Von einer Streitschrift, die hier nicht zu lesen ist
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Aus unserer Schreibstube: Von einer Streitschrift, die hier nicht zu lesen ist
Kurz vor der Drucklegung erreichte uns eine Streitschrift aus der Feder des Ritters Grantel von Steinklos mit der Bitte, jene in unserem Blatt zu veröffentlichen. Das Schriftstück trägt den Titel „Ein unfähiger Bursche auf dem Grafenthron“ und ist nichts weniger als eine harsche Kritik an Seiner Hochwohlgeboren Wilbur vom See.
Angesichts der darin erhobenen heftigen Vorwürfe und eines nicht gerade frommen Wunsches, was die Lebenszeit des Grafen betrifft, sehen wir jedoch davon ab, dieses Pamphlet im Wortlaut zu abzudrucken.
Allerdings wollen wir nicht verschweigen, dass es Unmut im Schetzeneck gibt. Und so fand der Verfasser jenes Pamphlets auch andere Wege, seine Streitschrift „unters Volk“ zu bringen. An Marktplätzen, Stadttoren und ähnlichen Stellen erblickte man in den letzten Tagen Abschriften dieser Streitschrift, teilweise von kundiger Hand erstellt, teilweise voll von Fehlern und nur schwer lesbar. An manchen Orten wurden die Anschläge rasch entfernt, an anderen scharten sich Neugierige darum, und man ließ sich den Text von Kundigen vorlesen (so wie es mit dem KOSCH-KURIER in manchen Weilern getan wird). Da wurden ungläubig die Augen aufgerissen, „Hört, hört“-Rufe laut, Fäuste geballt, Unverständlichkeiten in den Bart gemurmelt und Kinder rasch vom Platze gezogen. Hier und da soll es auch zu einer tüchtigen Prügelei gekommen sein, weil Meinung auf Meinung prallte.
Es ist wohl anzunehmen, dass eine der Abschriften längst ihren Weg nach Grauensee gefunden hat, doch liegen uns keine Nachrichten darüber vor, wie das Schreiben am gräflichen Hofe aufgenommen wurde, ob es für Zorn, eine hochgezogene Braue oder gelassenes Schulterzucken sorgte.
Meisterinformationen
Ein unfähiger Bursche auf dem Grafenthron
Eine Streitschrift des Ritters Grantel von Steinklos
Graf Wilbur vom See, so heißt unser Lehnsherr, und doch lässt er sich hier im Schetzeneck so gut wie nie blicken und vernachlässigt seine Amtsgeschäfte auch ansonsten viel. Jahrelang trieb Wilbur sich in Garetien herum, bis er vor der Fehde dort floh.
Entgegen den Wünschen unseres Landesvaters schickte Wilbur eine Truppe in den Bruderkrieg drüben in Garetien. Die tapferen Streiter wurden zu Dutzenden niedergemacht — und das wozu? Seit der Rückkehr des Grafen aus Garetien vor drei Jahren kann man auch nicht gerade sagen, dass man die Anwesenheit des Grafen bemerkt hätte. Hier jedenfalls kam er nie vorbei und scheint sich auch sonst nicht ums Regierungsgeschäft zu scheren. Lieber diskutiert er feingeistig am Grafenhof daher, als sich mit seinen Untertanen zu befassen.
Neulich bequemte er sich immerhin, die Hochzeit in Nadoret zu besuchen (der KOSCH-KURIER berichtete). Nun soll er sich auf dem Weg nach Methumis und Belhanka zu einer „Studienreise“ aufgemacht haben. Wegen mir kann er gleich ins Güldenland weiterreisen, vielleicht haben sie da mehr Verwendung für ihn.
Immer an der Seite unseres Grafen befindet sich natürlich sein garetischer Geck Yolpert von Trade-Tannenheim. So verwundert es auch wenig, dass der Graf ohne Weib und Kind dasteht. Wegen seines Alters von nur 31 Jahren stehen uns aber noch viele Jahre der „glorreichen“ Herrschaft unseres Grafen bevor, bis er dann endlich in Borons Halle eintritt und Platz für bessere und fähigere Leute macht.
Der Schetzeneck und auch die Grafschaft am See haben Besseres verdient. Zum Glück wird der Enkel unseres letzten Grafen Helkor in vier Jahren den Ritterschlag empfangen. Bleibt nur zu hoffen, dass Fürst Anshold dann ein Einsehen hat und den Usurpator Wilbur mit dem rechtmäßigen Erben Throndwig ersetzen wird.
Gegeben zu Drakenfels, im Travia 1046 BF
Ritter Grantel von Steinklos