Zu Rondra gegangen
Zu Rondra gegangen
Hardulf von Ödenhof entschlafen
ANGBAR, Firun 1043 BF. Am 8. Tag des Wintermondes hat Rondra Hardulf von Ödenhof zu sich gerufen. Der einstige Hauptmann der fürstlichen Schlachtreiter und Veteran zahlreicher Schlachten starb im Alter von 81 Jahren friedlich im Schlaf. Er hinterlässt keine Nachkommen.
„Hardulfs Familie waren immer die Reiter“, sagte Wehrmeisterin Alvide von Eichental bei der Bestattung, zu der sich zahlreiche frühere Untergebene des Hauptmanns auf dem Angbarer Boronanger versammelten. So hatte Hardulf es sich 1033 BF auch nicht nehmen lassen, noch lange nach seinem Abschied, schon über 70, den Heerzug nach Wengenholm als strategischer Berater zu begleiten. Fürst Anshold, der damals die Truppen führte, stiftete deshalb persönlich den Grabstein in Gestalt eines steigenden Löwen aus Eternenmarmor.
Gleichwohl waren auch Blutsverwandte des alten Recken zugegen. Etwas abseits von den Schlachtreitern und Veteranen sah man Willan von Ödenhof, den im Dienste des Barons von Vinansamt ergrauten, aber auch wohlgenährten Ministerialen. Mehr als der Tod des um zwanzig Jahre älteren und nicht eben wesensverwandten Bruders Hardulf ging ihm wohl nun die Erkenntnis nahe, dass aus seiner Geschwisterschar außer ihm nur noch der Älteste von allen, Reto, am Leben war. Der Herr von Ödenhof hatte seinen Bruder im vergangene Herbst noch einmal besucht, um gemeinsam einen Humpen zu heben. Eine winterliche Reise nach Angbar wäre aber nun gewiss zu viel für den greisen Gutsherrn gewesen, der so keinen letzten Abschied von Meister Hardulf nehmen konnte. Statt seiner war seine Erstgeborene Ulide erschienen. Ein Pfeilschuss eines Wilderers oder Marodeurs, der einst die linke Wange zerfetzt hatte, verlieh ihr in den Augen mancher ein harsches Aussehen. Um so herzerwärmender war der Anblick des aufgeweckten Knäbleins an ihrer Seite. Im Namen ihres Sohnes Barthelm erhob Ulide vor den Versammelten Anspruch auf Rüstung, Schwert und Streitaxt ihres verstorbenen Oheims, dessen Augenstern der Großneffe stets gewesen sei, wie sie sagte. Und wiewohl kein letzter Wille hinterlassen ward, mochte es ihr und dem Knaben niemand verwehren. Seine Kriegslanze hatte Hardulf von Ödenhof selbst im Tempel der Rondra als Opfer dargebracht, als ihm offenkundig wurde, dass die Kraft seines Armes nicht mehr genug für einen sicheren Stoß war.