Die Sprache der Berge

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Ausgabe Nummer 26 - Efferd 1023 BF

Aus Koscher Sagenwelt: Die Sprache der Berge

Ein Märchen aus dem Amboß

Grau und mächtig ragten die Berge über dem flachen Lande auf. Ihr eherner Grund war festgefügt für alle Zeiten an dem Ort, da sie standen, und nichts konnte sie erschüttern. Sie erhoben ihre schneegekrönten Gipfelhäupter in den Himmel, versammelten bauschige Wolken um ihre Stirnen und blickten mit stummen, wachsamen Augen hinab in die tiefsten der Schluchten, wo wilde Gebirgsbäche sich wie Adern schäumenden Blutes durch ihre Körper gruben.

Mochten auch smaragdene Wälder oder meergrüne Almen sich auf ihren Hängen ausbreiten und ihren Rücken bevölkern, die Berge ruhten immerdar in gerechtem Schlummer. Mochten auch Nordwind und Sturm oft pfeifend durch die Täler toben, die Wasser zu Wirbeln aufwühlen und gegen die Wände der steilen Klamm schlagen lassen, nichts erschütterte die ehernen Riesen in ihrem Schweigen. In ihrem Inneren aber bargen sie Lager geschwärzter Kohle und Körner schimmernden Goldes, Adern funkensprühenden Eisens, wenn es geschmiedet wird, und auch Trauben glänzender Edelsteine.

Ein Tor machte sich einst auf, die Berge zu lehren. Denn er glaubte, daß sie der Sprache nicht mächtig seien und wollte ihnen das Sprechen beibringen.

So erstieg er zunächst die Hügel und dann die Vorgebirge, bis er vor den gewaltigen Gipfeln stand. Er durchschritt hochgewölbte Bogen aus Felsen und klaffende Spalten in den Flanken und Hängen; er erklomm Steilwände und Felsnasen, bis er zu einem großen Tal gelangte, das zu allen Seiten von Bergen umgeben war. Und er kam sich klein vor wie ein Staubkorn. Aber er erhob seine Stimme und rief den Bergen zu: „Ich bin gekommen, um euch das Sprechen beizubringen.“

Von der Wand, die ihm gegenüber lag, schallten seine Worte zurück in einem unheimlichen Klang, und dann drangen sie in seinem Rücken von dem anderen Berge her und wieder von vorne, so daß es zu allen Seiten laut ertönte, dann leiser wurde und sich in den Winden wie Nebelfestzen verlor.

Da lachte der Tor und dachte, die Berge hätten bereits seine Sprache gelernt und ihm geantwortet. Und er warf erneut seine Worte gegen die Felswand, und wieder schallten sie zurück und brachen sich an den Vorsprüngen und Spalten, daß der ganze Talkessel davon erfüllt war. Doch immer waren es nur die gleichen Worte, welche die Berge zur Antwort gaben.

Da schalt er sie töricht und mahnte sie, ihm eine vernünftige Antwort zu geben: Aber wiederum gaben die Berge nur mit seiner Stimme seine eigenen Worte zurück. Nun begann der Tor zu toben und zu schimpfen, und er rief mancherlei Böses gegen die Felsen, die alles getreulich wiederholten. Doch bevor die alten Reden verklungen waren, wuchsen wieder neue, und das ganze Tal ächzte und bebte vom Stimmenhall, so daß sich die Steine lösten und von den Gipfeln herabstürzten.

Da ergriff den Toren die Furcht, und er floh aus den Bergen. Hinter ihm verklangen schnell seine eitlen Worte, und die Berge hüllten sich in Schweigen. Der Tor aber sollte nie begreifen, daß die Sprache der Berge die Stille ist.

In Worte gefaßt durch Halmdahl von der Wiesen, Geweihter der Herrin Hesinde