Wenn Roban eine Reise tut 2 - Dringende Geschäfte

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Zwischenwasser, 1034

„Wenn ich diesen Löffelschwinger erwische, drehe ich ihm das Gekröse nach außen!“
Robans Laune war beschissen. Und an diesem Tag traf dieser Ausdruck die Wahrheit so präzise wie selten.
Er hatte es schon bis in die Baronie Zwischenwasser geschafft und reiste am Südrand des Gormeler Grüns entlang nordwärts.
Er hätte natürlich auch die Fähre in Nadoret nehmen können, einfach rüber über den Fluss in die Baronie Metenar. Aber Roban hatte kein Vertrauen zu Fähren, zu Schiffen, zu Booten oder zu jeglichem anderen Fahrzeug, dass sich auf Efferds Element bewegte. Eher wäre er auf dem Grund des Flusses hinüber marschiert, wenn er das gekonnt hätte, als sich den unsicheren Planken gleich welchen Wasserfahrzeugs anzuvertrauen.
Ob diese Entscheidung weise gewesen war, daran zweifelte er erst seit einigen Stunden. Zum Frühstück hatte er sich in der Wegherberge ein Pilzomelett gegönnt, mit frischen Pilzen aus dem Wald.
Zwei Stunden danach begann es in seinen Eingeweiden zu rumoren, als habe er einen Kobold verschluckt, und seitdem musste er fast jede halbe Stunde seinen Ritt unterbrechen, um einen sehr, sehr dringenden körperlichen Bedürfnis nachzukommen.
Und jeden dieser „unaufschiebbaren Termine“ untermauerte er mit Verwünschungen an den Koch der Herberge und dessen unzureichende Kenntnisse über die Genießbarkeit von Pilzen.
„An deinem eigenen Fraß ersticken sollst du! Auf kleiner Flamme sollte man ihn rösten, am blanken Spieß braten, im eigenen Sud kochen...“
Das einzige Glück war, dass man hier, am Südrand des Gôrmeler Grüns, nicht lange nach einem geeigneten Strauch zu suchen, hinter dem man sich für ein paar Minuten niederlassen konnte. Hätte er erst noch nach einem ruhigen Örtchen suchen müssen, die Sache wäre im schönsten Wortsinn in die Hose gegangen.
„Und einen glühenden Schürhaken werde ich ihm in den Hintern rammen, damit er mal weiß, wie das brennt, wenn man zehn Mal am Tag...“
Roban unterbrach seine Schimpftirade. Nicht, weil ihm die Verwünschungen ausgegangen wären – auf den Tag wartete er seit Jahren vergeblich. Aber Girte hatte alarmierend geschnaubt, und jetzt glaubte er, leise Schritte zu hören.
„Ho, ruhig, Große“, sagte eine sanfte Frauenstimme. „Was machst du denn hier so allein?“
„Sie ist nicht allein“, rief Roban vernehmlich, und zugleich gab sein Hintern noch ein fast ebenso lautes, aber ziemlich unflätiges Geräusch von sich, als wolle es die Worte seines Besitzers untermauern. In aller Hast raffte Roban seine Beinkleider in die Höhe und verließ, beim Kampf mit dem Gürtel mehr hüpfend als schreitend, sein Busch-Versteck.
„Lass deine Griffel von meinem Pferd, sonst...“
Die drohenden Worte blieben ihm im Hals stecken. Die junge Frau, die in respektvollem Abstand von Girte verharrt war, blickte ihn mit einer Mischung aus Belustigung und Misstrauen entgegen. Bewaffnet war sie nicht, es sei denn, man durfte einen Korb voller Pflanzenstengel und ein atemberaubendes Äußeres als Bewaffnung bezeichnen.
Roban nahm sich die Zeit, die Dame noch einmal genauer zu begutachten. Was er sah, war wirklich einen zweiten Blick wert. Das grobe Kleid mochte die Figur nicht gerade schmeicheln, als was es durchblicken ließ, war überaus rahjagefällig proportioniert. Auch das Gesicht konnte man ohne Zögern als hübsch bezeichnen, eingerahmt von rotblondem Haar, dass im Nacken zu einem langen Pferdeschwanz gebunden war.
„Falls Ihr mit Starren fertig seid“, riß ihn die Schöne aus seinen Gedanken, „es wäre schön, Euren Namen zu erfahren und den Grund, aus dem ihr euch hinter dem Gebüsch verborgen habt.“
Roban rümpfte kurz die Nase. Das Aussehen und das vorlaute Mundwerk...das erinnerte ihn an jemanden.
„Roban Grobhand von Koschtal“, grollte er halblaut. „Hast du eine Schwester, die Danja heißt?“
Die Schöne riss erschrocken und verwirrt zugleich die Augen auf.
„Von...Verzeiht, Wohl...geboren? Ich konnte nicht wissen, dass...und nein, ich habe keine Geschwister, warum...“
„Geschenkt“, Roban winkte ab. „Mach dir nicht gleich ins Hemd. Hinter Busch war ich, weil ich mal...äh...ich musste mich erleichtern. Ziemlich dringend. Habe heute Morgen was Unrechtes gegessen. Und wie nennst du dich?“
„Farngard, Wohlgeboren“, die junge Frau deutete einen Knicks an, der etwas verunglückte. „Darf man nachfragen, was Ihr zu Euch genommen habt? Ich kenne mich ein wenig mit heilsamen Kräutern aus und könnte Euch vielleicht von Euren Leiden kurieren.“
Roban musste grinsen. Jetzt klang sie tatsächlich fast schon wie Danja. Nicht ganz so hochgestochen und gebildet, aber doch beinahe.
„Omelett mit Pilzen. Garantiert war einer der Pilze nicht gerade zum Verzehr geeignet, und jetzt schiebt er alles raus, was sich sonst noch im Ranzen befindet.“
Farngard nickte langsam.
„Ihr habt im ‚Blauen Fuhrknecht‘ gespeist“, sagte sie bestimmt. „Und die Pilze dort, dass kann ich Euch versichern, sind allesamt zum Verzehr geeignet. Rupert, der Wirt, kennt sich gut aus. Nur seine Eier, die sind manchmal nicht so frisch, wie sie sein sollten, ehe man ein Omelett daraus bereitet.“
„Soll mir egal sein, die Kackerei habe ich so oder so! Wie war das noch mal mit den heilsamen Kräutern?“
Roban warf einen prüfenden Blick in den Korb, den Farngard mit sich führte.
„In meinem Heim“, wand die junge Frau sofort ein. „Eine halbe Wegstunde von hier. Zu Fuß, Wohlgeboren!“
„Soll mir egal sein. Lieber mauke ich eine halbe Stunde, als mir noch die Seele aus dem Leib zu scheißen! Was verlangst du denn für deine Kräuter?“
„Über den Preis werden wir uns schon einigen, Wohlgeboren“, erwiderte Farngard mit einem Lächeln, bei dem einem nicht nur ums Herz warm werden konnte.