Veränderungen - Ein seltsamer Gast

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Fürstenhort, 1029

Wieder einmal stand Riobhan am Fenster seiner Schreibstube und sah hinunter in den Hof. Dort war sein Sohn Roklan und wies gerade einige Knechte an. Er machte sich gut, das konnte Riobhan sehen. Die letzten zwei Wochen hatten Roklan verändert. Nicht nur, dass er sich wunderbar mit Hlûthard verstand, er war auch selbstbewusster und stolzer geworden.
Riobhan lächelte. Es hatte sich viel ereignet. Roklan hatte auf eigene Faust eine Räuberbande zur Strecke gebracht. Dem Haus Leihenhof war das Junkergut Finsterklamm zugestanden worden und sein Sohn würde bald eine Baronesse aus gutem Hause heiraten. Das Haus Leihenhof arbeitete sich langsam aus dem Dreck wieder empor. Doch nun musste er noch einige Entscheidungen treffen. Riobhan wandte sich von dem Fenster ab, denn es klopfte hart und kräftig an der Tür.
Riobhan ließ den Besucher eintreten. Es war einer seiner Knechte, der in gebeugter Haltung in die Stube trat.
„Euer Hochgeboren, eine gute Dame wünscht Euch zu sprechen.“
Riobhan sah den Knecht etwas überrascht an. Eine gute Dame konnte viel bedeuten.
„Wer ist es?“ fragte er daher, doch der Diener zuckte nur mit den Achseln.
„Sie sagt, ihr erwartet sie schon.“
Riobhan kniff die Augen zusammen, doch dann befahl er, die Dame vorzulassen. Wenige Augenblicke später trat sie ein – uralt, würdig, gebeugt von den vielen Jahren auf ihrem runden Buckel. Und doch strahlten ihre Augen eine enorme Jugend, aber auch gleichzeitig eine große Weisheit aus, die schwer fassbar war. Die Tür schloss sich hinter dem Baron und die beiden Menschen in der Schreibstube warteten bis die Schritte des Dieners verklungen waren.
„Riobhan, mein Sohn, so sehen wir uns wieder.“
Die alte Frau hustete, doch Riobhan sah wohl keine Veranlassung, ihr zu Hilfe zu eilen. Stattdessen schritt sie zu dem Sessel in diesem Raum und nahm unaufgefordert Platz. Riobhan lächelte.
Heidruna, schön dich hier zu sehen.“
Ja, dies war Heidruna, die oberste Hexe aller Hexen in den Koschbergen – und damit auch die heimliche Königin über Riobhan, der selbst ein Hexer war. Die alte Frau wickelte sich in ihren Überwurf, der schon alt und fransig war, doch noch immer warm hielt. Die alte Hexe hustete wieder, doch sie lächelte dabei.
„Ich habe Gerüchte gehört, die Vögelein haben es von den Dächern gesungen.“
Riobhan stützte sein Kinn auf die linke Hand und sah die alte Dame wie eben ein solches neugieriges Vögelein an. Um seine Lippen spielte ein zartes Lächeln.
„Wie ich hörte, erhebt das Haus Leihenhof Anspruch auf ein Junkergut im liepensteiner Eisenwald.“
Riobhan grinste nun. Woher auch immer die alte Hexe diese Neuigkeiten hatte, sie war sehr gut informiert. Und bewies wieder einmal, dass sie immer noch der mächtigen Zauberei fähig war – mochten sich die Druiden in den Wäldern Mittel- und Ostgratenfels und die Magier der Akademie vor ihr in Acht nehmen. Der Kosch war immer noch Hexenland. Riobhan richtete sich wieder auf.
„Nun...,“ sprach er künstlich gedehnt, „nicht nur Anspruch. Baronin Gundela von Liepenstein übertrug mir den Titel und das Lehen des Junkers von Finsterklamm mit sofortiger Wirkung. Aber sag, was weckt dein Interesse an dieser Geschichte?“
Heidruna fing plötzlich laut an zu lachen, immer wieder unterbrochen durch heftiges Husten. Sie hielt sich den Bauch und lachte, bis sie kaum mehr Luft bekam. Japsend schnappte sie nach Luft und Riobhan konnte nicht anders, als ebenfalls zu grinsen – auch wenn er nicht wusste, warum eigentlich. Als dann die alte Hexe wieder sprechen konnte, versuchte sie zu erklären.
„Du weißt noch gar nichts, mein Junge. Du bist zwar ein Hexer, ein Sohn Satuarias, aber du weißt noch gar nichts. Ahnst du nicht, welche Geheimnisse in den unzugänglichen Bergen verborgen sind?“
Der Baron sah nun nicht mehr belustigt, sondern vielmehr gefesselt von dieser Geschichte aus. Heidruna erfreute diese Anteilnahme durchaus.
„Mein Sohn, ich habe dir viel zu erzählen. Und viel beizubringen. Halte dir ein paar Tage im Rondramond frei.“
Mit diesen Worten tappte die alte Hexe zur Tür und verließ ohne jegliches weitere Grußwort den Raum. Riobhan lächelte. Sie war eigensinnig, doch ihre Ziele waren stets von bodenständiger Ehrlichkeit. Insbesondere für ihr Volk, das der Kinder Satuarias. Heidruna verließ auch die Galebburg und verschwand dann in die Berge – ungesehen durch Adlige und einfache Bürger und Bauern.