Neues aus Drift - Lehenstreue
Josper durchmaß den Rittersaal des Fuxengutes mit weiten Schritten, während Idelfonso, der Gutsverwalter, über Planungen für die Ankunft Brumils, des neuen Barons, sprach.
„Ich habe gestern einen Boten nach Drift geschickt, ein paar Besorgungen für den Empfang zu machen. Wir planen als Hauptgang ein Spanferkel zu schlachten, oder soll es etwas Opulenteres sein?“
„Bloß nicht“, sprach der Junker, „er soll nicht auf die Idee kommen, es gehe uns zu gut. Wir haben ordentlich unter den Wirren der letzten Monde gelitten.“
„Aber immerhin nimmt er euch euren Lehnseid ab, das ist ja doch eine etwas festlichere Zeremonie, meint ihr nicht?“
„Wenn ich ehrlich bin, mein lieber Idelfonso, gibt es da aus meiner Warte nicht wirklich etwas zu feiern. Wenn man es genau nimmt, sind wir aus diesem Krieg genauso herausgegangen, wie wir ihn begonnen haben. Abgesehen davon, dass wir nun einen neuen, geschrumpften Herren haben.“
„Aber wartet in Nadoret nicht euer Anteil an den Sindelsaumer Lösegeldern und Entschädigungszahlungen? In dem Brief, den euch Hakan zukommen ließ, steht ja ein erkleckliches Sümmchen.“
Josper rief sich den Brief, der vorgestern angekommen war, in Erinnerung. In diesem bat Hakan ihn, so schnell wie möglich auf Schloss Nadoret zu kommen. Einerseits um sich seinen Anteil abzuholen, andererseits würden neue Aufgaben auf ihn warten, über welche er Josper aber lieber persönlich aufklären würde.
„Das stimmt“, antwortete Josper, „aber ich glaube, so ein Spanferkel ist wirklich das Richtige für unseren neuen Baron. Wenn ich ihn richtig einschätze können wir auch den guten Nordmärker Tropfen im Keller lassen und stattdessen ein Bierfass anstechen lassen. Lasst von den restlichen Reserven lieber ein Fest für das Dorf ausrichten, nicht das er denkt, wir seien alle solche Schinder wie Narmur“
Am Abend.
Josper hatte den Baron mit einem Aufgebot der Garde begrüßen lassen. Nach der Begrüßung ging es dann zum Mahl in den Saal des Schlosses. Mit seiner Einschätzung bezüglich Brumils Geschmacks hatte er goldrichtig gelegen. Während des Essens herrschte alltägliche Plauderei, sodass sich Josper und Brumil nach dem Mahl in die Kanzlei des Schlosses zurückzogen, um sich gemeinsam zu besprechen.
„Nun, ich danke euch für den Empfang und das Essen“, sprach Brumil.
„Ich habe zu danken, dass ihr uns mit eurer Anwesenheit beehrt.“, erwiderte der Junker.
Brumil zog eine Augenbraue hoch und sah den Hauptmann scharf an. „Als ich euch das letzte Mal mit meiner Anwesenheit beehrte, damals an der Unwynnfurt, habt ihr vor lauter Ehrerbietung euer Schwert mir gegenüber gezückt. Aber lasst uns nach vorne schauen, Ich denke ihr seit bestens über die Abmachungen von Durstein informiert?“
„Durchaus“, antwortete Josper.
„Ihr bleibt weiter der Hauptmann der Garde, jedoch wird die Stärke auf 20 Soldaten reduziert. Die Zollreiter werden aufgelöst. Mehr gibt die finanzielle Lage nicht her.“, sprach Brumil und nahm einen tiefen Zug seiner Pfeife.
„Eure Durchlaucht, 20 Soldaten scheinen mir doch etwas wenig. Lasst mich euch ein Angebot unterbreiten: Die Stärke der Garde könnten wir auf 25 festsetzen, was genau einem Halbbanner entspräche. Die Zollreiter würde ich gerne erhalten und auf 10 Reiter aufstocken, was genau eine Lanze darstellt. Wir haben es schließlich mit einer Menge Banditen und Briganten zu tun, wie ihr sicherlich wisst. Um aber die Baronie zu schonen werde ich selbst für den Unterhalt der fünf zusätzlichen Gardisten und der Reiter aufkommen.“
„Ihr meint die Nadoreter werden durch euch dafür aufkommen, um sich ihren Einfluss zu sichern“, entgegnete Brumil leicht verärgert.
„Mein Herr, die Lage ist wirklich misslich, und die Grenze zu den Nordmarken ist praktisch unbewacht. Wir könnten natürlich auch unsere Reihen mit anderen Kräften aus der Baronie aufstocken, in Zwischenbrücken sind ja immerhin 10 Nadoreter Spießknechte…“
„Nein“, murrte Brumil verärgert, „das Hirschbanner hat hier genug Schaden angerichtet. Von mir aus könnt ihr die Garde aufstocken – zu euren Kosten. Aber Reiter wird es keine geben.
Brumil fuhr sich durch den Bart: „Ich werde den Drifter Haufen in die Landwehr der Baronie überführen. Die Kämpfer des Drifter Haufens werden die lichten Reihen der Garde schließen. Und ihr werdet mit ihnen zusammenarbeiten.“ Bumil tippte mit seinem Pfeifenstiel gegen Jospers Tunika. „Das sollten dann ausreichend Kämpfer für die Baronie sein.“
Josper biss sich auf die Lippe.
„Es ist wichtig, dass ihr begreift, dass die Baronie neu zusammenwachsen muss, ich habe euch verziehen, dass ihr so energisch für Narmur gestritten habt. Gut, ihr wart ihm verpflichtet.
Aber nun verzeiht ihr auch den Bauern, dass sie sich gegen diesen Despoten gewehrt haben, was auch gewissermaßen ihre Plicht war“, sprach der Baron und nahm einen tiefen Zug von der Pfeife.
„Gewiss. Aber ohne Reiterei fehlt der Baronie eine fundamentale Truppengattung. Wir sollten die Zollreiter unbedingt erhalten.“ Erwiderte Josper besorgt.
Brumil fuhr sich erneut durch den Bart. „Wenn ihr so besorgt darüber seid, habe ich einen Vorschlag: Ich werde beim nächsten Hoftag in Mirkagarten den Adeligen der Baronie vorschlagen, dass sie für eine bestimmte Anzahl von Tagen im Mond, Reiter samt Pferde für die Zollreiter stellen müssen.
So habt ihr eure Reiter und die Kosten tragt ihr mit euren Standesgenossen gemeinsam. Dafür verlange ich aber, dass ihr diesen Vorschlag am Hoftag tatkräftig unterstützt.“
„Nun denn, so sei es“, rief Josper, „wenn ihr erlaubt würde ich so bald wie möglich Richtung Ferdok aufbrechen, um in der Stadt neue Rekruten zu werben, in der Zwischenzeit, kann sich ja schonmal der Drifter Haufen versammeln, ich würde vorschlagen, dass sie sich der Grenze zu den Nordmarken widmen, was meint ihr?“
„Ihr habt den Oberbefehl über die Aktion Hauptmann, ich werde euch erstmal vertrauen. Aber verspielt dieses Vertrauen nicht, ich werde alles äußerst aufmerksam verfolgen. Und richtet Hakan meine Grüße aus. Ihr werdet doch sicherlich auf dem Weg Richtung Ferdok in Nadoret vorbeischauen. Schließlich wartet da doch bestimmt euer Anteil am Sindelsaumer Lösegeld.“
Brumil fixierte Josper mit zusammengekniffenen Augen, als er die letzten Worte sagte.
„Ich werde mein Bestes geben Drift von den Banditen und Räubern zu befreien, seid euch da sicher“, sprach Josper.
„Nun denn, ich werde mich jetzt zurückziehen. Schließlich will ich ausgeschlafen sein, wenn ich euch morgen den Lehnseid abnehme.“, meinte Brumil.
„Gewiss, ich werde euch den Weg in eure Gemächer leiten lassen, eine geruhsame Nacht wünsche ich.“
„Euch ebenso eine gute Nacht, Herr von Kemlar, euch ebenso“