft über die Wölfe erneuern. Dann ist es Zeit, ihn zu überraschen und zu besiegen. Ich kann Euch an die Stätte führen, es ist eine enge Klamm am Wulfenstieg, nicht weit von hier. Doch ich muß Euch warnen: hütet Euch vor Walbrods Blicken, hütet Euch vor seiner Stimme.“

„Rondra wird mit uns sein“, sagte Lucardus von Hirschingen mit fester Stimme. „Und der Herr Firun“, fügte Baron Kordan bei, und alle nickten. Dann erhoben sie sich vom Tische.