Unter Schurken - Der Schurke
“Du Schurke!“ ertönte wieder Ritter Falks Stimme, “das gute Bier!“
“Ja!“ versetzte der Bierkutscher zerknirscht, “und bestes Ferdoker obendrein!“
“DU SCHURKE!!!“ rief Ritter Falk mit hochrotem Kopf, “aber warte, Dir will ich beibringen, Koscher Braukunst besser zu behandeln!“
Und mit diesen Worten ergriff er von seinem Sattel den Angbarer Zinnhumpen, den er meist bei sich trug, und wollte ihn nach dem Fuhrmann
schleudern. Wie ein Gurvanianischer Chor fielen seine Begleiter gleichzeitig in einen Warnruf ein:
“Laßt ab, Ritter Falk! Der Mann kann doch nichts dafür.“
In all dem Tumult war es der alte Waffenmeister Dragosch, der nach vorne getreten war und sich das Durcheinander von Wagen, Pferden, Ochsen, Fässern und Rittern anschaute. Er kratzte sich am Kopf und brummte: “Angroschs Bart! Wie kommen wir denn da durch?“
“Was meinst du, Dragosch?“ fragte ihn der Wiesner.
“Nu ja, schaut doch hin: der olle Karren liegt ja kreuz unn’ quer auf der Straße, und wenden kann die Kutsche an der Engstelle ja kaum.“
In der Tat: Der Ochsenkarren versperrte die Passage, und an ein Ausweichen war an dieser Stelle nicht zu denken. Der Baron ging mit dem üblichen Pragmatismus an die Sache heran:
“Tja, dann werden wir wohl den Wagen wieder flottmachen müssen – noch dazu, wenn’s Koscher Waren sind, die... aber holla! Bei Phex und allen... was seh’ ich denn da?“
Etliche verdutzte Augenpaare flogen dem Vinansamter zu, der mit einem gewagten Sprung über die braune Lache am Boden setzte und sich an den auf dem Wagen verbliebenen Fässern zu schaffen machte.
“Was habt Ihr, Hochgeboren?“ rief Rena zu ihm herüber.
“Wenn das nicht schändlich heißt!“ fluchte der Vinansamter in ganz ungewohnter Art. Er wirbelte herum und deutete auf die Fässer.
“Wolfhardt, habt Ihr jemals ein Ferdoker Faß gesehen?“
“Was für eine Frage, Hochgeboren – welcher Koscher hätte das nicht?“
"Dann schaut einmal, ob Euch nicht etwas auffällt?“
“Nun ja... ich bin Dichter, kein Braumeister...“, begann der Angesprochene.
“Was ist denn nun damit?“ beharrte Rena.
“Ja, sieht es denn sonst keiner? Die Fässer hier“, und damit pochte er auf den bauchigen Holzleib der Behältnisse, “sind so wenig koscher wie Jast Gorsam!“
“Aber ist das nicht das Ferdoker Zunftsiegel?“ fragten die anderen.
“Schon, aber das sind keine Ferdoker Fässer – es fehlt das Zeichen der Küferzunft. Und wie jeder weiß, besteht ein altes Abkommen, daß das Bier nur in Fässern der Ferdoker Küfergilde abgefüllt werden darf! Folglich...“
“Wie, Ihr meint, das seien keine Ferdoker Fässer, und das Bier folglich kein echtes Ferdoker?“ fragte Wolfhardt zurück.
“DER SCHURKE!!!“ tönte es aus dem Hintergrund.
Da endlich löste sich der Fuhrknecht aus seiner Schreckensstarre, in die ihn die Aktion des Vinansamters versetzt hatte.
“Das iss’ nich’ wahr, Herr, das iss’ bestes Bier, Herr, aus Ferdok,
Herr, ich schwör’s, Herr!“
“Hmpf, da gibt’s nur eins“, brummte Dragosch, stapfte zu einem der geborstenen Fässer und tauchte seinen Helm in die noch im Faß befindlichen Bierreste. Er tat einen tiefen Zug, rülpste vernehmlich und strich sich über den Bart.
“Soviel steht fest: dem Baron sein Auge iss’ so gut
wie mein Gaumen, will heißen: kein Ferdoker. Angroschs Hammerschlag!“
Nun erhob sich – verständlicherweise – ein großes Gezetere, und nicht nur die Edlen, sondern auch die Knechte und Begleiter drängten sich heran. Plötzlich tauchten ein paar hölzere Becher auf und machten, randvoll mit schäumendem Bier, die Runde. Der arme Fuhrknecht wußte gar nicht recht, wie ihm geschah, sondern stand, fortwährend seine Unschuld und die Echtheit des Bieres beteuernd, inmitten der Koscher.