Die Wunder-Printe vom Angbarer Neumarkt

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Ausgabe Nummer 75 - Rahja 1045 BF

Die Wunder-Printe vom Angbarer Neumarkt

Ingerimms Werk oder bloßer Zufall?

ANGBAR, Ingerimm 1045 BF. Gebildbrot findet stets reißenden Absatz an der Angbarer Warenschau. Dieses Jahr führte ein mangelhaftes Gebäck zu einem Volksauflauf, einem Zeichen lobenswerter Frömmigkeit und einer Entfaltung trefflichen Geschäftssinns.

Was ein Gebildbrot ist, muss man einheimischen Lesern des KOSCH-KURIERS nicht erklären. Da unser Blatt aber auch in anderen Provinzen gelesen wird, wollen wir hier kurz ausholen. Gebildbrot, im Außerkosch auch Koscher Printen genannt, sind ein Gebäck aus Weizenmehl, Rübensirup und allerlei Spezereien, die ihm seinen charakteristischen süß-herb-würzigen Geschmack verleihen. Sie werden das ganze Jahr über als Nachtisch gegessen, aber besonders gern zu allerlei Feiertagen. Ihren Namen haben sie davon, dass sie in fein ziselierten Kupferformen gebacken werden, die ihnen ein figürliches Aussehen und oft eine fein gestaltete Oberfläche verleihen, wie ein Bildnis eben oder ein Kupferdruck. Dabei gibt es traditionelle einfache Formen wie das Knäblein, das Mädchen, den Keiler oder den Amboss. Jeder Koscher Zuckerbäcker besitzt aber auch seine selbst entworfenen Bilder, die sein Markenzeichen sind, etwa der Angbarer Zunftmeister Baduar Bröterich mit seinem „Fischerfürsten“ oder die Bäckerei Koschedal in Koschtal mit ihrer „Koschammer auf Rosenzweig“.

In Angbar ist die Warenschau im Ingerimm die wichtigste Printenzeit. Bei den fremden Kaufleuten, Handwerkern und sonstigen Gästen, die dann die Stadt füllen, findet das auffällige Gebäck reißenden Absatz. Die Zuckerbäcker wetteifern jedes Jahr miteinander, wer die schönste oder ausgefallenste neue Form präsentieren kann. Meister Trautbold Dickbeutel ließ dieses Jahr neu einen Sappeur samt Spaten herstellen. Doch für Aufsehen sorgte dann ein ganz altes Modell, nämlich das Knäblein. Diese Form hatte schon Meister Dickbeutels Urgroßmutter herstellen lassen. Das Kupfer war durch all die Jahre des Gebrauchs dünn und brüchig geworden, und so geschah es, dass sie dieses Jahr während der Warenschau unter dem Druck des aufgehenden Teigs zerbrach. Dieser quoll aus der Lücke heraus und gab dem Kopf des Knäbleins auf der linken Seite eine etwas eigenartig gezackte Form.

Unsere auswärtigen Leser mögen versichert sein, dass Angbarer Zuckerbäcker normalerweise höchste Ansprüche an die Qualität ihrer Waren stellen, doch war die Nachfrage heuer so groß, dass es Meister Dickbeutel nicht übers Herz brachte, das unförmige Gebildbrot an die Hühner zu verfüttern, sondern es seufzend in den Verkauf gab. So erstand es auf dem Neumarkt eine Eisenwaren-Kauffrau namens Usanza Tandori aus Taladur in Almada um den guten Preis von 5 Hellern. Doch wie sie das Gebäck aus den Händen des Meisters entgegennahm, ließ sie es sogleich mit einem Schrei des Erschreckens fallen und musste sich schwer atmend auf die Verkaufsfläche des Standes setzen. So laut waren ihr Schrei und ihr Keuchen, dass sich schon eine Menge Schaulustige ansammelte, als Meister Dickbeutel, um seinen Ruf besorgt, nachfragte, was der Dame denn zugestoßen sei. „Mein Onkel selig!“, rief sie da, „Warum backt Ihr denn Brote mit dem Bild meines Onkels?“ Da wunderte sich der Zuckerbäcker sehr, doch die Frau schwor Stein auf Bein, dass der Kopf der Printe auf der linken Seite genau das Profil des Lumino Tandori trage, seinerzeit Hochgeweihter des Ingerimm in Taladur, doch seit zwanzig Jahren verstorben. Natürlich freue sie sich, dass man ihm dieses Denkmal setze, aber wie sei ein Angbarer Handwerker ausgerechnet auf Onkel Lumino gekommen?

Als Meister Dickbeutel erklärte, dass diese Ähnlichkeit durch reinen Zufall entstanden sei, rief Frau Tandori: „Zufall, sagt Ihr? Ein Wunder, sage ich!“ Bei diesen Worten ging ein Raunen durch die Menge der Zuschauer und verwandelte sich in Jubel, als die Kauffrau nachsetzte: „Ein Wunder des Herrn Ingerimm!“ Nun wurde das numinose Gebildbrot im Triumphzug zum Tempel der Flamme getragen. Dort legte man den Geweihten die Printe vor und erzählte ihre Geschichte. Die Priester waren sehr erbaut von der Frömmigkeit der Menge, wollten sich aber nicht festlegen, ob dies nun ein Wunder sei oder doch nur Zufall. Für alle Fälle segneten sie das Gebäck im Namen ihres Herrn, worauf die Dame Tandori zufrieden abzog und alle ihre Begleiter zu einem Umtrunk im Ratskeller einlud.

Vom KOSCH-KURIER um einen Kommentar zum Vorfall angefragt, sagte später der Hochgeweihte Basalthar von Bragahn: „Ob dies nun das Wirken Ingerimms ist oder nicht, weiß nur der Himmlische Schmied selbst. Doch zeigt sich hier wieder einmal, dass selbst im Unfall gutes Handwerk immer Segen bringt.“ Dagegen belehrte uns der Angroschpriester Franox Sohn des Reuterox aus Tarkansch, den wir im Schankhaus Wackerbusch antrafen: „Es gibt keinen Zufall. Alles verläuft nach dem großen Plan des Weltenbauers.“

Meister Trautbold Dickbeutel zeigte derweil den bekannten Geschäftssinn der Angbarer und gab sogleich eine neue Kupferform in Auftrag, mit der er „Wunderprinten der Hochwürden Lumino“ in Mengen unter das Volk brachte. Zugleich bewies er seine göttergefällige Gesinnung, indem er für jede verkaufte Wunderprinte einen Heller an den Ingerimmtempel spendete.

Stordian Mönchlinger