Du und all mein Glück - Ein Honigschlecken
◅ | Anfangs war es eine Grille |
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Bleib dabei, es wird schon werden! | ▻ |
Oberangbar, 5. Rondra 1042
Nach dem Willkommenstrunk und einem kleinen Imbiss saß man noch eine Weile beisammen
und plauderte. Natürlich interessierten sich alle brennend für die Geschichte von dem Stern,
der wenige Wochen zuvor in den Koschbergen niedergegangen war. Die Garnelhauner wussten,
dass sich der Baron von Oberangbar mit einigen anderen Edelleuten auf die Queste begeben
hatte, um den Stern zu bergen. Doch was dabei herausgekommen war, das hatte sich
noch nicht herumgesprochen.
Wolfhardt von der Wiesen kam der Bitte nach, doch etwas zögernd, wie es schien. Auch fiel
die Geschichte knapper aus, als man erwartet hatte.
»So war das also«, meinte er schließlich und sah in die Runde. Sein Blick fiel auf Brinessa,
die gerade an ihrem Becher nippte. »Doch nun habe ich wirklich genug geredet«, meinte er lächelnd.
»Mich brennt es darauf zu hören, wie es Euch am Hofe Gernots von Mersingen ergangen
ist, Jungfer Brinessa – und wie es derzeit aussieht in der Rabenmark.«
Überrascht setzte die junge Ritterin den Becher ab und räusperte sich. »Ja, nun ...«, begann
sie stockend. »Was wollt Ihr denn hören ...?«
Nadyana seufzte leise. Mochte ihre Base nur erzählen ... Sie ließ derweil die Blicke durch
das Speisezimmer schweifen. Die Wände waren geschmückt mit allerlei Waffen und Rüstzeug,
das meiste davon uralt. So hatte sie sich das Heim des Dichters wirklich nicht vorgestellt. Wo
waren nur all die Bücher und die Instrumente? Wo war die Harfe, deren silberner Klang sie
damals so verzaubert hatte? Und warum unterhielt man sich nun über Tjoste und Gestech? Es
fehlte nur noch, dass ihr Vater auf die Jagd zu sprechen kam. Zuhause gab es selten ein anderes
Thema bei Tisch, und seit ihr Bruder alt genug war, um den Bogen zu spannen, war es nur
noch schlimmer geworden.
»Nadyana, was ist mit dir? Hast du nicht gehört? Wir gehen zu den Bienen!«
Die Stimme ihrer Mutter schreckte sie aus den Gedanken auf. Die anderen hatten sich alle
von ihren Plätzen erhoben und waren schon im Begriff, den Raum zu verlassen. Nur sie saß
noch auf ihrem Platz, als gehöre sie gar nicht dazu.
»Zu den Bienen?«, fragte sie verwundert. Was hatte das nun zu bedeuten?
»Aber ja«, meinte die Mutter. »Du bist doch wirklich eine Traumsuse. Wir haben doch gerade
davon gesprochen. Es gibt hier in der Nähe einen Bienenhof, den möchte ich sehen. Das
wird bestimmt ein Honigschlecken, mein Schatz!«, sagte sie und lächelte selig.
Nadyana nickte und folgte.
Man begab sich also zu einem kleinen Anwesen, das vor der Stadt inmitten blühender Wiesen
lag. Hier wohnte in einem kleinen Häuschen Meister Holbrusch, Sohn des Hannosch, ein
gemütlicher Angroscho aus dem Hügelvolke. Mit großer Hingabe sorgte er seit Jahren für die
Bienenvölker des Barons und entnahm den Waben beizeiten ihren herrlich-süßen, goldenen
Schatz.
Das war ein Summen und Schwirren in den Lüften, als Tausende von kleinen, gestreiften
Sammlerinnen hinaus zur Arbeit flogen oder, mit gelben Pollen beladen, nach Hause kamen.
Alles sei hier wohlgeordnet nach uralten Regeln, erklärte Väterchen Holbrusch und strich
sich den Bart. Die Imkerei sei eine hohe Kunst: Man brauche einen Ort, der windgeschützt sei
– daher die hohen, dicht gepflanzten Hecken. Auch der Teich in der Mitte, die Steine und die
Weidenäste kreuz und quer im Wasser seien wichtig, damit die Bienen sich dort niederlassen
könnten. Doch ebenso bedeutsam sei das Umland eines Bienenhofes: Es nütze nichts, wenn
auf den Wiesen Schafe oder Ziegen weideten und alle guten Blüten fräßen; auch müsse man
darauf achten, dass keine Rauchschwalben oder gar Bienenspechte in der Nähe ihre Nester
hätten, denn diese Vögel hielten sich schadlos an den fleißigen Tierchen.
Vieska von Gormel lauschte gebannt seinen Worten, wobei ihr Mund ein wenig offen stand.
Immo sah es und kicherte.
Nadyana gefiel es auf dem Bienenhof gut, und sie wünschte sich, dass es zu Hause auf Trallikshöh
einen ähnlichen Ort gäbe. (Nein, eigentlich wünschte sie sich etwas anderes, doch war
dieser Wunsch noch viel zu tief in ihr verborgen, als dass er sich in Worte fassen ließ.)
Irgendwann sah sich Wolfhardt genötigt, die Ausführungen des alten Hügelzwergen abzukürzen,
damit man endlich zur Honigprobe übergehen konnte. Das gefiel auch Jung-Immo,
der die ganze Zeit ungeduldig mit den Füßen im Sand gescharrt hatte, sich nun aber gierig
über das »Gold von Oberangbar« hermachte.