Ankunft in Moorbrück - Die Tafel: Unterschied zwischen den Versionen

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Roban grinste bei dem Gedanken etwas schief.<br/>„Dümmlicher [[Oger]]“, schimpfte er sich dann selbst. Er hatte wichtigere Probleme als Ritter Grimm – einen gewissen Hügel, mitten im Sumpf, beispielsweise! Er würde sich möglichst bald um die dringlichsten Probleme kümmern müssen, vor allen Dingen die Wege und trinkbares Wasser musste er haben, sonst konnte er gleich nach [[Koschtal]] zurückkehren. Zu ärgerlich, dass man einen Sumpf nicht einfach erschlagen konnte...<br>Ilvine hatte sich anfangs mit dem Vogt unterhalten, der aber bald zu schnaufen begann und wenig zu einem Gespräch aufgelegt zu sein schien. Er sah aus als würde er sich nach Birkendamm sehnen, nach einem heißen Bad und einem Abend am Kamin. Jeder neue Schritt durch den Sumpf, der ihn fast verschluckt hätte und sein teures Ross raubte, brachte ihm Unbehagen.<br/>Als ihr Maultier vor etwas scheute, was durchs Sumpfgras huschte, nutzte sie die Gelegenheit, sich zurückfallen zu lassen. Munter wie eine Hausiererin zwischen einem Dorf und dem nächsten marschierte sie mal zwischen, mal hinter den Rittern, summte einmal sogar ein paar Takte eines Liedes vor sich hin, dabei warf sie jedoch immer wieder wachsame Blicke auf Sumpfland und Gesträuch oder beobachtete nachdenklich die Neubelehnten.<br/>Nach einer Weile geriet sie – zufällig oder auch gewollt – neben den grimmig vor sich hingrübelnden und Mücken erschlagenden Roban.<br/>Zunächst lief sie schweigend neben ihm her, gelegentlich ebenfalls nach einer Mücke schlagend, dann fragte sie ihn: „Wieviele habt Ihr schon?“<br>„Vierund... Moment!“<br/>Ein weiterer Blutsauger beendete sein Dasein als zermatschter Fleck auf dem Arm des Ritters.<br/>„Fünfundsiebzig! Und bis zum Abend werde ich wohl die Hundert voll bekommen! Dann ist Feierabend mit Zählen!“<br/>„Habt Ihr Euer Soll dann erfüllt?“ fragte Ilvine amüsiert. Roban hob mit einem verlegenen Grinsen die Schultern.<br/>„Nein – weiter kann ich nicht zählen! Ich müsste wohl jedes Mal den Ritter vom Kargen Land fragen, was als nächstes kommt...“<br/>Trotz aller Höflichkeit konnte Ilvine ein kurzes Auflachen nicht unterdrücken, doch das schien Roban nicht weiter zu stören. Ein Mann, der mit seinen Waffen wohl mehr anzufangen wusste als mit Zahlen, und sich dieses Defizits wohl auch bewusst war.<br/>„Alle Mücken in Moorbrück werdet Ihr ohnehin nicht erschlagen können“, gab sie zu bedenken.<br/>„Es ist der Kampf, der uns auszeichnet, nicht unbedingt der Sieg“, murmelte der Ritter halblaut, als rezitiere er einen Satz seines Lehrmeisters. Dann blickte er Ilvine mit einem merkwürdig nachdenklichen Ausdruck an.<br/>„Vielleicht können wir auch den [[Moorbrücker Sumpf|Sumpf]] nicht trockenlegen, zumindest nicht in dieser Generation.“<br/>Ilvine verschluckte ein verblüfftes 'Hattet Ihr das erwartet?' Stattdessen fragte sie:<br/>„Ihr zweifelt?“ und legte die Stirn in Falten.<br/>„Nur ein hochmütiger Narr ist sich des Sieges schon vor dem ersten Schlagabtausch sicher. Der Sumpf hier“, Roban beschrieb eine weit ausholende Geste, „ist ein harter und zäher Feind. Ihn zu bezwingen, wird nicht einfach werden, und es wird lange dauern. Immerhin konnte er allen Versuchen, ihn trocken zu legen, vierhundert Sommer lang trotzen!“<br/>„Und trotzdem wollt Ihr es versuchen“, stellte Ilvine fest. Roban nickte entschlossen.<br/>„Ganz recht. Unser Fürst rief seine Ritter, diesen Sumpf trocken zu legen, und als gute Ritter“, diesmal galt die Geste der marschierenden Gruppe, „zogen wir aus, dem Wort des Fürsten Folge zu leisten.“<br/>„Also seid Ihr als gehorsamer Vasall hier“, lächelte die Geweihte, „oder gibt es noch andere Gründe, warum Ihr hier Moorbrücker Mücken jagt und mitten zwischen Moortümpeln ein Heim errichten wollt?“<br/>Abrupt blieb Roban stehen und blickte Ilvine misstrauisch an.<br/>„Ihr werdet mir einen weiteren Fehltritt verzeihen müssen, Euer Gnaden“, sagte er mit einem leisen Seufzer, „aber meine Beweggründe, hierher zu kommen, würde ich einstweilen lieber für mich behalten!“<br/>Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich mit großen Schritten wieder in Bewegung.<br/>„Meine Frage habt Ihr ja beantwortet“, erwiderte die Geweihte und setzte sich ebenfalls wieder in Marsch. Wäre Roban nicht so vorausgestürmt, hätte er bemerkt, dass sie grinste, wobei Grübchen in ihren Wangen erschienen.<br/>„Fehltritt verziehen!“<br/>Auch sie machte eine ausholende Geste, wohl um theatralisch ihre Großzügigkeit zu betonen. Das irritierte aber ihr Maultier, das unwillig zurückscheute, womit Ilvine vollends hinter dem Ritter zurückblieb. So entging diesem auch der nachdenkliche Blick der Geweihten, mit dem sie hinter ihm hersah.<br/>„Und Ihr?“ fragte Ilvine, gleich wieder munter, den nächsten Neusiedler, neben den sie durch die Verzögerung geraten war.<br/>„Was treibt Euch dazu, die Sumpffrösche vertreiben zu wollen?“<br/>Es war ausgerechnet der ebenfalls nicht übermäßig heiter gestimmte Edelbrecht.<br>„Es verwundert mich, wie ihr, Euer Gnaden, von der großen und ehrenvollen Aufgabe sprecht, die unser hochwohlgeborener hochzuverehrender Fürst uns Neusiedlern zugedacht hat“, bellte Edelbrecht die verdutzte Ilvine an, nur um gleich darauf in versöhnlicheren Tonfall fortzufahren.<br/>„Ein Familienzwist hat sich dadurch zum Guten gewendet, dass ich diese Bürde auf mich nahm. Gleichzeitig wurde es wohl auch höchste Zeit, dass ich das Elternhaus verließ und nunmehr endlich ein eigenes Lehen verwalte. Ihr seid mir selbstverständlich jederzeit willkommen.“<br/>„Alles andere hätte mich auch schwer gewundert!“ gab die Traviageweihte herausfordernd zurück, biß sich aber gleich auf die Lippen und fuhr fort: „Eine gute und ehrenhafte Beilegung eines Zwistes, noch dazu in der Familie. – Habt Ihr schon genauere Pläne oder gar Leute für Euer Gut?“<br/>„Nun, der ein oder andere Gefährte aus früheren Tagen wird mir sicherlich hilfreich zur Seite stehen. Wie ich meine Siedlung hingegen im einzelnen aufbauen werde, ist mir bislang selbst noch nicht in allen Einzelheiten klar. Dafür wird der Siedlungsplatz sicherlich noch das ein oder andere Mal genauer untersucht werden müssen. Immerhin die Gottheit für den Schrein ist schon festgelegt – das ist sicherlich ein guter Anfang.“<br/>Während Edelbrecht noch einige Sätze belanglosen Inhalts mit Ilvine wechselte, beobachtete Reto die Geweihte genau; in ihrer Nähe war es nie still, fast als wenn man einen Barden an seiner Seite hätte; das gereichte ihr als Traviageweihte natürlich zur Ehre. Reto versuchte dennoch einen Moment abzupassen, in der er sich zu ihr zurückfallen lassen oder zu ihr aufschließen konnte, um mit ihr ins Gespräch zu kommen. Endlich ergab sich eine Möglichkeit.<br/>„Herr von Tarnelfurt, richtig?“ fragte Ilvine, als der Ritter neben ihr ging.<br/>„Ihr seid in Begleitung Bruder Perainfrieds gekommen, nicht wahr?“<br/>Reto schaute die Geweihte etwas verwundert an. Etikette schien nicht ihre Stärke zu sein, dachte sich Reto.<br/>„Richtig, Euer Gnaden, Perainfried begleitet mich. Was ich euch fragen möchte, müssen nicht alle Anwesenden hören, verzeiht mir also, wenn ich etwas leiser spreche. Ich habe große Pläne mit Therbunja und frage mich ob euer Orden….“<br/>Dann sprach Reto so leise, das nur Ilvine es hören konnte.<br>Roban blieb stehen, nachdem er fast auf gleicher Höhe mit Bolzer war – vor dem Torfstecher, der die Gruppe ja immerhin als Pfadfinder begleitete, wollte er denn doch nicht marschieren. Er sah, wie Ilvine neben Reto ging. Der Tarnelfurter schien auf sie einzureden, vermutlich breitete er bereits die Pläne für seine Siedlung aus. Dass er dem Orden der drei guten Schwestern ein Kloster errichten wollte, hatte er ja bereits in Birkendamm erklärt, und mit dieser schwatzhaften Ilvine hatte gleich die passende Ansprechpartnerin.<br/>Er selbst hatte sich eine mögliche Unterstützung mit seiner ungehobelten Art wohl wieder einmal verdorben. Wenn er so weiter machte, würde er der einzige Bewohner von [[Hohentrutz]] bleiben. Leise auf sich selbst schimpfend setzte er sich in Bewegung. Was nützten die besten Vorsätze, wenn er zu dämlich war, sie umzusetzen!<br>Boromil war inzwischen aufgefallen, dass der Ritter Grobhand von Koschtal keinen guten Tag zu haben schien. Zumindest machte er nach mehreren Gesprächen immer noch eine missmutige Miene - welcher Kontrast zu den anderen, denen man  größtenteils anmerken konnte, wie froh sie waren ob der Aussicht, bald den Sumpf verlassen und ihre Siedlungsplätze in die Tat umsetzen zu können. Ob da etwas im argen lag?<br/>"Auf ein Wort, frischernannter Ritter zu Hohentrutz!" sprach er Roban an.<br/>Dieser unterbrach seinen leisen Monolog und schaute Boromil erwartungsvoll an.<br/>"Ihr habt Euch gegenüber Eurem Nachbarn, dem Mitglied einer verfeindeten Familie, ehrenhaft verhalten. Auch habt Ihr einen Standort nach Wunsch bekommen und sogar einen passenden Namen für ihn gefunden. Dennoch spricht Euer Gesicht Bände. Was bedrückt Euch?"<br/>Boromil ließ sich absichtlich zusammen mit Roban ein wenig zurückfallen. Es musste ja nicht jeder mithören, was sie zu besprechen hatten.<br/>"Ach, es ist... nun ja, Ihr kennt ja meine Art inzwischen! Beim Gewinnen neuer Siedler und Verbündeter ist das nicht gerade hilfreich!"<br/>"Dass Ihr in Etikette nicht so sicher seid wie ich und das Herz auf der Zunge tragt, haben wir alle mitbekommen. Und dass Ihr in punkto Galanterie dem jungen Herrn von Grimsau etwas nachsteht, ist ebenfalls kein Geheimnis. Aber wenn Ihr Euch in jeder Disziplin an jemandem misst, der Euch übertrifft, ist es kein Wunder, wenn Ihr verdrießlich seid!"<br/>Der Ritter vom Kargen Land wies mit dem Kopf in Richtung Reto, der immer noch mit der Geweihten redete.<br/>"Ihr solltet Euch nicht mit den Tarnelfurter vergleichen, was die Ideen für die Neusiedlung betrifft. Er hat klare Pläne, in denen er sich nicht beirren lassen will. Das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt keine Bedingung zum Erfolg - und vom Fürsten nicht eingefordert! Glaubt Ihr denn, man hätte sechs Lehen vergeben, wenn man nur einen Ritter mit ausformulierten Absichten gebraucht hätte?"<br/>Roban verkniff den Mund, etwas überlegend, aber noch nicht überzeugt. Also fuhr Boromil fort:<br/>"Es soll doch die Vielfalt sein, die den Sieg über den Sumpf bringen soll. Ausdrücklich wurden alle Mittel erlaubt! Wenn Ihr nicht den gleichen Weg wie einige von uns nehmen könnt, dann wählt einen anderen, der zu Euch passt!"<br/>"Das ist leicht gesagt, aber schwer getan! Und im Sumpf muss man seinen Weg erst kennen, bevor man ihn geht! Sonst ist man verloren."<br/>"Nun, ich kann Euch natürlich keinen ausgeklügelten Plan präsentieren, wie Ihr genau vorgehen müsst! Es ist eher eine grobe Idee... oh, verzeiht, es war kein Wortwitz beabsichtigt! Jedenfalls solltet Ihr Euch auf Eure Stärken besinnen. Ihr habt einen Hügel, seid willensstark und redet geradeheraus. Wenn Euch der Umgang mit vielen Menschen schwerfällt, warum also nicht Zwerge fragen?"<br/>"Wollt Ihr Euch etwa doch über mich lustig machen?", brauste Roban auf. Nahm dieses Aufziehen nur wegen seiner Vorliebe für gut zu verteidigende Plätze denn kein Ende?<br/>"Aber nein", beeilte sich Boromil zu beschwichtigen, "ich meine es ernst! Hört zu: Ich erwähnte doch bereits, dass [[Boronwyn vom Kargen Land|mein Onkel]] eine Art Vermittler zwischen Menschen und einem Klan [[Hügelzwerge]] ist. Vielleicht sind diese bereit, Euch einige Spezialisten zu schicken, die Euch beim Anlegen von Bauten beraten und die wissen, was man hier an Essbarem aus dem Boden holen kann! Hügelzwerge sind als Pilzzüchter bekannt. Falls es Euch gelingt, einige von ihnen zu überzeugen, hier zu bleiben, dürfte für das leibliche Wohl zumindest gesorgt sein! Nun, was haltet Ihr von der Idee?"<br/>Boromil sah Roban aufmunternd an.<br/>„Gedacht hatte ich daran schon“, gab Roban zu.<br/>„In [[Koschtal]] gibt es schließlich mehr als genug Angroschim, ich beherrsche die Sprache leidlich und halte viel von Zwergenarbeit. Womöglich lässt sich nicht nur die Oberfläche des Hügels nutzen...“, für einige Sekunden versank Roban in Grübelei, dann schlug er Boromil kräftig auf die Schulter.<br/>„Danke, Boromil. Für eure Idee und dafür, dass ihr mich wieder aufgebaut habt!“<br/>„Keine Ursache!“ erwiderte Boromil rasch und vermied es, sich die schmerzende Schulter zu reiben.<br/>„Und Siedler werden sich schon finden, die mit dem großen Maul ihres Ritters auskommen können. Und die Galanterie“, Roban setzte einen gequälten Gesichtsausdruck auf, „na ja, die hinkt nicht nur, sondern kriecht schon auf dem Zahnfleisch. Aber um eine Frau kann ich mich noch kümmern, wenn die Siedlung ihre ersten paar Sommer überstanden hat. Wie steht es bei Euch – ist Eure Hand bereits vergeben?“<br/>„Bis dato noch nicht“, gestand Boromil, „auch bei mir hat sich die Frau Rahja bislang etwas Zeit gelassen.“<br/>„Kommt Zeit, kommt Weib!“ grinste Roban.<br/>„Zumindest in der Hinsicht reicht meine Zuversicht für uns beide!“<br/>Bolzer hatte die neuen Lehensherren zunächst denselben Weg zurückgeführt, den sie vom künftigen Therbunja her gekommen waren. Dann aber schwenkte er südostwärts auf einen flachen, mit Heide und niedrigen Gehölzen bewachsenen Hügelzug ein.<br/>„Das war doch so, daß die Herrn gleich zur Kate wolln, nich erst nochmal zum fünften Platz zurück?“ fragte er sicherheitshalber in die Runde.<br/>„Direkt zur Kate“, erklärte Roban, der während des Marsches den Abstand zu Ilvine wieder verkürzt hatte.<br/>„Alma, das ist die zweite Wegkundige, wird wohl schon langsam ungeduldig werden – immerhin muss sie die Pferde und Hardgers Ziegen mitversorgen!“<br/>„Nummer fünf, ist das nicht Therbunja?“ fragte Ilvine.<br/>„Schade! Den Platz hätt' ich zu gern gesehen!“<br/>Lange hielt ihre Enttäuschung jedoch nicht an.
 
Roban grinste bei dem Gedanken etwas schief.<br/>„Dümmlicher [[Oger]]“, schimpfte er sich dann selbst. Er hatte wichtigere Probleme als Ritter Grimm – einen gewissen Hügel, mitten im Sumpf, beispielsweise! Er würde sich möglichst bald um die dringlichsten Probleme kümmern müssen, vor allen Dingen die Wege und trinkbares Wasser musste er haben, sonst konnte er gleich nach [[Koschtal]] zurückkehren. Zu ärgerlich, dass man einen Sumpf nicht einfach erschlagen konnte...<br>Ilvine hatte sich anfangs mit dem Vogt unterhalten, der aber bald zu schnaufen begann und wenig zu einem Gespräch aufgelegt zu sein schien. Er sah aus als würde er sich nach Birkendamm sehnen, nach einem heißen Bad und einem Abend am Kamin. Jeder neue Schritt durch den Sumpf, der ihn fast verschluckt hätte und sein teures Ross raubte, brachte ihm Unbehagen.<br/>Als ihr Maultier vor etwas scheute, was durchs Sumpfgras huschte, nutzte sie die Gelegenheit, sich zurückfallen zu lassen. Munter wie eine Hausiererin zwischen einem Dorf und dem nächsten marschierte sie mal zwischen, mal hinter den Rittern, summte einmal sogar ein paar Takte eines Liedes vor sich hin, dabei warf sie jedoch immer wieder wachsame Blicke auf Sumpfland und Gesträuch oder beobachtete nachdenklich die Neubelehnten.<br/>Nach einer Weile geriet sie – zufällig oder auch gewollt – neben den grimmig vor sich hingrübelnden und Mücken erschlagenden Roban.<br/>Zunächst lief sie schweigend neben ihm her, gelegentlich ebenfalls nach einer Mücke schlagend, dann fragte sie ihn: „Wieviele habt Ihr schon?“<br>„Vierund... Moment!“<br/>Ein weiterer Blutsauger beendete sein Dasein als zermatschter Fleck auf dem Arm des Ritters.<br/>„Fünfundsiebzig! Und bis zum Abend werde ich wohl die Hundert voll bekommen! Dann ist Feierabend mit Zählen!“<br/>„Habt Ihr Euer Soll dann erfüllt?“ fragte Ilvine amüsiert. Roban hob mit einem verlegenen Grinsen die Schultern.<br/>„Nein – weiter kann ich nicht zählen! Ich müsste wohl jedes Mal den Ritter vom Kargen Land fragen, was als nächstes kommt...“<br/>Trotz aller Höflichkeit konnte Ilvine ein kurzes Auflachen nicht unterdrücken, doch das schien Roban nicht weiter zu stören. Ein Mann, der mit seinen Waffen wohl mehr anzufangen wusste als mit Zahlen, und sich dieses Defizits wohl auch bewusst war.<br/>„Alle Mücken in Moorbrück werdet Ihr ohnehin nicht erschlagen können“, gab sie zu bedenken.<br/>„Es ist der Kampf, der uns auszeichnet, nicht unbedingt der Sieg“, murmelte der Ritter halblaut, als rezitiere er einen Satz seines Lehrmeisters. Dann blickte er Ilvine mit einem merkwürdig nachdenklichen Ausdruck an.<br/>„Vielleicht können wir auch den [[Moorbrücker Sumpf|Sumpf]] nicht trockenlegen, zumindest nicht in dieser Generation.“<br/>Ilvine verschluckte ein verblüfftes 'Hattet Ihr das erwartet?' Stattdessen fragte sie:<br/>„Ihr zweifelt?“ und legte die Stirn in Falten.<br/>„Nur ein hochmütiger Narr ist sich des Sieges schon vor dem ersten Schlagabtausch sicher. Der Sumpf hier“, Roban beschrieb eine weit ausholende Geste, „ist ein harter und zäher Feind. Ihn zu bezwingen, wird nicht einfach werden, und es wird lange dauern. Immerhin konnte er allen Versuchen, ihn trocken zu legen, vierhundert Sommer lang trotzen!“<br/>„Und trotzdem wollt Ihr es versuchen“, stellte Ilvine fest. Roban nickte entschlossen.<br/>„Ganz recht. Unser Fürst rief seine Ritter, diesen Sumpf trocken zu legen, und als gute Ritter“, diesmal galt die Geste der marschierenden Gruppe, „zogen wir aus, dem Wort des Fürsten Folge zu leisten.“<br/>„Also seid Ihr als gehorsamer Vasall hier“, lächelte die Geweihte, „oder gibt es noch andere Gründe, warum Ihr hier Moorbrücker Mücken jagt und mitten zwischen Moortümpeln ein Heim errichten wollt?“<br/>Abrupt blieb Roban stehen und blickte Ilvine misstrauisch an.<br/>„Ihr werdet mir einen weiteren Fehltritt verzeihen müssen, Euer Gnaden“, sagte er mit einem leisen Seufzer, „aber meine Beweggründe, hierher zu kommen, würde ich einstweilen lieber für mich behalten!“<br/>Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich mit großen Schritten wieder in Bewegung.<br/>„Meine Frage habt Ihr ja beantwortet“, erwiderte die Geweihte und setzte sich ebenfalls wieder in Marsch. Wäre Roban nicht so vorausgestürmt, hätte er bemerkt, dass sie grinste, wobei Grübchen in ihren Wangen erschienen.<br/>„Fehltritt verziehen!“<br/>Auch sie machte eine ausholende Geste, wohl um theatralisch ihre Großzügigkeit zu betonen. Das irritierte aber ihr Maultier, das unwillig zurückscheute, womit Ilvine vollends hinter dem Ritter zurückblieb. So entging diesem auch der nachdenkliche Blick der Geweihten, mit dem sie hinter ihm hersah.<br/>„Und Ihr?“ fragte Ilvine, gleich wieder munter, den nächsten Neusiedler, neben den sie durch die Verzögerung geraten war.<br/>„Was treibt Euch dazu, die Sumpffrösche vertreiben zu wollen?“<br/>Es war ausgerechnet der ebenfalls nicht übermäßig heiter gestimmte Edelbrecht.<br>„Es verwundert mich, wie ihr, Euer Gnaden, von der großen und ehrenvollen Aufgabe sprecht, die unser hochwohlgeborener hochzuverehrender Fürst uns Neusiedlern zugedacht hat“, bellte Edelbrecht die verdutzte Ilvine an, nur um gleich darauf in versöhnlicheren Tonfall fortzufahren.<br/>„Ein Familienzwist hat sich dadurch zum Guten gewendet, dass ich diese Bürde auf mich nahm. Gleichzeitig wurde es wohl auch höchste Zeit, dass ich das Elternhaus verließ und nunmehr endlich ein eigenes Lehen verwalte. Ihr seid mir selbstverständlich jederzeit willkommen.“<br/>„Alles andere hätte mich auch schwer gewundert!“ gab die Traviageweihte herausfordernd zurück, biß sich aber gleich auf die Lippen und fuhr fort: „Eine gute und ehrenhafte Beilegung eines Zwistes, noch dazu in der Familie. – Habt Ihr schon genauere Pläne oder gar Leute für Euer Gut?“<br/>„Nun, der ein oder andere Gefährte aus früheren Tagen wird mir sicherlich hilfreich zur Seite stehen. Wie ich meine Siedlung hingegen im einzelnen aufbauen werde, ist mir bislang selbst noch nicht in allen Einzelheiten klar. Dafür wird der Siedlungsplatz sicherlich noch das ein oder andere Mal genauer untersucht werden müssen. Immerhin die Gottheit für den Schrein ist schon festgelegt – das ist sicherlich ein guter Anfang.“<br/>Während Edelbrecht noch einige Sätze belanglosen Inhalts mit Ilvine wechselte, beobachtete Reto die Geweihte genau; in ihrer Nähe war es nie still, fast als wenn man einen Barden an seiner Seite hätte; das gereichte ihr als Traviageweihte natürlich zur Ehre. Reto versuchte dennoch einen Moment abzupassen, in der er sich zu ihr zurückfallen lassen oder zu ihr aufschließen konnte, um mit ihr ins Gespräch zu kommen. Endlich ergab sich eine Möglichkeit.<br/>„Herr von Tarnelfurt, richtig?“ fragte Ilvine, als der Ritter neben ihr ging.<br/>„Ihr seid in Begleitung Bruder Perainfrieds gekommen, nicht wahr?“<br/>Reto schaute die Geweihte etwas verwundert an. Etikette schien nicht ihre Stärke zu sein, dachte sich Reto.<br/>„Richtig, Euer Gnaden, Perainfried begleitet mich. Was ich euch fragen möchte, müssen nicht alle Anwesenden hören, verzeiht mir also, wenn ich etwas leiser spreche. Ich habe große Pläne mit Therbunja und frage mich ob euer Orden….“<br/>Dann sprach Reto so leise, das nur Ilvine es hören konnte.<br>Roban blieb stehen, nachdem er fast auf gleicher Höhe mit Bolzer war – vor dem Torfstecher, der die Gruppe ja immerhin als Pfadfinder begleitete, wollte er denn doch nicht marschieren. Er sah, wie Ilvine neben Reto ging. Der Tarnelfurter schien auf sie einzureden, vermutlich breitete er bereits die Pläne für seine Siedlung aus. Dass er dem Orden der drei guten Schwestern ein Kloster errichten wollte, hatte er ja bereits in Birkendamm erklärt, und mit dieser schwatzhaften Ilvine hatte gleich die passende Ansprechpartnerin.<br/>Er selbst hatte sich eine mögliche Unterstützung mit seiner ungehobelten Art wohl wieder einmal verdorben. Wenn er so weiter machte, würde er der einzige Bewohner von [[Hohentrutz]] bleiben. Leise auf sich selbst schimpfend setzte er sich in Bewegung. Was nützten die besten Vorsätze, wenn er zu dämlich war, sie umzusetzen!<br>Boromil war inzwischen aufgefallen, dass der Ritter Grobhand von Koschtal keinen guten Tag zu haben schien. Zumindest machte er nach mehreren Gesprächen immer noch eine missmutige Miene - welcher Kontrast zu den anderen, denen man  größtenteils anmerken konnte, wie froh sie waren ob der Aussicht, bald den Sumpf verlassen und ihre Siedlungsplätze in die Tat umsetzen zu können. Ob da etwas im argen lag?<br/>"Auf ein Wort, frischernannter Ritter zu Hohentrutz!" sprach er Roban an.<br/>Dieser unterbrach seinen leisen Monolog und schaute Boromil erwartungsvoll an.<br/>"Ihr habt Euch gegenüber Eurem Nachbarn, dem Mitglied einer verfeindeten Familie, ehrenhaft verhalten. Auch habt Ihr einen Standort nach Wunsch bekommen und sogar einen passenden Namen für ihn gefunden. Dennoch spricht Euer Gesicht Bände. Was bedrückt Euch?"<br/>Boromil ließ sich absichtlich zusammen mit Roban ein wenig zurückfallen. Es musste ja nicht jeder mithören, was sie zu besprechen hatten.<br/>"Ach, es ist... nun ja, Ihr kennt ja meine Art inzwischen! Beim Gewinnen neuer Siedler und Verbündeter ist das nicht gerade hilfreich!"<br/>"Dass Ihr in Etikette nicht so sicher seid wie ich und das Herz auf der Zunge tragt, haben wir alle mitbekommen. Und dass Ihr in punkto Galanterie dem jungen Herrn von Grimsau etwas nachsteht, ist ebenfalls kein Geheimnis. Aber wenn Ihr Euch in jeder Disziplin an jemandem misst, der Euch übertrifft, ist es kein Wunder, wenn Ihr verdrießlich seid!"<br/>Der Ritter vom Kargen Land wies mit dem Kopf in Richtung Reto, der immer noch mit der Geweihten redete.<br/>"Ihr solltet Euch nicht mit den Tarnelfurter vergleichen, was die Ideen für die Neusiedlung betrifft. Er hat klare Pläne, in denen er sich nicht beirren lassen will. Das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt keine Bedingung zum Erfolg - und vom Fürsten nicht eingefordert! Glaubt Ihr denn, man hätte sechs Lehen vergeben, wenn man nur einen Ritter mit ausformulierten Absichten gebraucht hätte?"<br/>Roban verkniff den Mund, etwas überlegend, aber noch nicht überzeugt. Also fuhr Boromil fort:<br/>"Es soll doch die Vielfalt sein, die den Sieg über den Sumpf bringen soll. Ausdrücklich wurden alle Mittel erlaubt! Wenn Ihr nicht den gleichen Weg wie einige von uns nehmen könnt, dann wählt einen anderen, der zu Euch passt!"<br/>"Das ist leicht gesagt, aber schwer getan! Und im Sumpf muss man seinen Weg erst kennen, bevor man ihn geht! Sonst ist man verloren."<br/>"Nun, ich kann Euch natürlich keinen ausgeklügelten Plan präsentieren, wie Ihr genau vorgehen müsst! Es ist eher eine grobe Idee... oh, verzeiht, es war kein Wortwitz beabsichtigt! Jedenfalls solltet Ihr Euch auf Eure Stärken besinnen. Ihr habt einen Hügel, seid willensstark und redet geradeheraus. Wenn Euch der Umgang mit vielen Menschen schwerfällt, warum also nicht Zwerge fragen?"<br/>"Wollt Ihr Euch etwa doch über mich lustig machen?", brauste Roban auf. Nahm dieses Aufziehen nur wegen seiner Vorliebe für gut zu verteidigende Plätze denn kein Ende?<br/>"Aber nein", beeilte sich Boromil zu beschwichtigen, "ich meine es ernst! Hört zu: Ich erwähnte doch bereits, dass [[Boronwyn vom Kargen Land|mein Onkel]] eine Art Vermittler zwischen Menschen und einem Klan [[Hügelzwerge]] ist. Vielleicht sind diese bereit, Euch einige Spezialisten zu schicken, die Euch beim Anlegen von Bauten beraten und die wissen, was man hier an Essbarem aus dem Boden holen kann! Hügelzwerge sind als Pilzzüchter bekannt. Falls es Euch gelingt, einige von ihnen zu überzeugen, hier zu bleiben, dürfte für das leibliche Wohl zumindest gesorgt sein! Nun, was haltet Ihr von der Idee?"<br/>Boromil sah Roban aufmunternd an.<br/>„Gedacht hatte ich daran schon“, gab Roban zu.<br/>„In [[Koschtal]] gibt es schließlich mehr als genug Angroschim, ich beherrsche die Sprache leidlich und halte viel von Zwergenarbeit. Womöglich lässt sich nicht nur die Oberfläche des Hügels nutzen...“, für einige Sekunden versank Roban in Grübelei, dann schlug er Boromil kräftig auf die Schulter.<br/>„Danke, Boromil. Für eure Idee und dafür, dass ihr mich wieder aufgebaut habt!“<br/>„Keine Ursache!“ erwiderte Boromil rasch und vermied es, sich die schmerzende Schulter zu reiben.<br/>„Und Siedler werden sich schon finden, die mit dem großen Maul ihres Ritters auskommen können. Und die Galanterie“, Roban setzte einen gequälten Gesichtsausdruck auf, „na ja, die hinkt nicht nur, sondern kriecht schon auf dem Zahnfleisch. Aber um eine Frau kann ich mich noch kümmern, wenn die Siedlung ihre ersten paar Sommer überstanden hat. Wie steht es bei Euch – ist Eure Hand bereits vergeben?“<br/>„Bis dato noch nicht“, gestand Boromil, „auch bei mir hat sich die Frau Rahja bislang etwas Zeit gelassen.“<br/>„Kommt Zeit, kommt Weib!“ grinste Roban.<br/>„Zumindest in der Hinsicht reicht meine Zuversicht für uns beide!“<br/>Bolzer hatte die neuen Lehensherren zunächst denselben Weg zurückgeführt, den sie vom künftigen Therbunja her gekommen waren. Dann aber schwenkte er südostwärts auf einen flachen, mit Heide und niedrigen Gehölzen bewachsenen Hügelzug ein.<br/>„Das war doch so, daß die Herrn gleich zur Kate wolln, nich erst nochmal zum fünften Platz zurück?“ fragte er sicherheitshalber in die Runde.<br/>„Direkt zur Kate“, erklärte Roban, der während des Marsches den Abstand zu Ilvine wieder verkürzt hatte.<br/>„Alma, das ist die zweite Wegkundige, wird wohl schon langsam ungeduldig werden – immerhin muss sie die Pferde und Hardgers Ziegen mitversorgen!“<br/>„Nummer fünf, ist das nicht Therbunja?“ fragte Ilvine.<br/>„Schade! Den Platz hätt' ich zu gern gesehen!“<br/>Lange hielt ihre Enttäuschung jedoch nicht an.
 
Rast machten sie in einer sonnigen Senke. Bevor sie zu essen begann, erhob sich Ilvine, ein Stück Brot auf der Hand, und sprach laut:<br/>„Lieb' Travia, Tsa und Frau Perain', wir danken für eure Gaben! Und laden alle Hungrigen ein, sich nun daran zu laben!“<br/>Fröhlich nickte sie in die Runde.<br/>„Wohlschmecken!“<br/>Damit ließ sie sich selber nieder und biß herzhaft in ihr Brot. Bald bezog sich der Himmel mit grauem Dunst. Von unsichtbaren Moorsenken her zog Fäulnisgeruch über die Heide, den auch der stete kalte Luftzug, der die Wanderer frösteln ließ, nicht vertrieb.<br/>„Sieht verdammt nach Regen aus!“ bewertete Roban den Wetterumschwung, während er verbissen auf seiner erloschenen Pfeife herum kaute.<br/>„Bolzer, wie weit haben wir es denn noch bis zur Kate? ´Nen nassen Hintern müssen wir uns ja nicht holen, wenn wir nicht müssen.“<br/>„Bald müßten wir in [[Hammerschlag (Baronie)|Hammerschlag]] sein“, antwortete Vogt Gerling an Bolzers Stelle.<br/>„Dort können wir die Nacht in einer Herberge verbringen und am morgigen Tag Alma und die Tiere abholen. Ich denke, eine Übernachtung in einem Gasthaus wird uns allen gut tun!“<br/>Der Meinung schienen nicht alle Ritter zu sein, trotz der Verlockung eines weichen Strohsacks und eines warmen Essens, aber niemand widersprach. Die dräuenden Wolken ließen es ohnehin dringlich erscheinen, möglichst bald irgendwo Unterschlupf zu finden, also setzte man den Marsch Richtung Hammerschlag fort.<br/>Doch so leicht ließ der Sumpf seine neuen Bewohner nicht gehen. Feuchte Wiesen und moorige Tümpel begleiteten sie bald wieder auf beiden Seiten, manche Senken schienen noch frisch vom letzten Regen überflutet zu sein. Unversehens tauchte der Hügelzug in eine Wasserfläche ab.<br/>„Au, verdammich!“ entfuhr es Bolzer.<br/>„Tschuldigung“, setzte er gleich erschrocken hinterher, „aber das is dumm, ganz dumm. Das Wasser is neu hier. Das war letztens noch nich da. Das is ganz neu. Vielleicht der Regen, letzt'. Das is dumm, ganz dumm.“<br/>Er prüfte die Senke, hinter der der heidige Hügelzug weiterführte, mit seinem Stab. Aber obwohl das Wasser selbst nicht sehr tief zu sein schien, hatte es den Boden doch so durchweicht, daß man fürchten mußte, mit Mensch, Roß und Maultier elend darin zu versinken. Es blieb nichts anderes übrig, als süd- und westwärts auszuweichen, wieder weiter ins Moor hinein, das sie gehofft hatten zu umgehen. Immerhin behielt man trockene Füße, und gegen Nachmittag konnte Hardger die Führung bis zu seiner Kate übernehmen.<br>Als die Behausung schon in Sicht kam, blieb Erborn kurz stehen und winkte die Ritter zu sich. Vor ihnen zeichnete sich eine merkwürdige Fährte im Boden ab.<br/>„So etwas habe ich noch nie gesehen“, gestand der Wildhüter, und auch die anderen konnten nicht von sich behaupten, eine solche Spur jemals zuvor gesehen zu haben. Nur Bolzer schlug rasch das Zeichen der Sonne zur Abwehr finsterer Mächte, als er der Abdrücke ansichtig wurde.<br/>„Welche Kreatur des Sumpfes hinterlässt solch eine Fährte, Bolzer?“ fragte Reto von Tarnelfurt sofort, als er die Reaktion des Torfstechers bemerkte.<br/>„Über das Böse soll man nich reden!“, stammelte dieser und schien drauf und dran, das Hasenpanier zu ergreifen.<br/>„Bolzer!“ schnappte Roban drohend und handelte sich gleich von mehreren Personen mahnende Blicke ein.<br/>„Das war das Ding!“ heulte Bolzer aber sofort los.<br/>„Das [[Ungeheuer von Moorbrück|Ding aus dem Sumpf]]! Es war hier! Es hat Alma geholt! Und die Pferde! Und die Ziegen! Und...“<br/>Bolzer bemerkte, wie Roban ganz sacht die flache Hand auf halbe Höhe hob, und verstummte sofort wieder.<br/>„Wir sollten nachsehen“, schlug Edelbrecht vor und seine Stimme zitterte leicht.<br/>„Zur Kate müssen wir ja sowieso!“<br/>Dem konnte niemand widersprechen, doch näherte man sich dem Haus mit gebotener Vorsicht und gezogenen Waffen, doch noch ehe man es erreicht hatte, wurde die Tür von innen geöffnet, und eine erleichterte Alma trat ins Freie. Sie berichtete, daß in der Nacht etwas um die Hütte gestreift sei, mit einem schleifenden Geräusch. Die Ziegen hätten Alarm geschlagen, da habe es sich verzogen. Edelbrecht atmete erleichtert auf und blickte nunmehr belustigt auf den ortskundigen Bolzer.<br/>“Nun, Bolzer, sagt einmal – das muss fürwahr ein schreckliches Ding im Sumpf sein, das derartig beeindruckende Spuren im feuchten Erdreich hinterlässt, und dann durch das Meckern von Ziegen aufgeschreckt wird und das Hasenpanier ergreift. Da sollte es uns allen doch nicht schwerfallen, es zu erledigen, wenn wir nur fest zusammenstehen.”<br/>Beifall heischend blickte er sich in der Runde um und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.<br/>“Vorausgesetzt natürlich, wir haben immer eine Herde Ziegen bei uns.”<br/>Roban gab ein unwilliges Knurren von sich. Er teilte weder Bolzers Angst noch Edelbrechts Optimismus. Die Kreatur schien ihre Opfer nicht willkürlich zu wählen, sonst wären Alma und die Ziegen wohl nicht mehr am Leben. Aber wenn sie nicht auf Beute aus war, was hatte sie dann hier gewollt?<br/>Folgte sie am Ende den Spuren der Ritter, beobachtete jeden ihrer Schritte? Das sprach nicht gerade für ein tumbes Monster ohne Verstand – kein erfreulicher Gedanke, wie er fand.<br/>"Was uns zu einem kleinen logistischen Problem bringt, welches wir jedoch sicherlich gemeinsam lösen werden", ergänzte Boromil.<br/>"Wenn von Mönchbach sich so bald wie möglich zum Fürsten begeben möchte, was wird dann aus der Kate? Das Inventar können wir vielleicht zurücklassen, auch wenn es für einen Neusiedler nicht gerade von Ordenlichkeit zeugt, verwertbare Ausrüstung herumliegen zu lassen, so dass jedes Streunerpack es mitnehmen kann! Aber die Ziegen werden zugrunde gehen, wenn nicht jemand hier bleibt und sie versorgt! Oder wollen wir sie gleich Richtung Birkendamm treiben? So weit ist das von meiner zukünftigen Siedlung nicht entfernt."<br/>„Sofern der Weg einigermaßen in Ordnung ist, können wir die Viecher direkt mitnehmen“, schlug Roban vor und warf einen fragenden Blick zu Bolzer, der versicherte, der Weg nach Hammerschlag könne auch mit den Ziegen fortgesetzt werden.<br/>„Wollt Ihr Euch wirklich als Ziegenhirt versuchen?“ hakte Vogt Gerling nach, während sich eine steile Falte zwischen seinen Brauen bildete.<br/>„Immerhin hat seine Hochgeboren von Mönchbach gute zwei Dutzend Tiere, die man zusammen halten muss, melken, füttern, tränken. Und was ist mit dem wenig erfreulichen Geruch?“<br/>Roban blickte seinerseits stirnrunzelnd zum Vogt hinüber.<br/>„Tscha“, begann er dann, kratzte sich kurz im Bart, „bislang hat der Ritter von Mönchbach das tagtäglich allein bewältigt, da werden wir das wohl auch packen. Und unser Geruch“, er schnupperte kurz in Richtung seiner Achselhöhle, „ist mittlerweile auch keine rechte Freude mehr! Ein wenig Ziegendunst macht den Kohl nicht mehr fett!“<br/>Allgemeines Gelächter quittierte diese offensichtliche Feststellung. Die Tage des Marsches durch tiefsten Morast und fauliges Wasser hatten in der Tat ihre Spuren an den Reisenden hinterlassen, die man sehen und auch riechen konnte.<br/>Derartig aufgemuntert setzte die Gruppe schon bald mitsamt der Ziegen ihren Weg fort. Obgleich sie noch einige Male ihre Route angesichts des vom Regen aufgeschwemmten Bodens ändern musste, gelangte der nun wieder um die Pferde und Begleiter angewachsene Zug am 19. [[Phex]] endlich die Baronie Hammerschlag.<br/>Tags drauf wandten sich die Siedler an der [[Warna]] wieder nordwestwärts, am [[Birkenhain]] vorbei. Die Wolken waren noch düsterer geworden, beißend kalte Windböen schlugen den Reitern ins Gesicht, bald auch nasser Schnee und Eiskristalle.<br/>Schließlich blieb den Siedlern nichts anderes übrig, als Schutz im Birkenhain zu suchen und hier so lange zu verharren, bis das Unwetter vorübergezogen war. Dann aber setzte sich der Trupp umso rascher in Bewegung, so dass man am frühen Morgen des 21. Phex endlich Burg Birkendamm erreichte. Hier erwarteten die Ritter neben eines üppigen Frühstücks bereits die ersten potentiellen Neusiedler, die sich ihnen anvertrauen wollten.<br/>Lange schaute Edelbrecht sich unter ihnen um und erkannte: Diese Menschen würden dem grausamen und unheimlichen Sumpf ein Ende bereiten und Moorbrück würde schon bald nur noch ein trauriges Kapitel in den Annalen des Koschs sein, dessen war er sicher…
 
Rast machten sie in einer sonnigen Senke. Bevor sie zu essen begann, erhob sich Ilvine, ein Stück Brot auf der Hand, und sprach laut:<br/>„Lieb' Travia, Tsa und Frau Perain', wir danken für eure Gaben! Und laden alle Hungrigen ein, sich nun daran zu laben!“<br/>Fröhlich nickte sie in die Runde.<br/>„Wohlschmecken!“<br/>Damit ließ sie sich selber nieder und biß herzhaft in ihr Brot. Bald bezog sich der Himmel mit grauem Dunst. Von unsichtbaren Moorsenken her zog Fäulnisgeruch über die Heide, den auch der stete kalte Luftzug, der die Wanderer frösteln ließ, nicht vertrieb.<br/>„Sieht verdammt nach Regen aus!“ bewertete Roban den Wetterumschwung, während er verbissen auf seiner erloschenen Pfeife herum kaute.<br/>„Bolzer, wie weit haben wir es denn noch bis zur Kate? ´Nen nassen Hintern müssen wir uns ja nicht holen, wenn wir nicht müssen.“<br/>„Bald müßten wir in [[Hammerschlag (Baronie)|Hammerschlag]] sein“, antwortete Vogt Gerling an Bolzers Stelle.<br/>„Dort können wir die Nacht in einer Herberge verbringen und am morgigen Tag Alma und die Tiere abholen. Ich denke, eine Übernachtung in einem Gasthaus wird uns allen gut tun!“<br/>Der Meinung schienen nicht alle Ritter zu sein, trotz der Verlockung eines weichen Strohsacks und eines warmen Essens, aber niemand widersprach. Die dräuenden Wolken ließen es ohnehin dringlich erscheinen, möglichst bald irgendwo Unterschlupf zu finden, also setzte man den Marsch Richtung Hammerschlag fort.<br/>Doch so leicht ließ der Sumpf seine neuen Bewohner nicht gehen. Feuchte Wiesen und moorige Tümpel begleiteten sie bald wieder auf beiden Seiten, manche Senken schienen noch frisch vom letzten Regen überflutet zu sein. Unversehens tauchte der Hügelzug in eine Wasserfläche ab.<br/>„Au, verdammich!“ entfuhr es Bolzer.<br/>„Tschuldigung“, setzte er gleich erschrocken hinterher, „aber das is dumm, ganz dumm. Das Wasser is neu hier. Das war letztens noch nich da. Das is ganz neu. Vielleicht der Regen, letzt'. Das is dumm, ganz dumm.“<br/>Er prüfte die Senke, hinter der der heidige Hügelzug weiterführte, mit seinem Stab. Aber obwohl das Wasser selbst nicht sehr tief zu sein schien, hatte es den Boden doch so durchweicht, daß man fürchten mußte, mit Mensch, Roß und Maultier elend darin zu versinken. Es blieb nichts anderes übrig, als süd- und westwärts auszuweichen, wieder weiter ins Moor hinein, das sie gehofft hatten zu umgehen. Immerhin behielt man trockene Füße, und gegen Nachmittag konnte Hardger die Führung bis zu seiner Kate übernehmen.<br>Als die Behausung schon in Sicht kam, blieb Erborn kurz stehen und winkte die Ritter zu sich. Vor ihnen zeichnete sich eine merkwürdige Fährte im Boden ab.<br/>„So etwas habe ich noch nie gesehen“, gestand der Wildhüter, und auch die anderen konnten nicht von sich behaupten, eine solche Spur jemals zuvor gesehen zu haben. Nur Bolzer schlug rasch das Zeichen der Sonne zur Abwehr finsterer Mächte, als er der Abdrücke ansichtig wurde.<br/>„Welche Kreatur des Sumpfes hinterlässt solch eine Fährte, Bolzer?“ fragte Reto von Tarnelfurt sofort, als er die Reaktion des Torfstechers bemerkte.<br/>„Über das Böse soll man nich reden!“, stammelte dieser und schien drauf und dran, das Hasenpanier zu ergreifen.<br/>„Bolzer!“ schnappte Roban drohend und handelte sich gleich von mehreren Personen mahnende Blicke ein.<br/>„Das war das Ding!“ heulte Bolzer aber sofort los.<br/>„Das [[Ungeheuer von Moorbrück|Ding aus dem Sumpf]]! Es war hier! Es hat Alma geholt! Und die Pferde! Und die Ziegen! Und...“<br/>Bolzer bemerkte, wie Roban ganz sacht die flache Hand auf halbe Höhe hob, und verstummte sofort wieder.<br/>„Wir sollten nachsehen“, schlug Edelbrecht vor und seine Stimme zitterte leicht.<br/>„Zur Kate müssen wir ja sowieso!“<br/>Dem konnte niemand widersprechen, doch näherte man sich dem Haus mit gebotener Vorsicht und gezogenen Waffen, doch noch ehe man es erreicht hatte, wurde die Tür von innen geöffnet, und eine erleichterte Alma trat ins Freie. Sie berichtete, daß in der Nacht etwas um die Hütte gestreift sei, mit einem schleifenden Geräusch. Die Ziegen hätten Alarm geschlagen, da habe es sich verzogen. Edelbrecht atmete erleichtert auf und blickte nunmehr belustigt auf den ortskundigen Bolzer.<br/>“Nun, Bolzer, sagt einmal – das muss fürwahr ein schreckliches Ding im Sumpf sein, das derartig beeindruckende Spuren im feuchten Erdreich hinterlässt, und dann durch das Meckern von Ziegen aufgeschreckt wird und das Hasenpanier ergreift. Da sollte es uns allen doch nicht schwerfallen, es zu erledigen, wenn wir nur fest zusammenstehen.”<br/>Beifall heischend blickte er sich in der Runde um und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.<br/>“Vorausgesetzt natürlich, wir haben immer eine Herde Ziegen bei uns.”<br/>Roban gab ein unwilliges Knurren von sich. Er teilte weder Bolzers Angst noch Edelbrechts Optimismus. Die Kreatur schien ihre Opfer nicht willkürlich zu wählen, sonst wären Alma und die Ziegen wohl nicht mehr am Leben. Aber wenn sie nicht auf Beute aus war, was hatte sie dann hier gewollt?<br/>Folgte sie am Ende den Spuren der Ritter, beobachtete jeden ihrer Schritte? Das sprach nicht gerade für ein tumbes Monster ohne Verstand – kein erfreulicher Gedanke, wie er fand.<br/>"Was uns zu einem kleinen logistischen Problem bringt, welches wir jedoch sicherlich gemeinsam lösen werden", ergänzte Boromil.<br/>"Wenn von Mönchbach sich so bald wie möglich zum Fürsten begeben möchte, was wird dann aus der Kate? Das Inventar können wir vielleicht zurücklassen, auch wenn es für einen Neusiedler nicht gerade von Ordenlichkeit zeugt, verwertbare Ausrüstung herumliegen zu lassen, so dass jedes Streunerpack es mitnehmen kann! Aber die Ziegen werden zugrunde gehen, wenn nicht jemand hier bleibt und sie versorgt! Oder wollen wir sie gleich Richtung Birkendamm treiben? So weit ist das von meiner zukünftigen Siedlung nicht entfernt."<br/>„Sofern der Weg einigermaßen in Ordnung ist, können wir die Viecher direkt mitnehmen“, schlug Roban vor und warf einen fragenden Blick zu Bolzer, der versicherte, der Weg nach Hammerschlag könne auch mit den Ziegen fortgesetzt werden.<br/>„Wollt Ihr Euch wirklich als Ziegenhirt versuchen?“ hakte Vogt Gerling nach, während sich eine steile Falte zwischen seinen Brauen bildete.<br/>„Immerhin hat seine Hochgeboren von Mönchbach gute zwei Dutzend Tiere, die man zusammen halten muss, melken, füttern, tränken. Und was ist mit dem wenig erfreulichen Geruch?“<br/>Roban blickte seinerseits stirnrunzelnd zum Vogt hinüber.<br/>„Tscha“, begann er dann, kratzte sich kurz im Bart, „bislang hat der Ritter von Mönchbach das tagtäglich allein bewältigt, da werden wir das wohl auch packen. Und unser Geruch“, er schnupperte kurz in Richtung seiner Achselhöhle, „ist mittlerweile auch keine rechte Freude mehr! Ein wenig Ziegendunst macht den Kohl nicht mehr fett!“<br/>Allgemeines Gelächter quittierte diese offensichtliche Feststellung. Die Tage des Marsches durch tiefsten Morast und fauliges Wasser hatten in der Tat ihre Spuren an den Reisenden hinterlassen, die man sehen und auch riechen konnte.<br/>Derartig aufgemuntert setzte die Gruppe schon bald mitsamt der Ziegen ihren Weg fort. Obgleich sie noch einige Male ihre Route angesichts des vom Regen aufgeschwemmten Bodens ändern musste, gelangte der nun wieder um die Pferde und Begleiter angewachsene Zug am 19. [[Phex]] endlich die Baronie Hammerschlag.<br/>Tags drauf wandten sich die Siedler an der [[Warna]] wieder nordwestwärts, am [[Birkenhain]] vorbei. Die Wolken waren noch düsterer geworden, beißend kalte Windböen schlugen den Reitern ins Gesicht, bald auch nasser Schnee und Eiskristalle.<br/>Schließlich blieb den Siedlern nichts anderes übrig, als Schutz im Birkenhain zu suchen und hier so lange zu verharren, bis das Unwetter vorübergezogen war. Dann aber setzte sich der Trupp umso rascher in Bewegung, so dass man am frühen Morgen des 21. Phex endlich Burg Birkendamm erreichte. Hier erwarteten die Ritter neben eines üppigen Frühstücks bereits die ersten potentiellen Neusiedler, die sich ihnen anvertrauen wollten.<br/>Lange schaute Edelbrecht sich unter ihnen um und erkannte: Diese Menschen würden dem grausamen und unheimlichen Sumpf ein Ende bereiten und Moorbrück würde schon bald nur noch ein trauriges Kapitel in den Annalen des Koschs sein, dessen war er sicher…
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Version vom 8. Mai 2017, 09:22 Uhr

Teil 18 der Briefspielgeschichte: Ankunft in Moorbrück