Wer wagt, gewinnt

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Ausgabe Nummer 44 - Rahja 1029 BF

Wer wagt, gewinnt

Von den Launen des Sternenfuchses

ANGBAR. „Unverhofft kommt hofft“, sagt man, und dass in diesem Sprichwort einiges an Wahrheit liegt, durfte ein reisender Stutzer aus Phecadien erfahren, der im Torhaus zu Angbar sein Glück (und sein Geld) den launischen Würfeln anvertraute.

Vom ersten Spiele an war ihm der Herr Phex nicht hold gewesen, und die Talerchen, die er in einem anfangs prall gefüllten Beutel zu Tische getragen, gingen einer nach dem anderen dahin. Wo nun ein braver, den Nickel ehrender Bürger, den vielleicht einmal der Schalk zu einem Spielchen gereizt, nach dem zweiten oder dritten Ungewinn einsichtig nach Haus’ zu Krug und Werkbank zurückgekehrt wäre, da reizte diesen Fremden das Pech zu umso größerer Kühnheit, und er wagte seinen Einsatz selbst dann, wenn nur ein Drittich ihm den Sieg beschert hätte. Die anderen am Spieltisch, die mehr der Geselligkeit als des Gewinnes wegen das Spiel begonnen hatten, rieten ihm, nicht länger einem Unstern zu folgen, sondern den Würfel- mit dem Trinkbecher zu vertauschen, bevor er sich nicht einmal mehr den Schlummertrunk für die Nacht zu leisten vermöchte. Doch der verwegene Spieler hörte nicht darauf, und so kam es denn, dass er nicht nur seine gesamte Barschaft verspielte, sondern in den folgenden Runden auch seinen Ring, die guten Schnallenschuhe und zuletzt das schmucke Wams mit Messingknöpfen, sodass er barfuß und hemdsärmelig nach Hause gemusst hätte.

Schließlich war ihm gar nichts mehr zum Einsatze geblieben als die Pfeife, die ihm zwar als Erbstück eines Onkels am Herzen lag, für jeden anderen aber von geringem Wert erschien. Da er aber darauf beharrte, noch dieses eine letzte Mal sein Glück zu versuchen, ließen’s die anderen geschehen, auch wenn sie ihn für seine Unvernunft und seinen Übermut schalten und ihn ermahnten, dass es nicht gut sei, ein Erbstück zu verspielen. Darauf erwiderte keck der Jüngling, dass er ja nicht im Sinne habe zu verlieren, sondern zu gewinnen, und ergriff den Würfelbecher. Und schau! Dieses Mal war ihm der Sternenfuchs hold, und er warf einen Drittich mit Sechsen, was nicht zu überbieten ist.

Soll man so viel Wagemut nun schelten oder bewundern, der Meister Phex jedenfalls schien letzteres zu tun und blieb bei seinem neuen Schützling, den er bislang so schwer vernachlässigt hatte. Auf diese Weise gewann er ungefähr all das zurück, was er verloren hatte, sodass er zu später Stunde in dem Besitze stand, mit dem er das Torhaus betreten. Wie im Unglück, so war er nun aber im Glücke kühn und maßlos und wollte kein Ende haben. Wahrscheinlich glaubte er, nun den Spieß umdrehen zu können. Beschwingt durch Würfelglück und roten Wein pries er den Lederbecher als ein Füllhorn, dem Wurf um Wurf die blanken Taler entrollen und ihn reicher als Stippwitz machen würden.

Da aber schüttelten die anderen Spieler den Kopf und rieten ihm, nun wahrlich vom Spiele abzulassen und die Gunst des Listenreichen nicht länger zu gebrauchen. Er war darüber ungehalten und zeterte, sie wollten ja nur ihre Schäfchen in den sicheren Stall bringen, da er nun dem Wolfe gleich darüber herzufallen drohte. Es half ihm aber nichts, die anderen räumten den Spieltisch und gaben sich der Nachtruhe (oder anderen Vergnügungen im Hause) hin.

Karolus Linneger