Algorxod
Algorxod
Der Feuerschacht der Angroschim
Aus Dankbarkeit nach den Grunsbirner Geschehnissen auf dem Zwölfergang (der KOSCH-KURIER berichtete in Ausgabe 68) hatten die Geweihten Marbolieb Tempeltreu und Xuronim Sohn des Xerosch ein Buch über Heiligtümer im Kosch angekündigt. Es soll den Titel „Schweigendes Feuer — Pilgerwege des Angrosch und des Boron durch den Kosch“ tragen. Dem KOSCH-KURIER liegen bereits Auszüge vor, die wir der geneigten Leserschaft vorstellen möchten. Im vorliegenden Teil geht es in die Pfalzgrafschaft Koschgau.
Vor zwei Tagen besuchten meine Tochter Marbolieb und ich ein wirklich atemberaubendes Heiligtum, das in unserem Buch auf gar keinen Fall fehlen darf. Anders als sonst schreibe ich dieses Kapitel nicht direkt im Heiligtum. Die große Anstrengung, die mit dem Besuch des gesamten Heiligtums verbunden ist, erforderten bei Marbolieb und mir anschließend zwei Tage angroschgefälligen Müßiggangs und Erholung.
Südwestlich der Schwertschluchtswacht gibt es nicht nur den aus meiner Sicht unbedingt zu meidenden Sarindelwald und die Krötensümpfe. Nein. In den nördlichen Bergen, die dem Wald und dem Sumpf ein wohltuendes und angroschgefälliges Ende bereiten, befindet sich ein weiteres Heiligtum meines Väterchens, das im Moment von meinem lieben Freund Orp Sohn des Onxarm gehütet wird.
Um den Wald trotz der Einwände meiner Tochter zu meiden, begehen wir den schmalen Pfad, der als überirdischer Weg in die Felsen des Kosch gebaut wurde. Dieser Pfad, dessen Name am ehesten mit „Weg des Urschachtes“ übersetzt werden könnte, wurde wohl von den Angroschim Gwendromoschs begonnen, im Laufe der Jahrhunderte und der Zunahme der Bekanntheit aber auch von anderen weitergebaut. Bei Sonnenschein können Marbolieb und ich diesen Pfad — ausgehend von einem Abzweig in der Schwertschlucht — begehen. Trotz des meistenteils im Schatten der Berge verlaufenden Weges ist Marbolieb dankbar, dass die Sonne scheint, denn es ist empfindlich kalt geworden. Der Weg ist zwar nicht wirklich lang, aber er hat seine Tücken, und so planen Marbolieb und ich eine Übernachtung ein, bevor wir Algorxod erreichen können. Dennoch verläuft unsere Wanderung frei von großen Überraschungen oder Gerölllawinen.
Marbolieb ist natürlich sehr aufgeregt, da der Algorxod ja genau in ihr Glaubensgebiet fällt und sie sich schon immer für den Weg der Angroschim in die Ewige Schmiede interessiert hat. Dennoch wäre sie fast am Heiligtum vorbeigelaufen, da dieses nur schwer und nur mit dem Blick für angroschgefällige Steinformationen als solches zu erkennen ist. Letztendlich stehen wir vor einem Loch von ca. drei mal drei Schritt Durchmesser, gesäumt von Felsen, die, im rechten Blickwinkel, wie Flammen wirken. Steht man direkt vor dem Schacht, so erkennt man überdies noch einen Amboss, an dem die Priester des Weltenbauers die Zeremonien abhalten. Angroschim, die den Weg in die Ewige Schmiede gehen müssen, treten ihn hier an und gehen in den Fels, aus dem wir geschaffen wurden.
Der Blick in den Schacht überrascht auf den ersten Blick noch nicht. Natürlich ist kein Boden zu erkennen, denn der Algorxod reicht der Legende nach bis in die Ewige Schmiede. Aber was auch Marbolieb nach kurzer Zeit der Gewöhnung erkennen kann, ist, dass an der nördlichen Wand schwach der Schein von Feuer zu erkennen ist, der tiefer zu gehen scheint, als das Auge blicken kann und der den Weg in die Schmiede begleitet.
Diese begleitenden Feuer überwältigen den Betrachter bereits von oben und bieten einen Eindruck über die Ausmaße des Heiligtums. Hinter jedem der begleitenden Feuer nämlich, die in meinem Volk seit jeher „Doranglaram“ genannt werden, befindet sich ein dem Weltenbauer geweihtes Stockwerk der Heiligtums. Seit nunmehr siebzehn Hütern und fünf Hüterinnen des Algorxod wird der Tempel weiter ausgebaut und in jeder Ebene ein Fenster für das heilige Doranglaram in den Schacht geöffnet. Dieser Anblick bezeugt bereits Angroschs unerschöpfliche Macht, aber meine Tochter und ich dürfen weiter gehen als die meisten. Orp nimmt uns mit in die Hallen des Tempels und zeigt uns voller Stolz auch ein gerade erst begonnenes, also neues Stockwerk, das sein Lebenswerk werden soll.
Meine Tochter und ich können an dieser Stelle bezeugen, dass bereits die Eingangsebene nicht an Pracht hinter den schönsten Tempeln des Herrn des Feuers zurücksteht. Und auch Orps Planungen werden diese Pracht mehren. Übrigens weiß er zu berichten, dass noch nie ein Hüter selbst in die ewige Schmiede einberufen wurde, bevor er nicht „seinen“ Tempelplan fertig stellen konnte. Erreichbar sind die einzelnen Ebenen über mal einfache Treppen, mal schlichte Gänge bis hin zu komplexen Gangsystemen mit zum Teil verborgenen Öffnungsmechanismen. Orp nimmt sich die Zeit, uns alles zu zeigen.
Ich bat Marbolieb, Zeichnungen all der Pracht anzufertigen, denn ich kann an dieser Stelle die Fülle der Eindrücke und Bilder nicht beschreiben. Da uns Orp nicht nur die Bereiche zeigt, die Besuchern offenstehen, sondern auch die ausschließlichen Räume der Hüter, die zum Teil verborgenen Kulträume mit Stelen und Artefakten, ist ein Durchschreiten des Algorxod wie ein langer Pilgerweg, der uns anschließend wirklich ein wenig Pause abverlangt.
Der Besuch des Heiligtums ist eine angroschgefällige Aufgabe, die jeder Angroscho und jede Angroschna einmal unternehmen sollte, und selbst Marbolieb war innerhalb ihrer Möglichkeiten euphorisch beim Besuch eines der Urschächte in die Ewige Schmiede Angroschs.
Xuronim Sohn des Xerosch