Eine Uhr, zwei Meinungen und elf Zecher

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Ausgabe Nummer 46 - Rondra 1031 BF

Eine Uhr, zwei Meinungen und elf Zecher

Wie es zur Versetzung der Angbarer Zunfthaus-Uhr kam

ANGBAR. „Jede Veränderung ist von übel“, lautet ein altes Sprichwort, und angesichts der jüngsten Vorgänge auf Angbars Neumarkt könnte man beinahe den Eindruck gewinnen, dass einige Zeitgenossen dieses Wort zu ihrem Leitspruch erhoben haben. Aber eben nur beinahe.

Alles begann ganz harmlos mit einem Antrag, das berühmte Uhrwerk im Haus der Zünfte betreffend. Meister Raloxom Rotwang, der Wärtel der Uhr, grämte sich nämlich, dass sein Vater Relox sintemalen dieses Wunderwerk der Mechanik im Innenhof des Hauses installiert habe und nicht zum Neumarkt hin, wo es eine viel bessere Wirkung entfalten könne. Und da ohnehin bald eine größere Wartung des Getriebes fällig sei, bei der man all die Zahnräder, Walzen, Schrauben, Hebel ausbauen, reinigen und ölen, die Glocken, Pauken, Pfeifen und Trompeten richten, stimmen und prüfen, die Figuren neu bemalen, lackieren und zum Teil ersetzen müsse, wie er umständlich und detailverliebt den versammelten Ratsherren und -damen auseinandersetzte, könne man auch gleich die Mühe auf sich nehmen, sie an einen anderen Ort — nämlich oberhalb des Balkons in der Fassade — zu versetzen.

Über diesen Punkt wurde in der Ratsversammlung lange diskutiert, ohne freilich zu einem klaren Ergebnis zu gelangen; und noch am Abend im Ratskeller bewegte das Thema die Gemüter einiger Damen und Herren über ihrem Bierkrug. Dabei muss es wohl eine Schankmagd oder ein anderer Gast* aufgeschnappt haben, denn bald machte das Gerücht, die Relox-Uhr werde versetzt, in den Angbarer Gassen die Runde. Und so kam es, dass bei der nächsten Sitzung des Zunftrates der Stadtvogt durch ein merkwürdiges Poltern vom Neumarkt her in seiner Rede gestört wurde, darob ans Fenster trat und verdutzt hinausschaute. Denn dort unten auf dem Platze stand ein langer Eichenholztisch, den man offenbar aus einer Schenke herbeigetragen hatte, und daran saß ein knappes Dutzend Angroschim mit trotzigen Gesichtern, den Bierkrug in der Hand. „Die Zunfthaus-Uhr muss bleiben!“, riefen sie im Chor, stießen ihre Humpen dröhnend auf die Tischplatte, dass der weiße Schaum spritzte, und hoben sie anschließend zu einem tiefen Schluck an den Mund. „Die Zunfthaus-Uhr muss bleiben!“, polterten sie dann wieder, ließen wieder die Humpen dröhnen und nahmen wieder einen tiefen Schluck.

Da trat der Herr Bosper zu Stippwitz auf den Balkon hinaus und fragte sie, was das denn solle? — „Protestzechen ist das, Herr Vogt!“, kam von unten die brummige Antwort. „Wir sitzen hier und trinken, bis Ihr beschließt, die Uhr zu lassen, wo sie ist.“

Verstimmt ob solch einer plumpen Erpressung fragte der Vogt spitz: „Soso. Und wenn wir sie dennoch versetzen lassen?“ Dies rief eine gewisse Verblüffung bei den Protestzechern hervor, denn offenbar hatten sie noch gar nicht in Betracht gezogen, dass ihre Unternehmung nicht den gewünschten Nutzen haben könne. Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens hatten sie sich aber wieder gefangen und stimmten abermals den Protesttrinkspruch an, gefolgt von Humpendröhnen und Kehlenbefeuchten. Indessen hatte sich eine dichte Traube von Menschen und Angroschim um die merkwürdige Tafel gebildet, sodass der Vogt, obgleich er es sicher gerne getan hätte, nicht einfach in den Ratssaal zurückkehren und zur Tagesordnung übergehen konnte. Da trat Meister Anghalm Eisenstrunk mit einem verschmitzten Lächeln neben ihn und rief hinab zu den Protestzechern: „Ei nun, wenn Euch die Uhr so wichtig ist, warum sitzt ihr dann nicht im Innenhof, wo ihr sie sehen könnt?“ — „Da ist es zu schattig und kühl!“, kam prompt die Antwort. — „Ja, wenn es so ist“, erwiderte Gevatter Eisenstrunk lächelnd, „dann freut euch doch, wenn wir die Uhr dorthin versetzten lassen, wo die Sonne hinfällt!“ Dies rief erneute Verblüffung bei der Tafelrunde hervor; einige stellten sogar ihren Humpen ab und fuhren sich nachdenklich durch den Bart. Dann rief einer: „Zunfthaus-Uhr und Sonne!“ und ließ den Humpen dröhnen. Sofort hellten sich die Gesichter seiner Zechkumpanen wieder auf, und dankbar nahmen sie den neuen Trinkspruch an.

Tatsächlich wurde die Versetzung der Zunfthausuhr gemäß dem Antrag Meisters Raloxoms beschlossen und bald darauf unter nicht geringem Aufwand in die Tat umgesetzt. Und sooft es ihre Arbeit zuließ, schleppten die ehemaligen elf Protestzecher ihre Tafel auf den Neumarkt, um das Hämmern und Klopfen der Handwerker mit zustimmendem Humpenschlag zu begleiten.

Karolus Linneger

  • Der Ratskeller darf freilich auch von anderen Gästen besucht werden. Vor allem der Schweinebraten mit Soße und Klößen ist sehr zu empfehlen, aber auch die Haxen mit Kraut oder der Bachenmagen nach Fürstenart.

Meisterinformationen

Einige Abenteuerideen von Wolfhardt findet sich unter dem Titel "Weitere Abenteuerideen zu verschiedenen Artikeln" unter den Abenteuerschauplätzen.