Unter Schurken - Altes Knochenbrot: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Nachmittag räumte dem Abend das Feld, als die Gruppe, lädiert und abgekämpft, aber vollzählig (den Zwölfen sei’s gedankt) die Schneise der Verwüstung verließ, die das Schneebrett gerissen hatte. Nur Ritter [[Hauptdarsteller ist:: Falk Barborn zu Siebental|Falk]], der sich bei dem jähen Abgang eine Schulter unsanft verrenkt hatte und nun den Arm in einer behelfsmäßigen Schlinge trug, stocherte noch immer mißmutig brummelnd im Schnee. Diese unflätige, hinterhältige Attacke hatte ihn seinen gesamten Proviantbeutel (und, schlimmer noch, den halbvollen Bierschlauch!) gekostet. [[Briefspieltext vielleicht mit::Rena von Arbasien|Rena]] ließ ihren Blick über das Trümmerfeld schweifen. Dicke Baumstämme ragten an einigen Stellen aus dem Schnee empor, wie abgerissen von der Faust eines wütenden Riesen, und jegliche Fährte von [[Briefspieltext mit::Ulfing von Jergenquell|Jergenquells]] Bande, mochte eine solche jemals existiert haben, war unter [[Akteursnennung ist::Firun]]s Wut verschwunden – und jeder Pfad mit ihr. Von der kleinen Gestalt, die sie kurz vor dem Unglück noch unten am Hang gesehen hatte, fehlte jede Spur. Sie hoffte, daß diese sich noch vor dem Toben hatte in Sicherheit bringen können.<br>“Und was machen wir nun?“<br>[[Briefspieltext mit::Wolfhardt von der Wiesen|Wolfhardt]] hatte sich der kleinen Gruppe angeschlossen und beobachtete, wie der Siebentaler weiter seiner verbissenen Suche nachging. Sie waren allesamt Teile ihrer Ausrüstung verlustig gegangen, meist Proviantbeuteln und Wasserflaschen allerdings, die sie nicht wie ihre Waffen am Körper getragen hatten.<br>“Wenn der Jergenquell dort oben sitzt, wollen wir ihm dann tatsächlich diese feige Attacke durchgehen lassen?“<br>Denn in dieser einen Sache mochte der ungnädig schimpfende Siebentaler vielleicht tatsächlich recht behalten haben – weshalb hätte sich der Jergenqueller mit Armbrustern auf die Lauer legen sollen, wenn eine losgetretene Schneewand die Gruppe viel leichter von der Verfolgung abbringen könnte?
Der Nachmittag räumte dem Abend das Feld, als die Gruppe, lädiert und abgekämpft, aber vollzählig (den Zwölfen sei’s gedankt) die Schneise der Verwüstung verließ, die das Schneebrett gerissen hatte. Nur Ritter [[Hauptdarsteller ist:: Falk Barborn zu Siebental|Falk]], der sich bei dem jähen Abgang eine Schulter unsanft verrenkt hatte und nun den Arm in einer behelfsmäßigen Schlinge trug, stocherte noch immer mißmutig brummelnd im Schnee. Diese unflätige, hinterhältige Attacke hatte ihn seinen gesamten Proviantbeutel (und, schlimmer noch, den halbvollen Bierschlauch!) gekostet. [[Briefspieltext vielleicht mit::Rena von Arbasien|Rena]] ließ ihren Blick über das Trümmerfeld schweifen. Dicke Baumstämme ragten an einigen Stellen aus dem Schnee empor, wie abgerissen von der Faust eines wütenden Riesen, und jegliche Fährte von [[Briefspieltext mit::Ulfing von Jergenquell|Jergenquells]] Bande, mochte eine solche jemals existiert haben, war unter [[Akteursnennung ist::Firun]]s Wut verschwunden – und jeder Pfad mit ihr. Von der kleinen Gestalt, die sie kurz vor dem Unglück noch unten am Hang gesehen hatte, fehlte jede Spur. Sie hoffte, daß diese sich noch vor dem Toben hatte in Sicherheit bringen können.<br>“Und was machen wir nun?“<br>[[Briefspieltext mit::Wolfhardt von der Wiesen|Wolfhardt]] hatte sich der kleinen Gruppe angeschlossen und beobachtete, wie der Siebentaler weiter seiner verbissenen Suche nachging. Sie waren allesamt Teile ihrer Ausrüstung verlustig gegangen, meist Proviantbeuteln und Wasserflaschen allerdings, die sie nicht wie ihre Waffen am Körper getragen hatten.<br>“Wenn der Jergenquell dort oben sitzt, wollen wir ihm dann tatsächlich diese feige Attacke durchgehen lassen?“<br>Denn in dieser einen Sache mochte der ungnädig schimpfende Siebentaler vielleicht tatsächlich recht behalten haben – weshalb hätte sich der Jergenqueller mit Armbrustern auf die Lauer legen sollen, wenn eine losgetretene Schneewand die Gruppe viel leichter von der Verfolgung abbringen könnte?
“Ich halte es nach wie vor für leichtsinnig, den Berg so offen anzugehen.<br>"Baron [[Briefspieltext mit::Merwerd Stoia von Vinansamt|Merwerd]] fuhr sich nachdenklich durch seinen Mehr-Tage-Bart. “Wenn der Jergenquell dort oben sitzt, kann er uns abschießen wie die [[Briefspieltext vielleicht mit::Hanghase]]n.“<br>“Aber wenn wir uns jetzt nicht an die Verfolgung machen, ist er uns auf und davon. In dieser Wildnis gibt es übergenug Schlupflöcher für solch Gesindel!“<br>Wolfhardt warf einen finsteren Blick auf den schroffen Gipfel, der hoch über ihnen in den grauen Winterhimmel aufragte. Rena hatte während des Wortwechsels geschwiegen und ihre Blicke abermals über den Fuß des Hanges schweifen lassen. Den ganzen Nachmittag über hatte sie vergeblich nach einem Zeichen ihres seltsamen Verfolgers Ausschau gehalten. Wenn er es wahrlich geschafft hatte, dem Schneerutsch zu entgehen, warum ließ er sich dann jetzt nicht mehr blicken?<br>Heute morgen hatte er doch ebenfalls keinerlei Anstrengungen unternommen, außer Sicht zu bleiben. Falk gab seine unerquickliche Suche auf. Noch immer voll gerechten Ärgers in seinen Bart brummelnd, stapfte er auf die Gefährten zu.<br>“Jetzt hat der olle Jergenpelle auch noch mein Bier geklaut! Was zu viel ist, ist zu viel! Dafür soll der büßen – den räuchern wir aus, mit Stumpf und Stiel!“<br>“Bald wird es dunkel, und ich möchte mich nicht beim Klettern vom Einbruch der Nacht überraschen lassen.“<br>Der [[Briefspieltext vielleicht mit::Vinansamt]]er sprach entschieden.<br>“Außerdem haben wir das Packpferd in Norges Hütte zurückgelassen. Und der Zwerg kann uns zumindest sagen, welche Pfade auf diesen Berg hinaufführen.“<br>Wenn der Angroscho wirklich in seiner Hütte war. Abermals musterte Kriegerin den Hang. Ihrem Packpferd hatten sie die steile Kletterei nicht zumuten wollen – ein weiser Entschluß, wie sich gezeigt hatte.<br>Der Wiesner zuckte nur unentschlossen die Schultern. Es drängte ihn, dem Schurken endlich nachzusetzen – viel zu lange für seinen Geschmack hatte der Jergenqueller die Gruppe nun schon an der Nase herumgeführt. Und daß dieser auch für ihr letztes Unglück verantwortlich war, daran hegte der Ritter kaum Zweifel. Ritter Falk dagegen war wieder mißmutig davongewandert, um mittels eines langen Steckens abermals dem zu Tal gestürzten Übermaß von Firuns Segen auf den Leib zu rücken.<br>“Immerhin – ein zweites Mal wird uns diese Schneemasse nicht entgegenkommen.“<br>Rena war noch immer in ihren Überlegungen versunken.<br>“Aber holla! Was ist denn das für ein [[wikav:Waldschrat|Waldschrat]]!“<br>Auf des Ritters Falk verwunderten Ausruf sahen die Gefährten auf. Der Siebentaler beugte sich über eine Stelle dunkel verfärbten Schnees, die sich aus eigenem Antrieb zu bewegen schien. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich sie sich als ein sehr, sehr zottiges Hundewesen, das eifrig in dem festgebackenen Schnee scharrte.<br>“Das ist doch der vom alten Knockenbrot! Er hat was gefunden! Brav, brav – hast eine gute Nase!“<br>Begeistert bewachte Ritter Falk den eifrig arbeitenden Berghund – bei dem es sich tatsächlich um Norges Tier handelte. Zumindest bezweifelte Wolfhardt, daß es ein solch zerzaustes, mottenzerfressenes Hundewesen ein zweites Mal gäbe. Doch was das Tier schließlich mühselig ans Tageslicht beförderte, das machte den Reisenden keine rechte Freude.<br>“Was hat er denn da?“<br>“Ein Weinschlauch ist das aber nicht, Ritter Falk.“<br>“Das sieht mir eher aus wie Kleidung.“<br>Es war Norge, des feurigen [[Akteursnennung ist::Ingerimm|Allvaters]] Getreuer, erschlagen von des frostigem Alten Wüten. Betreten blickten die Koscher sich an. Der struppige Hund schnupperte winselnd an seinem toten Gebieter.<br>“Also war er es, der uns folgte.“<br>Rena kniete neben der bemitleidenswerten Gestalt des Zwerges.<br>“So bitterlich haben wir ihm Gobroms Dienst vergolten.“<br>Wolfhardt sah aus, als sei er den Tränen nahe. “Was für ein Ende – ausgestoßen von Sippe und Brüdern und keiner, der an ihm die letzten Riten vollziehen könnte.“<br>Baron Merwerd räusperte sich.<br>“Wir sollten ihn zu seiner Hütte bringen. Mehr können wir augenblicklich nicht für ihn tun.“<br>Hier liegenlassen, den Wölfen zum Fraß, konnten sie ihn nicht; aber er wußte auch von keinem Geweihten der Zwölfe, gleich, ob menschlich oder zwergisch, irgendwo am Wege – und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre: die [[wikav:Via Ferra|Via Ferra]] war weit.<br>Sie verrichteten den grimmen Dienst an dem Zwergen. So bald als möglich, so nahm Merwerd sich vor, würde er eine oder einen Geweihten benachrichtigen, daß dieser für ein Begräbnis des
“Ich halte es nach wie vor für leichtsinnig, den Berg so offen anzugehen.<br>"Baron [[Briefspieltext mit::Merwerd Stoia von Vinansamt|Merwerd]] fuhr sich nachdenklich durch seinen Mehr-Tage-Bart. “Wenn der Jergenquell dort oben sitzt, kann er uns abschießen wie die [[Briefspieltext vielleicht mit::Hanghase]]n.“<br>“Aber wenn wir uns jetzt nicht an die Verfolgung machen, ist er uns auf und davon. In dieser Wildnis gibt es übergenug Schlupflöcher für solch Gesindel!“<br>Wolfhardt warf einen finsteren Blick auf den schroffen Gipfel, der hoch über ihnen in den grauen Winterhimmel aufragte. Rena hatte während des Wortwechsels geschwiegen und ihre Blicke abermals über den Fuß des Hanges schweifen lassen. Den ganzen Nachmittag über hatte sie vergeblich nach einem Zeichen ihres seltsamen Verfolgers Ausschau gehalten. Wenn er es wahrlich geschafft hatte, dem Schneerutsch zu entgehen, warum ließ er sich dann jetzt nicht mehr blicken?<br>Heute morgen hatte er doch ebenfalls keinerlei Anstrengungen unternommen, außer Sicht zu bleiben. Falk gab seine unerquickliche Suche auf. Noch immer voll gerechten Ärgers in seinen Bart brummelnd, stapfte er auf die Gefährten zu.<br>“Jetzt hat der olle Jergenpelle auch noch mein Bier geklaut! Was zu viel ist, ist zu viel! Dafür soll der büßen – den räuchern wir aus, mit Stumpf und Stiel!“<br>“Bald wird es dunkel, und ich möchte mich nicht beim Klettern vom Einbruch der Nacht überraschen lassen.“<br>Der [[Ortsnennung ist::Vinansamt]]er sprach entschieden.<br>“Außerdem haben wir das Packpferd in Norges Hütte zurückgelassen. Und der Zwerg kann uns zumindest sagen, welche Pfade auf diesen Berg hinaufführen.“<br>Wenn der Angroscho wirklich in seiner Hütte war. Abermals musterte Kriegerin den Hang. Ihrem Packpferd hatten sie die steile Kletterei nicht zumuten wollen – ein weiser Entschluß, wie sich gezeigt hatte.<br>Der Wiesner zuckte nur unentschlossen die Schultern. Es drängte ihn, dem Schurken endlich nachzusetzen – viel zu lange für seinen Geschmack hatte der Jergenqueller die Gruppe nun schon an der Nase herumgeführt. Und daß dieser auch für ihr letztes Unglück verantwortlich war, daran hegte der Ritter kaum Zweifel. Ritter Falk dagegen war wieder mißmutig davongewandert, um mittels eines langen Steckens abermals dem zu Tal gestürzten Übermaß von Firuns Segen auf den Leib zu rücken.<br>“Immerhin – ein zweites Mal wird uns diese Schneemasse nicht entgegenkommen.“<br>Rena war noch immer in ihren Überlegungen versunken.<br>“Aber holla! Was ist denn das für ein [[wikav:Waldschrat|Waldschrat]]!“<br>Auf des Ritters Falk verwunderten Ausruf sahen die Gefährten auf. Der Siebentaler beugte sich über eine Stelle dunkel verfärbten Schnees, die sich aus eigenem Antrieb zu bewegen schien. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich sie sich als ein sehr, sehr zottiges Hundewesen, das eifrig in dem festgebackenen Schnee scharrte.<br>“Das ist doch der vom alten Knockenbrot! Er hat was gefunden! Brav, brav – hast eine gute Nase!“<br>Begeistert bewachte Ritter Falk den eifrig arbeitenden Berghund – bei dem es sich tatsächlich um Norges Tier handelte. Zumindest bezweifelte Wolfhardt, daß es ein solch zerzaustes, mottenzerfressenes Hundewesen ein zweites Mal gäbe. Doch was das Tier schließlich mühselig ans Tageslicht beförderte, das machte den Reisenden keine rechte Freude.<br>“Was hat er denn da?“<br>“Ein Weinschlauch ist das aber nicht, Ritter Falk.“<br>“Das sieht mir eher aus wie Kleidung.“<br>Es war Norge, des feurigen [[Akteursnennung ist::Ingerimm|Allvaters]] Getreuer, erschlagen von des frostigem Alten Wüten. Betreten blickten die Koscher sich an. Der struppige Hund schnupperte winselnd an seinem toten Gebieter.<br>“Also war er es, der uns folgte.“<br>Rena kniete neben der bemitleidenswerten Gestalt des Zwerges.<br>“So bitterlich haben wir ihm Gobroms Dienst vergolten.“<br>Wolfhardt sah aus, als sei er den Tränen nahe. “Was für ein Ende – ausgestoßen von Sippe und Brüdern und keiner, der an ihm die letzten Riten vollziehen könnte.“<br>Baron Merwerd räusperte sich.<br>“Wir sollten ihn zu seiner Hütte bringen. Mehr können wir augenblicklich nicht für ihn tun.“<br>Hier liegenlassen, den Wölfen zum Fraß, konnten sie ihn nicht; aber er wußte auch von keinem Geweihten der Zwölfe, gleich, ob menschlich oder zwergisch, irgendwo am Wege – und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre: die [[wikav:Via Ferra|Via Ferra]] war weit.<br>Sie verrichteten den grimmen Dienst an dem Zwergen. So bald als möglich, so nahm Merwerd sich vor, würde er eine oder einen Geweihten benachrichtigen, daß dieser für ein Begräbnis des
Zwergen Sorge trage.<br>Wenig tiefer hätte die Stimmung noch fallen können, als die Viere wieder in der Hütte Norges angelangt waren. Der weiße Hund hatte sich mit einem nur zu menschlich klingenden Seufzer zu Füßen der Leiche niedergelassen, die die Gruppe schließlich, nach kurzer Debatte, draußen
Zwergen Sorge trage.<br>Wenig tiefer hätte die Stimmung noch fallen können, als die Viere wieder in der Hütte Norges angelangt waren. Der weiße Hund hatte sich mit einem nur zu menschlich klingenden Seufzer zu Füßen der Leiche niedergelassen, die die Gruppe schließlich, nach kurzer Debatte, draußen
neben die Hüttenwand gebettet hatte.<br>“Und nun?“<br>Der Landedle war es abermals, der diese Frage stellte.<br>“Räuchern wir den Jergenpelle aus, den feigen Mörder!“<br>Ritter Falk war sich seiner Sache gewiß. Unschlüssig ob der Weisheit dieses Entschlusses grübelte der Baron. Doch gewißlich kein Zufall war der Schneerutsch gewesen, oder? Daß des Landedlen Vermutung ob des Schlupfwinkels des Verruchten stimmte, das hatten wie Ereignisse mehr bewiesen denn in Abrede gestellt. Was aber, so überlegte Stoia, war es wohl gewesen, das ihnen Norge noch hatte mitteilen wollen, so dringend, daß er ihnen selbst über das Schneefeld nachgelaufen war am Morgen ihres Aufbruchs?
neben die Hüttenwand gebettet hatte.<br>“Und nun?“<br>Der Landedle war es abermals, der diese Frage stellte.<br>“Räuchern wir den Jergenpelle aus, den feigen Mörder!“<br>Ritter Falk war sich seiner Sache gewiß. Unschlüssig ob der Weisheit dieses Entschlusses grübelte der Baron. Doch gewißlich kein Zufall war der Schneerutsch gewesen, oder? Daß des Landedlen Vermutung ob des Schlupfwinkels des Verruchten stimmte, das hatten wie Ereignisse mehr bewiesen denn in Abrede gestellt. Was aber, so überlegte Stoia, war es wohl gewesen, das ihnen Norge noch hatte mitteilen wollen, so dringend, daß er ihnen selbst über das Schneefeld nachgelaufen war am Morgen ihres Aufbruchs?


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Version vom 24. Dezember 2019, 11:05 Uhr


Hinterkosch, 1021

Der Nachmittag räumte dem Abend das Feld, als die Gruppe, lädiert und abgekämpft, aber vollzählig (den Zwölfen sei’s gedankt) die Schneise der Verwüstung verließ, die das Schneebrett gerissen hatte. Nur Ritter Falk, der sich bei dem jähen Abgang eine Schulter unsanft verrenkt hatte und nun den Arm in einer behelfsmäßigen Schlinge trug, stocherte noch immer mißmutig brummelnd im Schnee. Diese unflätige, hinterhältige Attacke hatte ihn seinen gesamten Proviantbeutel (und, schlimmer noch, den halbvollen Bierschlauch!) gekostet. Rena ließ ihren Blick über das Trümmerfeld schweifen. Dicke Baumstämme ragten an einigen Stellen aus dem Schnee empor, wie abgerissen von der Faust eines wütenden Riesen, und jegliche Fährte von Jergenquells Bande, mochte eine solche jemals existiert haben, war unter Firuns Wut verschwunden – und jeder Pfad mit ihr. Von der kleinen Gestalt, die sie kurz vor dem Unglück noch unten am Hang gesehen hatte, fehlte jede Spur. Sie hoffte, daß diese sich noch vor dem Toben hatte in Sicherheit bringen können.
“Und was machen wir nun?“
Wolfhardt hatte sich der kleinen Gruppe angeschlossen und beobachtete, wie der Siebentaler weiter seiner verbissenen Suche nachging. Sie waren allesamt Teile ihrer Ausrüstung verlustig gegangen, meist Proviantbeuteln und Wasserflaschen allerdings, die sie nicht wie ihre Waffen am Körper getragen hatten.
“Wenn der Jergenquell dort oben sitzt, wollen wir ihm dann tatsächlich diese feige Attacke durchgehen lassen?“
Denn in dieser einen Sache mochte der ungnädig schimpfende Siebentaler vielleicht tatsächlich recht behalten haben – weshalb hätte sich der Jergenqueller mit Armbrustern auf die Lauer legen sollen, wenn eine losgetretene Schneewand die Gruppe viel leichter von der Verfolgung abbringen könnte? “Ich halte es nach wie vor für leichtsinnig, den Berg so offen anzugehen.
"Baron Merwerd fuhr sich nachdenklich durch seinen Mehr-Tage-Bart. “Wenn der Jergenquell dort oben sitzt, kann er uns abschießen wie die Hanghasen.“
“Aber wenn wir uns jetzt nicht an die Verfolgung machen, ist er uns auf und davon. In dieser Wildnis gibt es übergenug Schlupflöcher für solch Gesindel!“
Wolfhardt warf einen finsteren Blick auf den schroffen Gipfel, der hoch über ihnen in den grauen Winterhimmel aufragte. Rena hatte während des Wortwechsels geschwiegen und ihre Blicke abermals über den Fuß des Hanges schweifen lassen. Den ganzen Nachmittag über hatte sie vergeblich nach einem Zeichen ihres seltsamen Verfolgers Ausschau gehalten. Wenn er es wahrlich geschafft hatte, dem Schneerutsch zu entgehen, warum ließ er sich dann jetzt nicht mehr blicken?
Heute morgen hatte er doch ebenfalls keinerlei Anstrengungen unternommen, außer Sicht zu bleiben. Falk gab seine unerquickliche Suche auf. Noch immer voll gerechten Ärgers in seinen Bart brummelnd, stapfte er auf die Gefährten zu.
“Jetzt hat der olle Jergenpelle auch noch mein Bier geklaut! Was zu viel ist, ist zu viel! Dafür soll der büßen – den räuchern wir aus, mit Stumpf und Stiel!“
“Bald wird es dunkel, und ich möchte mich nicht beim Klettern vom Einbruch der Nacht überraschen lassen.“
Der Vinansamter sprach entschieden.
“Außerdem haben wir das Packpferd in Norges Hütte zurückgelassen. Und der Zwerg kann uns zumindest sagen, welche Pfade auf diesen Berg hinaufführen.“
Wenn der Angroscho wirklich in seiner Hütte war. Abermals musterte Kriegerin den Hang. Ihrem Packpferd hatten sie die steile Kletterei nicht zumuten wollen – ein weiser Entschluß, wie sich gezeigt hatte.
Der Wiesner zuckte nur unentschlossen die Schultern. Es drängte ihn, dem Schurken endlich nachzusetzen – viel zu lange für seinen Geschmack hatte der Jergenqueller die Gruppe nun schon an der Nase herumgeführt. Und daß dieser auch für ihr letztes Unglück verantwortlich war, daran hegte der Ritter kaum Zweifel. Ritter Falk dagegen war wieder mißmutig davongewandert, um mittels eines langen Steckens abermals dem zu Tal gestürzten Übermaß von Firuns Segen auf den Leib zu rücken.
“Immerhin – ein zweites Mal wird uns diese Schneemasse nicht entgegenkommen.“
Rena war noch immer in ihren Überlegungen versunken.
“Aber holla! Was ist denn das für ein Waldschrat!“
Auf des Ritters Falk verwunderten Ausruf sahen die Gefährten auf. Der Siebentaler beugte sich über eine Stelle dunkel verfärbten Schnees, die sich aus eigenem Antrieb zu bewegen schien. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich sie sich als ein sehr, sehr zottiges Hundewesen, das eifrig in dem festgebackenen Schnee scharrte.
“Das ist doch der vom alten Knockenbrot! Er hat was gefunden! Brav, brav – hast eine gute Nase!“
Begeistert bewachte Ritter Falk den eifrig arbeitenden Berghund – bei dem es sich tatsächlich um Norges Tier handelte. Zumindest bezweifelte Wolfhardt, daß es ein solch zerzaustes, mottenzerfressenes Hundewesen ein zweites Mal gäbe. Doch was das Tier schließlich mühselig ans Tageslicht beförderte, das machte den Reisenden keine rechte Freude.
“Was hat er denn da?“
“Ein Weinschlauch ist das aber nicht, Ritter Falk.“
“Das sieht mir eher aus wie Kleidung.“
Es war Norge, des feurigen Allvaters Getreuer, erschlagen von des frostigem Alten Wüten. Betreten blickten die Koscher sich an. Der struppige Hund schnupperte winselnd an seinem toten Gebieter.
“Also war er es, der uns folgte.“
Rena kniete neben der bemitleidenswerten Gestalt des Zwerges.
“So bitterlich haben wir ihm Gobroms Dienst vergolten.“
Wolfhardt sah aus, als sei er den Tränen nahe. “Was für ein Ende – ausgestoßen von Sippe und Brüdern und keiner, der an ihm die letzten Riten vollziehen könnte.“
Baron Merwerd räusperte sich.
“Wir sollten ihn zu seiner Hütte bringen. Mehr können wir augenblicklich nicht für ihn tun.“
Hier liegenlassen, den Wölfen zum Fraß, konnten sie ihn nicht; aber er wußte auch von keinem Geweihten der Zwölfe, gleich, ob menschlich oder zwergisch, irgendwo am Wege – und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre: die Via Ferra war weit.
Sie verrichteten den grimmen Dienst an dem Zwergen. So bald als möglich, so nahm Merwerd sich vor, würde er eine oder einen Geweihten benachrichtigen, daß dieser für ein Begräbnis des Zwergen Sorge trage.
Wenig tiefer hätte die Stimmung noch fallen können, als die Viere wieder in der Hütte Norges angelangt waren. Der weiße Hund hatte sich mit einem nur zu menschlich klingenden Seufzer zu Füßen der Leiche niedergelassen, die die Gruppe schließlich, nach kurzer Debatte, draußen neben die Hüttenwand gebettet hatte.
“Und nun?“
Der Landedle war es abermals, der diese Frage stellte.
“Räuchern wir den Jergenpelle aus, den feigen Mörder!“
Ritter Falk war sich seiner Sache gewiß. Unschlüssig ob der Weisheit dieses Entschlusses grübelte der Baron. Doch gewißlich kein Zufall war der Schneerutsch gewesen, oder? Daß des Landedlen Vermutung ob des Schlupfwinkels des Verruchten stimmte, das hatten wie Ereignisse mehr bewiesen denn in Abrede gestellt. Was aber, so überlegte Stoia, war es wohl gewesen, das ihnen Norge noch hatte mitteilen wollen, so dringend, daß er ihnen selbst über das Schneefeld nachgelaufen war am Morgen ihres Aufbruchs?