Ritter Boromils Gespür für das Moor - Aktion Siedlungsplatz I
Die Burg Birkendamm im Frühling 1032 nach Bosparans Fall
Als Boromil Burg Birkendamm erreichte, hing wieder dichter Nebel über dem Moor. Fast hatte er diesen Anblick schon vermisst, wie er sich eingestehen musste. Man konnte sich wohl an alles gewöhnen! Er war kaum in die Burg geritten, als ihm auch schon einer seiner Siedler entgegeneilte. Es war der Mensch aus Fürstenhort, der als Rossknecht gearbeitet hatte und offensichtlich alles daran setzte, dieser Tätigkeit auch weiterhin nachzugehen. So half er Boromil beim Absteigen und kümmerte sich sofort um sein Pferd. Nun, das sollte ihm nur recht sein!
In der Zwischenzeit ließ er seine anderen Siedler, die bisher noch auf der Burg und in ihrer Umgebung kampiert und sich von Vorräten ernährt hatten, zusammenrufen. Ein bunter Haufen, wie er ein weiteres Mal befand. "Meine tapferen und treuen Siedler!", sprach er sie an. "Es war sehr großzügig von Vogt Gerling, Euch zu gestatten, hier auf mich zu warten. Doch es ist höchste Zeit, die Gastfreundschaft der Burgbewohner nicht länger zu strapazieren. Packt Eure Sachen zusammen. Ich möchte in spätestens zwei Stunden abmarschbereit sein. Von allen Neusiedlern haben wir den kürzesten Weg – Phex sei gepriesen für dieses Glück! Doch es gibt noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen. Du, Du und Du – vortreten!" Der Ritter vom Kargen Land hatte auf den ehemaligen Musikanten aus Andergast gezeigt, den er als Schreiber einzusetzen gedachte sowie auf den Halbthorwaler und den Bauernsohn, beides kräftige Burschen. Zunächst wandte er sich an die letzteren. "Ihr müsst einen kleinen Umweg bis nach Grantelweiher machen. Ich habe noch einige Güter geordert, die Ihr abholen sollt." Er reichte dem Andergaster ein Dokument. "Hier ist alles aufgelistet. Du kontrollierst, dass die Lieferung vollständig ist." Dann sprach er zu allen dreien. "Den Weg von Grantelweiher bis zum Siedlungsplatz findet Ihr leicht. Haltet Euch immer am Ufer des Großen Flusses und dann an die Warna. Ihr werdet bald ein Wäldchen sehen. Das ist der Birkhain! Ganz in der Nähe wohnen wir, und da es am Flussufer vor allem schöne Wiesen hat, sehe ich da keine Gefahr." Er drückte dem Andergaster einige Geldstücke in die Hand. "Damit mietet Ihr ein Fuhrwerk." Der Schreiber nickte, dann rückten die drei mit kräftigen Schritten ab. Wenn es doch immer so einfach wäre!
Mit geringer Verspätung brach der Rest der Siedler in Richtung des früheren Klippbrühl auf. Boromil hatte einem Torfstecher ein kleines Trinkgeld in Aussicht gestellt, um auf Nummer Sicher zu gehen, doch ein Führer wäre diesmal kaum notwendig gewesen. Der Nebel lichtete sich am Rand des Sumpfes und der Boden war fest. Als Mensch und Zwerg den Platz des früheren Rittergutes erreichten und die verkohlten Ruinen erblickten, sah man auf nicht wenigen Gesichtern Beklemmung. Dem galt es entgegenzusteuern! "Also gut!", rief Boromil, "wir sind unbeschadet angekommen, dann wollen wir doch direkt mit der Arbeit beginnen! Ich weiß, dass die früheren Häuser nicht gerade vertrauenerweckend wirken, aber denkt immer daran: All die anderen Siedler haben gar nichts bis auf einen trockenen Flecken Erde. Jeden Stein, der auf dem anderen steht, sind wir ihnen also in Wahrheit voraus!" Nun begann er, die Aufgaben zu verteilen.
Den Ziegenhirten ließ er die Herde, welche er von Hardger Kusi von Mönchbach geschenkt bekommen hatte, auf eine nahe Wiese treiben. Gleiches befahl er dem zwergischen Schweinehirten, der einige Tiere mitgebracht hatte. Während er sich gutgelaunt an die Arbeit machte, wirkte seine Frau deutlich ernster und machte einen eher unglücklichen Eindruck. Das musste Boromil vorläufig egal sein; Hauptsache, sie ging ihrem Mann zur Hand. Ohnehin war Arbeit die beste Medizin gegen Traurigkeit. Wer ordentlich zu tun hatte, dem blieb auch keine Zeit, um auf trübe Gedanken zu kommen! Der fünfköpfigen Familie von Waldbauern trug er auf, Feuerholz zu besorgen. Der Rossknecht versorgte sowieso sein Pferd. Später würde er sich um die Zugtiere der Wagen kümmern.
Nun wandte sich Boromil an die Baderin: "Hast Du Zuber aus Ferdok mitgebracht?" "Ja, Herr." "Gut. Dann geh zum Fluss und hole Wasser. Ich will jedenfalls heute abend noch baden und vielleicht geht es manchem anderen ebenso." Er zögerte kurz. "Lass Dir von Deinem Mann beim Wasserschleppen helfen." Vielleicht wären zwei weitere Hände zum Zupacken in der Siedlung besser gewesen, aber so würde sich die Baderin sicherer fühlen. Außerdem waren sie wahrscheinlich ein eingespieltes Duo und es war immer angenehmer, mit jemandem zu arbeiten, den man kannte.
Boromil blickte auf die bereits stark zusammengeschrumpfte Anzahl von Siedlern, die im Halbkreis vor ihm standen und seine Anweisungen abwartete. Von den Männern blieben noch der Koch aus Ferdok und der Glockengießer aus Angbar. Wenn er die noch versorgte, wäre er allein unter Frauen, wie Boromil innerlich schmunzelnd feststellte. Da hatte er die Aufgaben in der richtigen Reihenfolge verteilt! Da wären noch die Rakulbruckerin, die Töpferin aus Salmingen, das Ferdoker Waschweib und die Frau aus der Baronie Dunkelforst. Doch für ein Schäferstündchen war nun wirklich nicht die richtige Zeit. Man erwartete von ihm, dass er die Leute antrieb, und nicht, dass er sich treiben ließ.
"Kascha, Du beziehst zusammen mit unserer werten Waschfrau am Eingang der Siedlung Stellung." Den vollen Namen des Breikochs hatte er bisher nicht erfahren; da diesem alle Zähne fehlten, konnte er ihn selbst nicht sagen, und die Ferdoker hatten ihn auf dem Weg hierher immer so angesprochen. "Sucht aus den Vorräten etwas heraus, was zum Abendessen taugt. Ihr könnt es ja schon soweit vorbereiten, bis das erste Feuerholz da ist. Und Du", wandte er sich zusätzlich an die Waschfrau, "hast dabei ein bisschen ein Auge auf den Weg. Sobald jemand kommt, sagst Du mir Bescheid. Ich bleibe hier in der Nähe, so dass ich in Rufweite sein sollte." Die Angesprochene nickte flink.
Jetzt musste er ein wenig improvisieren. "Kann einer von Euch mit einer Waffe umgehen? Ich meine einen Knüppel oder eine Axt, um im Zweifelsfall Ratten totzuhauen?" Der Glockenschmied, der einen unglaublich harten Gesichtsausdruck aufsetzen konnte, nickte wie erwartet. "Keine Sache", meldete sich außerdem die Frau aus Rakulbruck. Boromil war durchaus überrascht. Das hätte er ihr nicht zugetraut. Ihrem hübschen Gesicht und dem recht wohlgeformten Körper nach zu urteilen hätte es gut sein können, dass sie sich bisher für grobe Arbeiten zu fein gewesen wäre. Was hatte sie noch gesagt, wo sie früher gearbeitet hätte? In einem Lokal am Grenzort zu Garetien? Na, sei's drum. Blieben die sogar noch hübschere Töpferin und die Dunkelforsterin. "Tja, dann fällt Euch die Wache am anderen Ende der Siedlung zu. Die Töpferin nickte mit großen Augen, während die andere den Mund zu einem schiefen Lächeln verzog. "Das kriegen wir hin. Ich habe gute Augen." Boromil war zufrieden mit der Reaktion, dennoch war da irgendetwas an der Frau, das rätselhaft auf ihn wirkte. Aber länger darüber nachdenken konnte er ein anderes Mal.
Zu seinem Erstaunen hatte die Rakulbruckerin einen richtigen Prügel im Gepäck. Hatte sie öfters Ärger mit Gästen gehabt, die zudringlich wurden, wenn sie betrunken waren? Der Angbarer zog eine alte Axt. "Das gute Arbeitswerkzeug ist zu schade zum stumpfen Draufkloppen.", kommentierte er seine Wahl. Boromil selbst zog sein Schwert und hieß die beiden, rechts und links von ihm zu bleiben. "Wir gehen jetzt die Häuser ab und sehen zu, dass sich kein Kroppzeug darin verbirgt. Ohne verriegelte Türen kann natürlich immer etwas zurückkommen, aber wir machen soweit sauber, wie es geht." Als erstes gingen sie auf den ehemaligen, angeblichen Magierturm zu. Der Angbarer deutete auf den Stein mit dem Pentagramm. "Das Zeichen da...", begann er, schaute dann aber nur noch wortlos darauf. "Der fünfzackige Stern ist das Symbol für Magie. Da braucht niemand Angst vor zu haben", beeilte sich Boromil hinzuweisen. "Das meine ich nicht. Seht Euch nur an, wie gerade die Linien gemeißelt sind und wie gleichmäßig die Form. Das ist gute Handwerkskunst!" Der Ritter vom Kargen Land zog eine Augenbraue hoch. Sollte der grobschlächtig wirkende Glockenschmied in Wirklichkeit eine feine Seite haben? Ihm passte es gut in den Kram, dass er sich nicht vor dem Stein fürchtete.
Sie betraten den Turm. "Macht Euch keine Gedanken wegen der Falltür und dem, was darunter liegt", winkte Boromil gleich ab. "Der Keller ist überflutet, da müssen wir erst das Wasser loswerden." Ansonsten verbarg sich nichts im Erdgeschoss des Turms, so dass sie bald das erste ehemalige Haus untersuchen konnten. Hier verriet ihnen ein verdächtiges Rascheln, dass sie tatsächlich einige Ratten aufgeschreckt hatten. Während Boromil sich schwer tat und nur eine einzige erwischte, schlugen seine Begleiter ohne mit der Wimper zu zucken mehrere von ihnen tot. Die Kadaver schleuderte der Glockengießer wenig zimperlich über die Mauern. "Nicht schlecht für jemanden aus der Hauptstadt", lobte die Rakulbruckerin. Der Angbarer zuckte nur mit den Schultern. "Die Ratten dort sind nicht edler, nur weil sie in der Hauptstadt wohnen." Auf diese Weise verfuhren sie nach und nach mit allen Häusern. Sie hatten gerade das letzte erfolgreich gesäubert, als die Waschfrau Boromil rief: "Edler Herr, der Wagen ist da!"
Schnell lief Boromil mit seinen beiden Helfern zum Weg, der in das frühere Rittergut führte. Just in diesem Moment hatten die drei Siedler, die er nach Grantelweiher geschickt hatte, mit ihrem gemieteten Fuhrwagen die Siedlung erreicht. Boromil befahl allen, die ihre Aufgabe inzwischen erledigt hatten, beim Entladen zu helfen. "Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?", fragte Boromil den Andergaster. Dieser schüttelte den Kopf. "War alles so wie bestellt?" Diesmal nickte er. "Und der Weg war nach meiner Beschreibung ebenfalls leicht zu finden?" Als Reaktion kam ein erneutes Nicken.
Nun galt es die letzten Stunden mit ein wenig Licht auszunutzen. Boromil befahl, in den früheren Häusern Klippbrühls lange Stangen in den Ecken und am Rand aufzustellen und an ihnen große Planen zu befestigen. Auf die Weise nutzten sie die noch stehenden Wände zum Schutz und hatten durch die Planen ein Dach. Als das nach einigen Anlaufschwierigkeiten endlich erledigt war, fühlte er sich schon deutlich wohler.
Inzwischen war das Abendessen fertig und alle Siedler kamen zusammen, um gemeinsam zu essen. Boromil nutzte die Gelegenheit, um das weitere Vorgehen zu erklären. "Wir haben nun Unterkünfte, die uns besser schützen als einfache Zelte. Ein Gebäude benötige ich für Planungen und Unterredungen. In den anderen schlafen wir gruppenweise, so dass wir jeweils nur eine Wache aufstellen. In den nächsten Tagen werden wir damit anfangen, alles soweit herzurichten, dass wir bald mit dem Bau der Häuser beginnen können."
Recht schnell fanden sich drei Gruppen zusammen, die in jeweils einem Gebäude übernachten würden: Der Bauernfamilie und dem Bauernsohn schloss sich die Dunkelforsterin an. Die Ferdoker blieben zusammen. Zu ihnen gesellte sich die Töpferin. Die drei Hirten, der Rossknecht, die Rakulbruckerin, der ehemalige Musikant und der Glockenschmied bildeten die dritte Gruppe. Boromil ging daher zu den Ferdokern, so dass die Personen gleichmäßig aufgeteilt waren. Sobald es möglich wäre, würde er jedoch ein eigenes Schlafzimmer haben wollen. Seine Untergebenen anständig zu behandeln war gut; zuviel Nähe hielt er jedoch für schlecht. Nachdem die Wachen eingeteilt worden waren, begaben sich alle zur Ruhe. Boromil war mit dem ersten Tag in der neuen Siedlung zufrieden.